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Mallorca Steht die Insel vor dem Kollaps?

Schon jetzt ist klar: Viele Länder – wie die Türkei oder Ägypten – werden die Menschen meiden. Spanien erwartet dagegen einen neuen Touristenrekord. Wie bereitet sich Mallorca auf den Ansturm vor?

Von: Sebastian Kisters

Stand: 09.07.2017 | Archiv

Plakat | Bild: BR

Das Meer leuchtet blau: 28 Grad, leichter Wind. Ein Platz in der Sonne. Mallorca in diesen Tagen. Ich erwarte die Ruhe vor dem Touristensturm. In Palma angekommen fällt mir aber gleich auf: Es ist ziemlich voll hier. Zum Glück haben wir für diese Reportage vor Wochen Zimmer gebucht. Was, wenn wir jetzt spontan gekommen wären:

"Haben Sie noch freie Zimmer am Wochenende, hier in Palma?"

Reporterfrage

"Dieses ganze Jahr ist sehr speziell. Es sind so viele Leute hier. Im Mai, Juni, Juli sind fast alle Hotels ausgebucht."

Esther, Palma Tourismus

Juli Fuster

So viele Touristen! Ich möchte wissen, wie finden das eigentlich die Mallorquiner. Mir fällt in Palma immer wieder ein Plakat auf: "Dieser Ort gehört den Menschen, die hier leben. Nicht denen, die ihn besuchen."
Ich habe gehört, immer mehr Wohnungen hier werden zu teuren Ferienunterkünften gemacht. Mittlerweile soll es Probleme geben, Platz für Sanitäter oder Krankenschwestern zu finden, die in der Hauptsaison auf die Inseln kommen müssen. Ich frage den Direktor der balearischen Gesundheitsbehörde:

"Wir müssen im Sommer zusätzliche Leute einstellen. Viele sagen: Wir würden ja kommen, aber wir können die Mieten nicht bezahlen. Deshalb bauen wir zum Beispiel ein altes Krankenhaus, das wir nicht mehr brauchen, so um, dass unsere Leute da wohnen können."

Juli Fuster, Direktor balearische Gesundheitsbehörde

Folgen des Tourismusbooms: Die Behörden müssen sehen, wo es noch Platz für die eigenen Leute gibt.
Dem Protest gegen zu viele Touristen haben sich auch Umweltschützer angeschlossen wie Margalida: Sie will mir Autos zeigen, viele Autos. Über 90.000 Mietwagen sind für den Sommer auf die Insel verschifft worden. 90.000! Das müsse aufhören!

"Im Moment spricht man von einer Extra-Öko-Steuer für Autos. Aber das ist noch nicht sicher."

Margalida Ramis, Umweltschutzorganisation GOB

Es gäbe nicht genug Platz auf der Insel für so viele Autos, auf den Straßen nicht und auch nicht in den Städten und an Stränden. Strände übrigens, die schrumpfen. Margalida nimmt mich am nächsten Morgen mit zu einem der beliebtesten Strände Mallorcas: Es Trenc.

"Guck mal, so viel Sand nimmt jeder Besucher mit, der hier am Strand war!"

Margalida Ramis

In den Klamotten, Schuhen…?

"Genau! Oder mit dem Handtuch. Eine Person wäre ja kein Problem. Aber dieser Strand hier ist einer der beliebtesten auf der Insel. Es gibt tausende Touristen am Tag, die Sand mitnehmen. Das ist ein Problem. Denn es hat zur Folge, dass der Strand immer schmaler wird. Guck mal, dahinten ist ein alter Bunker. Vor ein paar Jahren noch hatten wir dort 20 Meter mehr Strand bis zum Wasser."

Margalida Ramis

Wie lange ist das her?

"Nur zehn, 15 Jahre, nicht mehr. Und hier haben wir Seegras. Das ist wie eine Barriere, dass nicht auch noch Sand weggespült wird. Aber im Sommer wird das Seegras für die Touristen weggeräumt. Die mögen das nämlich nicht."

Margalida Ramis

Laut einer Studie verliert der Strand von Es Trenc allein durch Touristen 19 Tonnen Sand im Jahr. An der Playa de Palma sind es sogar 82 Tonnen jährlich.

José Garcia Relucio

An einem der Lieblingsstrände der Deutschen ist schon viel los. Das ärgert manchen Mallorquiner. Aber das freut auch viele, die hier arbeiten, besonders Gewerkschafter. Mehr Touristen bedeute mehr Arbeit und mehr Geld:

"Tourismus ist die größte Industrie auf den Balearen. Wer dagegen ist, der kann kein Hirn haben. Tourismus ist fundamental. Davon haben wir bisher gelebt. Und davon wollen wir weiter leben."

José Garcia Relucio, Gewerkschafter UGT

Demnächst stehen Tarifverhandlungen an. Die Gewerkschafter wollen über fünf Prozent mehr Gehalt für Kellner oder Zimmermädchen. Der Touristenstrom sei für ihre Verhandlungen wie Rückenwind.

Am Ende meiner Reise denke ich: Eigentlich wollte ich die Geschichte erzählen: Mallorca vor dem Touristensturm. Aber spätestens im Hafen stelle ich fest: der Sturm hat längst begonnen, auch durch die zahlreichen Kreuzfahrtschiffe, die in Palma festmachen. Noch mehr Touristen, manchmal 20.000 am Tag. Klar, die Insel lebt vom Tourismus, aber verliert im wahrsten Sinne an Substanz und an Schönheit. Die Luftverschmutzung nimmt zu, das Wohnungsproblem immer drängender.
Mallorca muss aufpassen. Wie schrieb hier eine Zeitung unlängst: Die Insel droht am eigenen Erfolg zu sterben.


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