BR Fernsehen - EUROBLICK


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Großbritannien Zuhause im Pub

Gerry liebt seinen Garten – auch wenn der nach oben wächst. Ein einziges Blütenmeer, das ihm schon unzählige Preise eingebracht hat. Und man kann gar nicht anders als mit zu zubbeln, damit der Churchill Arms bis weit in den Herbst hinein so leuchten kann.

Von: Hanni Hüsch

Stand: 24.01.2016 | Archiv

Der Eingang zum Churchill Arms | Bild: BR

Gerry O'Brien

Innendrin wird geschrubbt und poliert – die Liebe zum Detail ist für Gerry Programm. Er lebt und liebt seinen Pub, den Churchill Arms – seit über 30 Jahren ist er seine Heimat, sein Zuhause, und so soll das auch für seine Kunden sein.

"Es ist, als kämen die Leute in deine gute Stube und auf dein Zuhause bist Du doch auch stolz. Du machst es schön für deine Gäste. Also sie sollen sich fühlen wie in ihrem Wohnzimmer? Genau – so muss ein Pub sein."

Gerry O'Brien

Nichts ist dem Zufall überlassen – der Abstand muss passgenau sitzen. Und dann erscheint durch die Hintertür auch schon Stanley, pünktlich wie ein Uhrenwerk – jeden Tag zehn Minuten vor der Zeit. Stanley steuert immer die gleiche Ecke an – es ist ja auch sein Wohnzimmer hier.

Um Schlag Elf öffnet der Churchill Arms. Und erst dann gibt es für Stanley das erste Pint. Ordnung muss sein, auch wenn Gerry eine andere Regel außer Kraft setzt: eigentlich holt man sich in einem britischen Pub das Pint immer selbst von der Bar. Aber Stanley ist mehr als nur ein Gast – er ist ein Freund des Hauses.

"Solche Pubs sterben langsam aus; dabei sind sie doch Teil unserer Geschichte. Ich habe die guten Zeiten noch erlebt."

Stanley

Als es Pubs wie den Churchill Arms noch an jeder Ecke gab – Public Houses, öffentliche Häuser. Das Wasser war schlecht – also löschte man mit dem gesünderen Bier den Durst.

Der Vormittag gehört den Regulars – sie werden gehegt und gepflegt. Gerry kennt Vorlieben, Verwandtschaft, Verhältnisse. Er ist immer da für Jedermann und Jederfrau, mehr Gastgeber als Kneipenwirt; für nichts anderes hat er Zeit.

"Ich bin mit dem Pub verheiratet. Er ist meine Frau. Das hier ist kein Job, es ist mein ganzes Leben. Für eine andere Beziehung hatte ich nie Zeit."

Gerry O'Brien

Was an der Decke schwebt oder in der Ecke sitzt – Gerry hat es eigenhändig zusammengetragen. Schwer zu übersehen – der Ire hat sich England zur Heimat gemacht und den britischen Humor zu eigen: 260 Pinkelpötte schweben über der Szenerie.

Gerry steht immer unter Strom und so lerne ich auch diese Pub-spezifische Besonderheit kennen:

"Das hier ist ein Snob-Screen. Zu Zeiten von Königin Victoria setzten sich die Kunden an die Bar. Und weil der Barkeeper nicht hören sollte, worüber sie sprachen, gab es diese Klappen. Und wenn sie einen Drink wollten, öffneten sie die Klappen kurz."

Gerry O'Brien

Am späten Nachmittag gesellen sich zu den Regulars die Feierabendtrinker. Nach dem Job geht keiner gleich nach Haus – erst mal mit den Kollegen Dampf ablassen. Nur hier sind sie auf ein Pint alle gleich.

"Du kommst von der Arbeit, hattest einen schlechten Tag, willst am liebsten jemanden erwürgen. Und dann sagt einer: 'Hallo wie geht’s?' und stellt dir gleich dein Bier hin. Du bist im Paradies, einfach Zuhause."

Ein Gast

Gerry pflegt altes Liedgut und die Geschichte. Zum Geburtstag von Winston Churchill schmeißt er jedes Jahr eine Party mit Festreden und Vera Lynn-Liedern aus der Weltkriegszeit.

"Gutes altes England!" denke ich, als Gerry um Mitternacht zur "last order" ruft. Seine Stammkunden komplimentiert er höflich hinaus. Sie sollen ja wiederkommen, morgen schon, in sein Wohnzimmer mit angeschlossenem Bierausschank.


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