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Rumänien Der Zerfall der Kirchenburgen

Kirchenburgen aus dem 12. Jahrhundert prägen die hügelige Landschaft Siebenbürgens. Die Siebenbürger Sachsen, hatten sie - so wie den ehemaligen Bischofssitz Birthelm - zum Schutz vor Tataren- und Türkenüberfällen errichtet.

Von: Manuela Roppert

Stand: 02.10.2016 | Archiv

Kirchenburg Birthelm | Bild: BR

Ortwin Hellmann

Jahrhundertelang haben die Wehrbauten den Bedrohungen von außen standgehalten. Jetzt ist die Existenz von schätzungsweise einem Drittel der über 150 Kirchenburgen bedroht. Der Turm der Kirchenburg von Rothbach ist innerhalb von Sekunden einfach eingestürzt. Für die Verantwortlichen der evangelischen Kirche ein Riesenproblem.

"Gott sei Dank sind keine menschlichen Schäden zu beklagen, keine Toten. Der Kirchturm, das hätte auch ein Sprengmeister nicht besser hinbekommen können, das war praktisch eine Implosion, wie der in sich zusammengefallen ist."

Ortwin Hellmann, Kirchenkurator Bezirk Kronstadt

Und Rothbach ist kein Einzelfall: schon fünf Tage zuvor waren Teile des Turms der Kirchenburg in Radeln weggebrochen. Materialermüdung und mangelnde Instandhaltung sind die Hauptursachen in beiden Fällen. Die Eigentümerin der Kirchenburgen, die evangelische Kirche Rumäniens, ist mit der Erhaltung der Kulturdenkmäler überfordert. Wie in den meisten Dörfern Siebenbürgens leben kaum noch Sachsen in Radeln, stattdessen Rumänen und Roma. Für sie sind die Kirchenburgen Symbole einer untergegangenen Epoche, für die sie kein besonderes Interesse aufbringen. Arbeitslosigkeit, Armut und der tägliche Überlebenskampf prägen den Alltag in den Dörfern. Den Kirchengemeinden vor Ort mangelt es an Personal und finanziellen Mitteln für die Pflege oder gar Sanierung der Kirchenburgen.

Auch in Wurmloch, im nördlichen Teil Siebenbürgens, ist die Lage ernst: Zum Läuten der Glocken muss Michael Weber einen rumänischen Freund um Hilfe bitten. Michael Weber ist einer von drei noch übrig gebliebenen Siebenbürger Sachsen hier im Ort. Die anderen zwei sind zu alt und zu krank. Einst lebten über 800 Mitglieder in der stolzen Sachsengemeinde. Fast alle sind inzwischen nach Deutschland ausgewandert oder verstorben.

Der Zahn der Zeit nagt an dem Wurmlocher Wehrbau, der wie sechs andere Kirchenburgen in Siebenbürgen sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

Michael Weber

Feuchtigkeit ist in die Kirchenburg eingedrungen und hat vor allem den Boden in Mitleidenschaft gezogen. Michal Weber befürchtet, dass sich der Moder demnächst auch an den Wänden ausbreiten wird, wenn nicht bald etwas geschieht. Doch dafür fehlt das Geld. Und er als einziges noch aktives Gemeindemitglied kann natürlich wenig ausrichten.

"Ich bin hier geboren in diesem Dorf, hier getauft, hier geheiratet haben wir, und für mich persönlich hat es schon eine große Bedeutung das alles. Und andere, die aus der Gemeinde nach Deutschland sind, kommen immer wieder auf Besuch. Man sieht es ihnen an, die sitzen hier in den Bänken und es fließen auch manche Tränen."

Michael Weber, Evangelische Gemeinde Wurmloch

Der schiefe Glockenturm ist das Wahrzeichen des Sachsensdorfes Reussen. Ein Erdrutsch Mitte des 19. Jahrhunderts hat ihn verschoben. Seitdem ist er stabil in dieser Position – bis jetzt.

Einmal im Jahr kommen die sogenannten Sommersachsen aus allen Ecken Deutschlands für einige Zeit in ihre alte Heimat zurück. Sie haben hier eine schöne Kindheit und Jugend erlebt und sie vermissen den starken Zusammenhalt, der im Dorf herrschte. Ein Höhepunkt der alljährlichen Treffen sind die Gottesdienste in „ihrer“ Kirchenburg. Mit Hilfe von Spenden und rumänischen Honorarkräften versuchen sie den einstigen Dorfmittelpunkt in Schuss zu halten.

Bis zu 700 deutschsprachige Siedler lebten hier früher. Und jetzt wohnt kein einziger Sachse mehr das ganze Jahr über in Reussen.

Die Familien Hühn und Bottesch waren schockiert, als sie die Nachricht von den eingestürzten Kirchtürmen in Radeln und Rotbach in Deutschland erreichte:

"Es geht mir nicht gut damit, es geht mir nicht gut damit. Es ist einfach ein Zeugnis davon, dass nicht alles erhalten werden kann."

