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Irland Die Kehrseite des Steuerparadieses

Cork. Einheimische nennen es die eigentliche Hauptstadt Irlands. Nach der Finanzkrise erlebt die Stadt jetzt wieder einen Boom.

Von: Johannes Jolmes

Stand: 23.10.2016 | Archiv

Demonstration in Cork | Bild: BR

Vor allem der US-Gigant Apple beflügelt diesen Aufschwung: 6000 Angestellte arbeiten in Cork. Der größte Arbeitgeber der Stadt. Doch der US-Gigant steht im Visier der EU-Kommission. 13 Milliarden Euro an Steuern soll der Konzern über Jahre zu wenig gezahlt haben. Apple bestreitet das. Die irische Regierung möchte am liebsten komplett auf das Geld verzichten – und das in einem Land, das seit der Finanzkrise eisern Leistungen für seine Bürger gekürzt hat.

Aber auf gar keinen Fall verzichtet die Regierung auf das Geld der O´Sullivans. Donal und Margaret sind Rentner. Erst diese Woche wurde ihre Grundsteuer erhöht. Insgesamt zahlen sie nun 200 Euro im Jahr. Sohn James ist 34 Jahre und gehörlos. Auch seine Unterstützung kürzte die Regierung um 700 Euro jährlich. Bei den O Sullivans fehlt das Verständnis für die Steuerpolitik der Regierung.

"Diese 13 Milliarden Euro an Steuern sollte die Regierung definitiv zurückfordern und dann wieder in die Menschen investieren."

Donal O´Sullivan

Familie O‘Sullivan

Ihre Renten kürzte die Regierung seit der Krise ebenfalls. Sie planen nur noch von Monat zu Monat. Der Wirtschaftsboom in Cork – die O‘Sullivans hat er ausgespart.

"Ich verstehe nicht, woher das ganze Geld kommt. Diesen Boom, den man hier in Cork sieht. Wer profitiert davon?"

Margret O´Sullivan

Die O´Sullivans waren auch in Dublin dabei, als zehntausende Menschen auf die Straße gingen: Großdemo gegen den sozialen Kahlschlag. Das Thema Apple spaltet Irland:

"Diese Regierung erlaubt es sich, auf 13 Milliarden an Steuern zu verzichten und gleichzeitig führt sie harte Sparmaßnahmen für uns Bürger ein."

Ein Demonstrant

Paul Sheehan

In Cork haben die Kürzungen viele aus der Bahn geworfen. Diese Figuren stehen für Menschen, die durch die Krise zu Obdachlosen wurden. Aufgrund der rigorosen Sparpolitik hat sich die Zahl in Cork in den letzten vier Jahren verzehnfacht. Paul Sheehan arbeitet für die Simon-Gesellschaft. Der Hilfsorganisation fällt es immer schwerer die Not der Wohnungslosen zu lindern:

"2008 wurde noch 80 Prozent unseres Budgets vom Staat getragen. In diesem Jahr ist es die Hälfte und bald wohl noch weniger. Wir sind jetzt auf Spenden angewiesen."

Paul Sheehan, Hilfsorganisation Simon Gesellschaft

Das sind rund drei Millionen Euro und die fehlen vor allem in dieser Suppenküche der Simon-Gesellschaft. Aus Scham wollen viele Obdachlose nicht ihr Gesicht zeigen. Die Helfer erzählen, dass vor der Krise das Essen immer ausreichte. Heute können sie das nicht mehr sicherstellen.

Stephan Hackett ist zum ersten Mal gekommen. Er ist 31 Jahre alt, lebt auf der Straße:

"Ich bin seit sechs Wochen arbeitslos und davor habe ich auf dem Bau Asbest entfernt."

Stephan Hackett

Hackett hofft auf ein Bett in dieser Nacht; sie sind jetzt schon alle belegt:

"Ich brauche dringend einen Job. Wenn ich wieder ein Bett habe, dann finde ich ganz sicher wieder Arbeit."

Stephan Hackett

Apple und Cork – diese Geschichte hat auch eine andere Facette, denn der US-Konzern ist ein Jobmotor für die Stadt. Viele US-Konzerne haben sich gerade wegen Apple angesiedelt. Deren Angestellte bringen Geld in die Stadt – zur Freude der lokalen Unternehmen.
Fischhändler Pat O´Connell verkauft jeden Morgen einen Teil des Fangs an die Apple-Kantine. Er möchte den Kunden nicht verlieren und findet es richtig, dass die Regierung keine Steuern zurückverlangt. Wer überleben wolle, müsse eben findig sein:

"Wir sind eine Insel. Und da muss man ein paar Dinge einfach anders machen. Wir müssen dafür sorgen, dass für junge Menschen genügend Jobs vorhanden sind. Und wenn man dafür die Regeln etwas weiter auslegen oder spezielle Konditionen bieten muss, dann muss man das so machen."

Pat O´Connell

Die O‘Sullivans glauben, dass die Krisenkosten nur auf sie abgeladen werden. Einige tausend Euro sind das nun schon im Jahr. Damit ist nun Schluss, sagen sich die O‘Sullivans. Die Grundsteuer wollen sie nicht zahlen. Aber so viel Nachsicht wie mit Apple wird die Regierung wohl bei den O‘Sullivans nicht haben.


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