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Rumänien Der Machtkampf eskaliert

"Diebe, Diebe" rufen sie: mittendrin einer der Stars unter den Demonstranten: Florin Bădiță, Mitgründer von "coruptia ucide", übersetzt "Korruption tötet". Gemeinsam mit tausenden anderen protestiert er sonntags auf dem Victory-Square, dem Sieges-Platz, vor dem Sitz der Regierung in Bukarest.

Von: Till Rüger

Stand: 01.07.2018 | Archiv

Demonstration | Bild: BR

"Ich bin hier, weil unser Verfassungsgericht das Recht missbraucht, weil es die Anti-Korruptionsgesetzte abschaffen will, weil es sich von der Politik und den Regierenden kaufen lässt."

Florin Bădiță

Florin Bădiță

Alle hier demonstrieren seit Wochen gegen die Absetzung der Chefin der rumänischen Antikorruptionsbehörde:Laura Kövesi. Sie ist Heldin der Demonstranten vom Victory-Square, denn mit ihr steht und fällt die Korruptionsbekämpfung in Rumänien, sagt Florin Bădiță und nimmt uns mit zur Antikorruptions-Behörde DNA im Zentrum von Bukarest.

"Seit die DNA vor fünf Jahren unter Kövesi begonnen hat, wirksam zu arbeiten und nicht mehr bloß auf dem Papier, hoffen wir, dass die Korrupten verhaftet werden und Schmiergeld nicht mehr unser Leben und unserer Karrieren bestimmt."

Florin Bădiță

Laura Kövesi

Laura Kövesi genießt in weiten Teilen der Bevölkerung hohes Ansehen, da ihre Behörde ungeachtet der Person gegen Politiker und Beamte vorgeht: Verhaftet und wegen Korruption angeklagt wurden zum Beispiel der frühere Finanzminister Darius Walkov oder die ehemalige Ministerin für Regionale Entwicklung und Tourismus Elena Utrea und der für seinen extravaganten Lebensstiel bekannte Bürgermeister von Konstanza Radu Masare. Erst nach langem Zögen gibt Laura Kövesi uns ein Interview dazu, denn laut Regierungspropaganda würde sie das Land in ausländischen Medien schlecht machen: sie sei eine Nestbeschmutzerin.

"In Rumänien gibt es derzeit eine massive Verleumdungs- und Drohkampagne gegen Staatsanwälte, besonders gegen jene, die in Fällen von Korruption auf höchster Ebene ermitteln. Die Intensität dieser Angriffe zeigt mir aber, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

Laura Kövesi

Ihr Hauptgegenspieler im rumänischen Korruptionspoker ist Liviu Dragnea: Der Vorsitzende der regierenden Sozialdemokraten wurde wegen Vorteilnahme und Wahlfälschung im Amt verurteilt und kann deshalb selbst kein Regierungsamt übernehmen. Er zog im Streit um Kövesis Abberufung bis vors Oberste Gericht. Die Verfassungsrichter entscheiden nun, dass die Anti-Korruptionsermittlerin gehen muss.

Noch weigert sich Staatspräsident Johannis das Urteil zu bestätigen und Florin Bădiță hofft, dass er hart bleibt: Johannis sei der einzige der sich derzeit schützend vor Kövesi stelle:

"Unser Verfassungsgericht sitzt in einem Gebäude aus der kommunistischen Zeit, das an die politische Willkür erinnert. Die heutigen Verfassungsrichter waren zuvor Politiker im Parlament; sie wollen die Unabhängigkeit der Justiz zerstören."

Florin Bădiță

Fakt ist: Fast alle derzeitigen Verfassungsrichter wurden von den regierenden Sozialdemokraten um Liviu Dragnea berufen.

Stelian Ion

Zurück auf den Victory-Square: Auch Stelian Ion, Abgeordneter der kritischen Oppositionspartei zur Rettung Rumäniens, meint, das höchste Gericht fälle inzwischen vor allem politische Urteile:

"Unsere Gegner in der Regierung haben sich schon daran gewöhnt, Rumänien wie im Mittelalter zu regieren. Das einzige Gesetz, das sie kennen, ist ihr eigener Wille. Das können wir nicht hinnehmen."

Stelian Ion

Mit Aktionen im Parlament macht seine Partei immer wieder auf das Thema Korruption aufmerksam, will mit einer Gesetzesinitiative verhindern, dass Richter und Staatsanwälte künftig direkt vom Justizminister ernannt und kontrolliert werden, denn die Aufweichung der Unabhängigkeit der Justiz würde laut Stelian Ion vor allem einer Person nutzen: Liviu Dragnea.

Der versucht seit fast zwei Jahren mit allen rechtlichen Kniffen um einen weiteren Schuldspruch wegen Amtsmissbrauch und Dokumentenfälschung herumzukommen. Angeklagt wurde der wieder von Laura Kovesi, der Antikorruptionsstaatsanwältin. Doch Dragneas Anhänger wehren sich: die laufenden Gerichtsverfahren seien nur politisch motiviert. Vergangene Woche ließ seine Partei zur Unterstützung Dragneas an die 160.000 Parteianhänger per Bahn und in zahllosen Mietbussen nach Bukarest bringen, fast so wie in kommunistischen Zeiten.

"Die korrupten Staatsanwälte sind noch immer da. Ihr habt im TV gesehen, wie sie Straftaten fabrizieren und Aussagen fälschen – auch die Chefin der Antikorruptionsbehörde. Wir alle könnten von dem langen Arm dieses Parallelstaats, dieser Nachfolger der Securitate verurteilt werden."

Liviu Dragnea

Doch für Florin Bădiță zählt vor allem, was die schweigende Mehrheit in Rumänien denke, so wie Staatspräsident Klaus Johannis: der schwieg bisher zur Entlassung von Laura Kövesi und unterstützt sie damit indirekt. Weil er die Abberufung juristisch nicht vollzieht, kann sie als Leiterin der Antikorruptionsbehörde noch weiterarbeiten.

"Ich erwarte, dass die Justiz weiterhin unabhängig bleibt. Selbst wenn die Regierung die Richter und das ganze Justizsystem verleumdet, glaube ich nicht, dass sie sich davon alle einschüchtern lassen."

Florin Bădiță

Die Anti-Korruptions-Kämpfer um Florin Bădiță jedenfalls wollen weiter standhaft bleiben, weil es besser wurde in den vergangenen Jahren mit der Korruption in Rumänien, weil die juristischen Maßnahmen Wirkung zeigten. Dass die regierende Politik jetzt versuche, alles wieder zurückzudrehen, das sei gegen den Willen der Bürger.


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Gabriel Lauchard, Samstag, 30.Juni 2018, 21:36 Uhr

1. meine Meinung

äußerst interessanter Bericht ! !!!!!!!!!!!!!