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Großbritannien Scheidung von der EU

Die Karten sind gemischt, Großbritanniens Premierministerin hat ihr Blatt fürs Brexit-Spiel aufgenommen. Und Ideen, wie der EU-Ausstieg für ihr Land laufen soll, liefert sie auch.

Von: Daniel Satra

Stand: 05.02.2017 | Archiv

Theresa May | Bild: BR

Stephen Starkey

Den EU-Binnenmarkt zu verlassen. Stattdessen ein Freihandelsabkommen mit der EU. Sich zusätzlich neue Handelspartner auf der ganzen Welt suchen. Und zur Not mit niedrigen Unternehmenssteuern einfach Großbritannien zum Steuerparadies umbauen. Drohungen und Pläne, die aufhorchen lassen und bei vielen britischen Unternehmern für Unruhe sorgen. Den EU-Binnenmarkt verlassen, das regt sie hier, wo sie sonst mit ihren Lavalampen doch eher für Entspannung stehen, richtig auf, denn die Hälfte ihrer Lampen verkaufen sie in die EU. Die meisten ihrer Kunden dort sind in Deutschland.

"Alles, was zwischen uns und unseren Kunden steht, bereitet uns große Sorgen. Papierkram, Lieferverzögerung, Zölle schmälern unsere Gewinnspanne und können Menschen davon abhalten unsere oder andere Produkte zu kaufen, weil sie unbezahlbar werden."

Stephen Starkey, Mathmos-Lavalampen

Hywel Jarman

1963 in Großbritannien erfunden, jetzt könnte ausgerechnet der Brexit bei der Lavalampe das Licht löschen. Nur einer von vielen Betrieben im Land, die nicht wissen, wohin es für sie gehen soll ohne den EU-Binnenmarkt.

"Den EU-Binnenmarkt zu verlassen verunsichert viele unserer Verbandsmitglieder. Sie haben Bedenken, welche neuen Regeln gelten werden und wie sie künftig Zugang zum EU-Markt bekommen. Die Regierung will ein neues Handelsabkommen mit der EU, aber das dauert vier, fünf, sechs Jahre."

Hywel Jarman, EEF Industrieverband

Genau so ein Handelsabkommen gehört zum Spiel von Theresa May, sie präsentiert es als Trumpf:

"Wir werden ein mutiges und ehrgeiziges Freihandelsabkommen mit der EU auf den Weg bringen. Das soll den Handel von Gütern und Dienstleistungen mit größtmöglicher Freizügigkeit erlauben zwischen Großbritannien und der EU."

Theresa May, Premierministerin Großbritannien

Iain Begg

Ungebremster Handel zwischen Insel und Kontinent – ist das wirklich in Zukunft realistisch? Allenfalls Wunschdenken, sagen Kritiker:

"Frankreich und Deutschland werden nicht mitspielen - es gibt viele mit einem Veto. Auch das EU-Parlament wird sagen: 'Dieser Deal ist unbefriedigend, Mays Position unrealistisch, das blocken wir.'"

Iain Begg, Prof. für Europäische Politik / London School of Economics

May hat noch einen vermeintlichen Trumpf. Glaubt man der Premierministerin, stehen Handelspartner auf der ganzen Welt geradezu Schlange, um mit Großbritannien nach dem Brexit Geschäfte zu machen:

"Wir wollen weltweit Handel treiben, Länder wie China, Brasilien und die Golfstaaten zeigen bereits Interesse an Deals mit uns. Mit anderen diskutieren wir über künftige Handelsbeziehungen wie Australien, Neuseeland, Indien."

Theresa May, Premierministerin Großbritannien

May präsentiert auch die USA schon als baldigen Handelspartner, bleibt das Risiko sich international zu verzocken?

"Andere Staaten sind auch auf ihren Vorteil bedacht, daher dauern Vertragsverhandlungen so lange. Wenn nun viele in der britischen Regierung an schnelle Lösungen glauben, ist das pure Fantasie."

Iain Begg, Prof. für Europäische Politik / London School of Economics

Jahre der Unsicherheit, Mays Rede schreckt internationale Banken auf: Die Citi-Gruppe will nun 100 Mitarbeiter aus London abziehen. Morgan Stanley sogar 1000. So wie die UBS plant 1000 Mitarbeiter abzuziehen und auch die HSBC will 1000 Angestellte verlagern. Alle wappnen sich:

"Wir werden bestimmte Aktivitäten verschieben und rechtliche Strukturen anpassen müssen, um in Europa operieren zu können. Aber ich glaube das wird handhabbar sein."

James Staley, Vorstandsvorsitzender Barclays

Wenn ein Brexit-Deal mit der EU schwierig wird, glaubt May ein Ass zu haben. Niedrige Unternehmenssteuern, die Firmen ins Land locken. Großbritannien als Steuerparadies – ein Modell mit Fragezeichen:

"Irland profitiert zum Beispiel schon heute von niedrigen Unternehmenssteuern, all solche Ländern würden den Briten Konkurrenz machen. Ich glaube nicht, dass niedrige Steuern schnell zum Erfolg führen."

Iain Begg, Prof. für Europäische Politik / London School of Economics

So droht ein Wettlauf der Staaten mit Verwerfungen, deren Folgen auch in Großbritannien niemand absehen kann. Dass May also nur mit Trümpfen in die Brexit-Verhandlungen geht, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Aber zum Spiel gehört ja bekanntlich das Bluffen.


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