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Kosovo Ein Kibbuz für Serbien

Dieses Hotel war mal ein ganz berühmtes, als noch zu jugoslawischen Zeiten Präsident Tito zu Gast war. Heute ist diese Bruchbude, im Nordkosovo gelegen, ein Unterschlupf: für Vertriebene seit dem Kosovokrieg.

Von: Darko Jakovljevic

Stand: 04.12.2016 | Archiv

Hotel im Nordkosovo | Bild: BR

In diesem Zimmer wohnt die serbische Familie Markovic, die nicht zurück kann in ihr Heimatdorf im Zentralkosovo. Die fast 90-jährigen Eltern und ihr arbeitsloser Sohn mit 62 teilen sich nun zehn Quadratmeter seit 13 Jahren. Ständig ist es hier feucht.

"Wir kommen hier einfach nicht raus. Wir haben nur die kleine Rente meines Vaters. Das Schlimmste aber: Meine Eltern sind beide krank."

Tomislav Markovic

"Nach draußen kann ich gar nicht mehr."

Jordanka Markovic

Tomislav Markovic und sein Vater haben schon mehrere Beschwerden eingelegt, weil sie nicht einmal mehr ihr früheres Grundstück verkaufen können. Bis heute warten sie vergeblich auf Antwort von der kosovarischen Regierung in Prishtina und auch von der Regierung in Belgrad, die weiterhin Kontrolle hat über das mehrheitlich serbisch bewohnte Nordkosovo. Belgrad nutzt jetzt die Gelegenheit, hier im Nordkosovo ein eigenes Angebot zu machen: mit einem Kibbuz, eine Art geschlossene Siedlung, nur für Vertriebene: Geplant sind voll eingerichtete Häuser für zunächst 1500 Menschen, vorfinanziert von der serbischen Regierung. Das Kibbuz artige Wohnen verspricht außerdem: pro Familie ein Arbeitsplatz. Das wären hunderte Jobs auf einmal. Wie das gehen soll, in dieser Gegend, einer der ärmsten in Europa, verrät niemand, auch nicht beim Spatenstich mit Gottes Segen.

Die Markovics sind skeptisch. Unklar ist, wer einziehen darf und wer nicht. Doch eins ist sicher: Belgrad will ausschließlich Serben ansiedeln.

"Nein. Das ist keine gute Idee. Das muss genau anders sein. Wir waren im Kosovo doch immer zusammen, Albaner und Serben und Roma und viele andere."

Jovan Markovic

Wieder zusammenleben mit Albanern im Kosovo will auch der 30-jährige Serbe Milos Maksimovic. Angereist aus Serbien, wo er heute lebt, ist er jetzt angekommen an einer Tankstelle, wenige Kilometer entfernt vom Ort Mushtisht im Südkosovo, wo Milos aufwuchs. Er war 13, als der Krieg ausbrach, musste mit seinen Eltern sofort fliehen. Jetzt ist er auf dem Weg dorthin. Um nicht zu provozieren, fährt er einen kosovarischen Leihwagen. Doch im Ort das Auto verlassen, darf er nicht – zu gefährlich für Serben, wie im August, als Milos und weitere rund 150 Serben in ihre Heimatgemeinde Mushtisht hinein wollten. Ansässige Albaner versperrten ihnen den Weg. Die Polizei konnte gerade das Schlimmste verhindern.

Milos Maksimovic

Vor dem Krieg war Mushtisht zweisprachig, Albaner und Serben waren Nachbarn. Doch der Krieg hat alles verändert. Im Ort ist jetzt alles Serbische verhasst. Milos jedoch hat es satt:

"Dieses dunkle Kapitel, hier in meiner Heimat Kosovo, löst man nur, wenn wir aufeinander zugehen. Inzwischen gibt es ja auch eine neue Generation, wie ich, der nicht schuld ist an dem, was passiert ist."

Milos Maksimovic

Versöhnungsgesten in Milos‘ Mushtisht kommen nicht an. Im Krieg sollen vertraute Nachbarn im Ort gemordet haben. Unter den Toten sind vor allem Albaner. Einige werden immer noch vermisst – eine Bilderwand im Ort soll an sie erinnern. Zugleich ist es eine Mahnung an die ehemaligen serbischen Nachbarn: Kehrt nicht zurück, solange nicht sicher ist, ob nicht jemand von euch ein Mörder ist.

Alush Shala

Alush Shala ist Kommunalpolitiker. Für die Gemeinde ließ er eine politische Deklaration verabschieden. De facto ist das ein Rückkehrverbot für Serben.

"Kommt ein Serbe doch, dann können wir keine Sicherheit garantieren, etwa wenn Opferangehörige aus sind auf Rache. Es kann dann wieder Tote geben."

Alush Shala, Kommunalpolitiker PDK

In Prishtina und bei der EU herrscht Angst, dass diese harte Haltung Schule macht. Denn Kosovos Verfassung schreibt vor: das Land ist multiethnisch.

"Finanziell und politisch wollen wir zwar Rückkehrern helfen. Aber die EU entscheidet nicht, über die ethnische Zusammensetzung von Gemeinden im Kosovo."

Thomas Gnocchi, EU-Vertretung im Kosovo

So auch nicht: beim rein serbischen Kibbuz – die EU hält sich bisher raus. Bedenklich, findet Jovan Markovic, denn eine Rückkehrerpolitik für ein multiethnisches Kosovo – das sieht er nicht mehr.


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