Ute Hühn-Bottesch, ehemalige Bewohnerin Reussens

"Weil es geht ja immerhin darum, eine jahrhundertealte Kultur und die Kirchenburgen zu erhalten. Das ist ja auch ein Erbe an unsere Kinder und an die ganze Welt eigentlich. Es sind ja schöne Kirchenburgen und es ist schade, wenn so ein Kulturgut natürlich zerstört wird oder in dem Sinne brachliegt."

Erwin Bottesch, ehemaliger Bewohner Reussens

Carmen Schuster

Nur einmal im Jahr kehrt das Leben in das Reussener Kulturzentrum zurück. Die Ausgewanderten werden sich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die alte Heimat zwar in ihren Herzen aber nicht in der Realität weiter fortbestehen wird. Es sei denn, sie kehren zurück und hauchen den verlassenen Sachsendörfern neues Leben ein, so wie Carmen Schuster. Sie hatte ihren Heimatort Kleinschenk 1984 mit ihrer Familie verlassen und in Deutschland Karriere als Bankdirektorin gemacht. Das Schicksal ihrer alten Heimat aber hat sie nie losgelassen. Und jetzt lebt sie wieder hier und führt Touristen durch ihre Kirchenburg.

Zwei Jahre lang wurde umfassend renoviert und dieses Kulturdenkmal schließlich im August 2014 wiedereröffnet. Die Bankerin hatte das nötige Know How, um europäische Gelder für die Sanierung zu beantragen, ein Wissen, das den dagebliebenen Sachsen in den anderen Dörfern oft fehlt.

"Ich denke, man sollte ein bisschen breiter denken, nicht nur immer zurückkommen auf die kleinen Gemeinden vor Ort, sondern auch auf gutwillige, interessierte rumänische Gemeindemitglieder oder rumänische Vereine."

Carmen Schuster, Managerin

Fast 200 000 Euro hat die Sanierung verschlungen, doch es hat sich gelohnt: Hinter den Mauern der Kleinschenker Kirchenburg können die Besucher den im Mittelalter erforderlichen Wandel vom Sakral- zum Wehrbau nachvollziehen. Dafür interessiert sich auch diese rumänische Gruppe orthodoxen Glaubens. Ein erster Schritt hin zur notwendigen Öffnung, die auch viele rumänische Bewohner Kleinschenks unterstützen.

"Eine Kirche ist ein gemeinsames Haus der Christen, ein Haus Gottes. Ich sehe kein Problem darin, dass auch orthodoxe Christen darin beten."

Ioan Ramba, Bewohner Kleinschenks

Das verwaiste Pfarrhaus und die ehemalige evangelische Schule hat Carmen Schuster zu Gästehäusern umgebaut. Nicht nur Heimwehtouristen übernachten hier: diese Familie aus Wedel bei Hamburg verbringt in Siebenbürgen eine Mischung aus Kultur- und Sporturlaub und genießt ihn sehr.

Das Dorf Kleinschenk mit seiner Kirchenburg hat dank der Initiative einer zurückgekehrten Siebenbürger Sächsin wieder eine Zukunft.

Doch es werden bei weitem nicht alle der 150 Kirchenburgen zu Touristenattraktionen umgestaltet werden können. Verantwortlich für den Erhalt ist eigentlich die evangelische Kirche Rumäniens. Doch mit ihren gerade einmal noch 12.000 Mitgliedern ist es völlig undenkbar, dass sie diese enorme Aufgabe wird meistern können. Auch ihr Bischof ist ratlos:

"Wir haben das Geld nicht und auch die Fachkräfte nicht. Wir versuchen jetzt über verschiedene Mittel und das Ministerium für Kultur und Medien zum Beispiel in Deutschland einen Antrag vorzubereiten, damit wir eine Bestandsaufnahme machen, damit wir in Zukunft vorbereiteter sind."

Reinhart Guib, Bischof Evangelische Kirche A.B. in Rumänien

Zwar gibt es vielversprechende Initiativen vor Ort. Und für die zerstöre Kirchenburg von Rothbach soll ein Ideenwettbewerb für die künftige Nutzung ausgeschrieben werden. Doch das alles sind Tropfen auf dem heißen Stein. Ohne finanzielle Mittel aus Deutschland und von der EU wird wenig passieren, denn auch der klamme rumänische Staat kann kaum helfen. Die Gefahr besteht, dass ein Großteil dieses kulturellen Schatzes verschwinden wird.


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klamer samuel, Sonntag, 02.Oktober 2016, 18:23 Uhr

2. br-zerfall siebenbuergischen kirchenburgen

Traurig aber wahr! Dass da niemand helfen kann? Wo es dabei um den Erhallt deutschen Kulturerbes geht!

Bernd Cent, Sonntag, 02.Oktober 2016, 15:50 Uhr

1. Kirchenburgen in Rumänien

Sehr geehrte Damen und Herren!

Es wäre sehr schön wenn die alten Kirchenburgen in Rumänien in Siebenbürgen erhalten werden könnten.