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Spanien Nach dem Ende der ETA

Wie können sich ehemalige Gegner und Feinde aussöhnen und wieder zusammenleben? Selbst und gerade innerhalb eines Landes ist Versöhnung schwierig, aber nicht unmöglich, wie eine Frau im spanischen Baskenland zeigt.

Von: Michael Altenhenne

Stand: 22.07.2018 | Archiv

Zeitungsbild eines Opfers | Bild: BR

Ihr Mann ist allgegenwärtig: In ihrer Wohnung in Bilbao hat Rosa Rodero sogar einen Schrank voll von Erinnerungsstücken, darunter auch seine Dienstwaffe. Joseba Goikoetxea war ein hoher Polizeibeamter. Er trug die Pistole immer bei sich, erzählt die 62-Jährige, aber geholfen hat ihm das nicht.

Rosa Rodero

Die Witwe und Mutter von drei Kindern leidet bis heute an Depressionen, obwohl das Attentat auf ihren Mann mehr als 20 Jahre zurückliegt:

"Das Leid tragen wir in uns, auch wenn wir Schritt für Schritt lernen, damit zu leben. Aber vergessen werden wir das nie!"

Rosa Rodero

ETA-Terroristen verkünden das Ende der Organisation

Der damals 42-jährige Polizist war auf dem Weg zur Arbeit, im Zentrum von Bilbao. An dieser Ampel schoss ihm der Attentäter in den Kopf.
Die Bomben- und Mordanschläge der ETA terrorisierten die Spanier rund 30 Jahre lang. Mehr als 800 Menschen kamen dabei ums Leben. Ziel der militanten Separatisten: ein unabhängiges Baskenland.
Vor acht Jahren endete schließlich die Gewalt, im Mai folgte die Selbstauflösung der ETA. Die ETA ist Geschichte, doch der politische Konflikt zwischen Basken und spanischer Zentralregierung geht weiter.

Rosa Rodero will zur Versöhnung beitragen. Doch in der spanischen Politik gibt es andere Interessen, beklagt die Baskin:

"Die ETA und die Opfer der ETA sind für die Partido Popular wichtig gewesen, um an die Regierung zu kommen und Wähler zu gewinnen. Aber wir Opfer sind keine Politiker, und ich persönlich möchte nicht parteipolitisch ausgenutzt werden."

Rosa Rodero

Olatz Arregi

Das Dorf Zumaia: eine Hochburg der baskischen Nationalisten. Eine Bürgerbewegung sammelt hier Geld und Unterschriften für ein Unabhängigkeitsreferendum, genau wie in Katalonien.
Aus Sicht vieler Dorfbewohner gibt es nicht nur die Opfer der ETA, sondern auch Opfer der Staatsgewalt:

"Es gibt die Opfer der sogenannten GAL, den Antiterroreinheiten zur Zeit der Sozialisten. Sie haben Menschen getötet, einfach erschossen. Diese Opfer wurden nie offiziell anerkannt. Aber sie sind auch Opfer, und zwar Opfer des Staates."

Olatz Arregi

Peio Aizpuru

Dionisio Aizpuru kämpfte für die Unabhängigkeit. Das weiß sein Bruder. Aber ob er jemals ein Verbrechen begangen hat, ob er ein Terrorist war, das wurde nie geklärt. 1984 starb der junge Mann im Kugelhagel der Polizei zusammen mit drei weiteren Personen. Laut Autopsie wurde er von 36 Kugeln getroffen, sieben Schüsse trafen ins Genick.

"Es war ein staatlich organisiertes Verbrechen. Trotzdem wollte die spanische Justiz den Fall nicht untersuchen, und das obwohl es Indizien dafür gibt, dass es ein Mord war. Aber da sie nicht herausfinden konnten, welche Polizisten damals beteiligt waren, wurde der Fall zu den Akten gelegt."

Peio Aizpuru

Die ETA entschuldigt sich in ihrem Auflösungskommuniqué zum ersten Mal bei den Familien der Opfer, aber nur bei denjenigen, die nichts mit dem Konflikt zu tun hatten. Viele Angehörige empfinden das als eine Demütigung. Aber Rosa Rodero will nach vorne schauen und die Zeit des Terrors hinter sich lassen:

"Wenn sie sich nur für die Opfer, die unbeabsichtigt getötet wurden, und nicht bei mir, der Frau eines Polizisten, entschuldigen wollen, dann ist das für mich kein Problem. Ich glaube, man muss sich in die Augen schauen vom Täter zum Opfer, um zu wissen, ob die Entschuldigung auch ehrlich gemeint ist."

Rosa Rodero

Sie hat sich entschieden, den Mörder ihres Mannes nicht zu hassen. Trotz des vielen Leids will sie nach vorne schauen. Ein Leben ohne Angst und Terror, das wünscht sie sich für ihre Enkel und für die Zukunft des Baskenlandes.


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