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Malta Mord an einer Journalistin

Beifall für eine Tote: Hunderte Malteser erweisen der Journalistin und Bloggerin Daphne Caruana Galizia hier die letzte Ehre, vor der Mosta Rotunda, der größten Kirche Maltas.

Von: Ellen Trapp

Stand: 12.11.2017 | Archiv

Gedenkstätte Daphne Caruana Galizia | Bild: BR

Eigentlich hätte auch Premier Muscat dabei sein wollen – doch ihre Angehörigen ließen ihm mitteilen, er sei unerwünscht. Die Familie gibt ihm eine Mitschuld am Tod Galizias.

Jason Azzopardi

Der Tatort war weiträumig abgesperrt. Hier wurde sie, keine 100 Meter von ihrer Wohnung entfernt, mit einer Autobombe getötet. Ihr furchtloser Kampf für die Wahrheit hat ihr nicht nur Freunde gemacht. Seit langem wurde sie bedroht. Der Anwalt der Familie erhebt schwere Vorwürfe, auch gegen die derzeitige Regierung unter Premier Muscat:

"Joseph Muscat, der Premier, selbst nannte Daphne eine Hass-Bloggerin, eine Lügnerin, die Fake News verbreitet. Er war es, der eine langwierige Rufmord Kampagne gegen Daphne führte, seit mehr als 20 Jahren. Und jetzt Krokodilstränen zu verdrücken, ist zu spät. Er hätte früher handeln müssen."

Jason Azzopardi, Anwalt der Familie

Daphne Caruana Galizia hat mit ihren Recherchen rund um die Panama Papers international für Aufsehen gesorgt. Sie hatte der Ehefrau von Muscat vorgeworfen, ein Off-Shore-Konto zu besitzen und damit Geldwäsche im großen Stil zu betreiben. Im Interview mit dem Europamagazin erklärte sie im Mai diesen Jahres:

"Eine ehemalige Bankangestellte hat mir Dokumente gezeigt, die sie im Safe gefunden hatte. Diese Dokumente belegen, dass Michelle Muscat Anteile an der Firma Egrant hat."

Daphne Caruana Galizia, Journalistin und Bloggerin im Mai 2017

Diese Firma Egrant taucht in den Panama Papers auf.

Joseph Muscat

Straßburg, Europaparlament, dann im Juni diesen Jahres: Hier wollten die Abgeordneten wissen, wie Malta es mit Blick auf diese Panama Papers mit der Rechtsstaatlichkeit hält? Premier Muscat lächelte die Vorwürfe weg, und damit die Anschuldigungen der Journalistin:

"Einige von ihnen beziehen sich auf eine Geschichte, eine dreiste Lüge möchte ich sagen, gegen mich und meine Familie. Ich bin überrascht, dass einige sehr belesene Kollegen diese Fake News einfach so übernehmen und das öffentlich hier wiederholen."

Joseph Muscat, Premierminister Malta im Europäischen Parlament, Juni 2017

Vier Monate nach dieser Debatte ist Daphne Caruana Galizia tot. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold fordert endlich Konsequenzen, auch aus Brüssel:

"Die Europäische Union kann Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta einleiten. Unsere Anfragen liegen seit vier Monaten unbeantwortet bei der Europäischen Kommission. Ich erwarte, dass spätestens jetzt diese Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden."

Sven Giegold, B90 / Die Grünen

Zurück auf Malta. Hier stellen sich viele Menschen viele Fragen: Wie kriminell sind die Machenschaften auf der Insel? Was ist dran an den Vorwürfen gegen die Regierung? Warum musste Daphne Caruana Galizia sterben?

Vor dem Gericht in Maltas Hauptstadt Valletta ist eine Gedenkstätte entstanden. Unter denen, die hier Blumen niederlegen, auch der konservative Politiker Simon Busuttil. Oft wurde auch er von der Journalistin heftig kritisiert. Warum sie sterben musste?

"Sie musste nicht sterben, sie hätte nicht sterben müssen. Und all das hätte vermieden werden können, wenn die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land nicht kollabiert wäre, wie sie kollabiert ist. Selbst Skandale, so groß wie Panama Papers, hat Leute vor Gericht gebracht von Deutschland bis Brasilien, wurden in Malta ignoriert, nur weil Top-Politiker hierzulande auch involviert waren. Daphne hat all das herausgearbeitet und starb dafür…."

Simon Busuttil, National Party

Die Vorwürfe: Korruption, Steuerparadies, neue Heimat der italienischen Mafia und von 70.000 Briefkastenfirmen, Verkauf von maltesischen Pässen – viele Malteser sehen die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Ganz abgesehen von Meinungs- und Pressefreiheit.

Jacob Borg ist investigativer Journalist, arbeitete einige Jahre mit Daphne zusammen – auch in Sachen Panama Papers:

"Möglicherweise haben wir ihren Tod bei brisanten Geschichten stets im Hinterkopf, aber er sollte uns nicht davon abhalten, weiter unseren Job zu machen. Wir müssen weiter kämpfen, genau diese Geschichten weiter veröffentlichen – das sind wir Daphne schuldig."

Jacob Borg, Journalist Times of Malta

Ob die Mörder je gefunden werden? Auf Malta zweifeln daran viele. Aber sie hoffen, dass auch die Europäische Union durch diesen grausamen Mord wachgerüttelt wird.


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