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Niederlande Studenten und Senioren

Sechs Studenten leben Tür an Tür mit 160 Senioren. Das Ganze ist ein Experiment der Generationen im Altenheim Humanitas in Deventer, 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Von: Norbert Lübbers

Stand: 29.10.2017 | Archiv

Seniorin und Studentin | Bild: BR

Die Hansestadt Deventer an der IJssel: 100.000 Einwohner, davon 26.000 Studenten. Eine von ihnen ist Jolieke van der Wals. Sie hat lange nach einem bezahlbaren Zimmer gesucht. Heute zieht die Studentin in eine Wohngemeinschaft. Besonders gespannt ist sie auf ihre neuen Mitbewohner, denn die 20-Jährige hat sich auf ein Experiment eingelassen.

Und das sind die Mitbewohner: Senioren zwischen 70 und 104. 160 leben in diesem Altenheim Und mit ihnen sechs Studenten und auf jeder Etage einer.

"Zuerst dachte ich – verrückt! Die Nachbarin hier, der Nachbar dort: alles alte Menschen. Aber das kann ja auch ganz gesellig werden. So schnell werde ich eh nicht in ein Studentenwohnheim ziehen. Es wird bestimmt schön hier!"

Jolieke van der Wals, Studentin

Möbliert und umsonst – dafür soll Jolieke künftig 30 Stunden im Monat Zeit mit den Senioren verbringen.

Viel Zeit zum Ankommen hat Jolieke nicht. Der erste Einsatz – noch am gleichen Tag. Studenten und Bewohner treffen sich beim Abendbrot. Jolieke will erste Kontakte knüpfen. Doch zunächst gibt es eine Lektion in Sachen Tischmanieren: Jolieke bietet sich an: "Soll ich das für Sie aufmachen? Nein?"

"Sie sagen, dass sie das selbst können. Da haben sie natürlich auch Recht. Ich muss das nicht tun."

Jolieke van der Wals

Den richtigen Ton treffen – gar nicht so einfach. Die 20-Jährige muss da noch eine eigene Strategie entwickeln.

Zwei ihrer neuen Mitbewohner leben direkt neben ihr: Piebe Dam und seine Frau Jans. Morgens um Zehn genießen sie ihr "Kopje Kofie" – und Piebe liest seiner Frau aus der Tageszeitung vor. Die beiden haben sich schon als Jugendliche in Deventer kennen und lieben gelernt.

"Wir sind seit 62 Jahren zusammen."

Piebe Dam

Jans‘ Gedächtnis lässt immer mehr nach. Vor vier Jahren erhielt sie die Diagnose Alzheimer. Und weil seine Frau immer mehr Pflege braucht, hat sich Piebe vor zwei Jahren entschieden, mit ihr gemeinsam ins Pflegeheim zu gehen. Jeden Tag verabschiedet sich der 77-Jährige für ein paar Stunden von seiner Frau. Sie geht dann in eine Gruppe für Demenzkranke. Hier werden Bewohner mit Alzheimer besonders gefördert.

Die Zeit ohne seine Frau, sie ist für Piebe auch eine Entlastung, Zeit, in der er sich mit dem Studenten Jurrien Mentink trifft, Kreuzworträtsel löst und einfach nur redet. Jurrien lebt bereits seit vier Jahren im Altenheim.

"Was ich hier gelernt habe: Es gibt 160 Bewohner, also 160 Türen. Und hinter jeder Tür gibt es eine andere Geschichte, andere Interessen, aber auch anderes Wissen und Können. Und genau darum geht es doch: Was können die noch? Was wollen die noch? Dieses ganze Schwarz-Weiß-Denken, dass wir für Alte nur sorgen müssen, dass das alles so teuer ist – da müssen wir einfach mal von abkommen."

Jurrien Mentink, Student

Auch Jolieke hat einen Anfang gemacht und sich mit ihrer Nachbarin angefreundet. Joke Kerdijk ist 86 Jahre alt und leidet unter einer leichten Demenz. Sie erzählt der Studentin gern von früher, von der Zeit mit ihrem verstorbenen Mann.

"Man bekommt ein ganz anderes Bild von alten Menschen und lernt von ihnen. Das finde ich toll. Vor allem, wenn man noch jung ist, hat das Auswirkungen auf dein Leben und wie du über ältere Menschen denkst."

Jolieke van der Wals, Studentin

Ein neuer Dialog zwischen Alt und Jung – so könnt er aussehen!


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