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Russland Wahlsieg trotz Wirtschaftskrise?

Nach außen hin stark – innen schwach: während Russland militärisch massiv im Ausland interveniert, geht es Rentnern im Land immer schlechter.

Von: Birgit Virnich

Stand: 18.09.2016 | Archiv

Maria Jelistratowa vor ihrem Haus | Bild: BR

Die 78-jährige Anna Mrelkina sitzt oft vor ihrem Haus. Die Rentnerin wohnt hier ganz alleine, wie viele ältere Frauen in den Dörfern rund um Tula. Die Jungen haben schon lange das Dorf verlassen, auf der Suche nach einem Job.

Lebensmittel für die Rentner

Die Helfer versuchen den Alten mit Lebensmitteln unter die Arme zu greifen. Jeden Monat bringen die Freiwilligen das Notwendigste. Ohne sie könnte die alte Dame nicht überleben, zumal der Dorfladen schon vor Jahren zugemacht hat. Mittlerweile regnet es durchs Dach und die alten Holzdielen müssten ausgetauscht werden.

"Schauen Sie, der Fußboden ist überall brüchig. Ich bin mit dem Stuhl letztens umgefallen. Der Fußboden gibt einfach nach. Das Holz ist einfach morsch. Schauen Sie überall."

Anna Mrelkina, Rentnerin

Anna Mrelkina

Ohne ihr Gemüse aus dem Garten käme sie nicht über die Runden, da alles teurer geworden ist.

Eigentlich sollten die Renten erhöht werden, um die Inflation auszugleichen, doch nicht zuletzt aufgrund der gestiegenen Militärausgaben, gibt es nun nur eine Einmalzahlung Anfang nächsten Jahres - 70 Euro.

Russland verarmt

Tatjana Petrowa

Gerade in den letzten Monaten ist die Verarmung immer sichtbarer geworden. Vor allem auf dem Land trifft man auf immer mehr Rentner in Not. Das spürt auch Tatjana Petrowa bei ihren Besuchen:

"Die Inflation und die Wirtschaftskrise haben das Leben von unseren Rentnern stark beeinträchtigt. Viele können sich die Medikamente, die sie früher vom Staat kostenlos bekommen haben, nicht mehr leisten."

Tatjana Petrowa, Hilfsorganisation Dorcas

Hoffnung, dass die Duma-Wahlen etwas ändern könnten, hat sie keine. Dennoch den Appell des Präsidenten, zur Urne zu gehen, nimmt sie ernst. Seinem Image als starkem Landesvater kann die Wirtschaftsmisere nichts anhaben. Auch wenn die Rentnerin darbt, bewundert sie ihn, wie viele Russen.

"Ja, er zahlt uns doch die Renten. Er hilft allen. Er schickt doch die Lebensmittelpäckchen überall hin."

Anna Mrelkina, Rentnerin

Dass Tatjana und die anderen Helfer gar nicht von der Regierung geschickt werden und auch nicht auf staatliche Gelder zurückgreifen können, ist vielen Rentnern nicht klar. Hunderte von ihnen hausen so mit ihren winzigen Renten, allein hier in den Dörfern südlich von Tula, etwa 180 Kilometer von Moskau entfernt, manche sogar in baufälligen Häusern.

Putin kann nichts dafür

Und immer wieder das gleiche Probleme: die alten Häuser sind nicht ans Gasnetz angeschlossen, selbst wenn die staatliche Gasleitung direkt am Haus vorbeiführt. Und das in einem Land, das als eine Energiesupermacht gilt.

"Ich müsste 100.000 Rubel aufbringen. Wo soll ich die hernehmen. Meine Nachbarn haben sich das bei Verwandten geliehen oder Kredite aufgenommen. Ich kriege gar keinen mehr."

Zinaida Pronkina, 75 Jahre alt

Und auch sie macht dafür nicht den Präsidenten verantwortlich. Wenn das Putin wüsste, hören wir immer wieder an diesem Tag. Für die meisten, mit denen wir sprechen, ist er wie ein Zar, der leider nicht überall in seinem Riesenreich sein kann. Und so nehmen sie hin, dass sie eigentlich leben wie im vorletzten Jahrhundert.

Maria Jelistratowa

Maria Jelistratowa hat 25 Jahre für den Staat als Lehrerin gearbeitet und lebt nun von einer Rente von 12.000 Rubeln – umgerechnet 170 Euro. In ihrem Haus ist es kalt. Im Winter ist es unerträglich. Auch wenn die Rente kaum reicht, ist die 92-Jährige eine glühende-Putin Anhängerin: "Soll der Präsident doch in seinem Amt bleiben", meint auch sie.

Trotz all der Missstände, ist Putins Partei „Einiges Russland“ ein Wahlsieg sicher. Ändern wird das sowieso nicht viel, denn das Parlament hat kaum Macht; die liegt beim Präsidenten.


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