BR Fernsehen - EUROBLICK


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Griechenland Pressefreiheit in Gefahr

Der Alptraum für Zehntausende von Mitarbeitern öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten in ganz Europa: Die Schließung ihres Senders, der Verlust des Arbeitsplatzes über Nacht und der Eintritt in eine ungewisse Zukunft.

Von: Michael Schramm

Stand: 15.04.2018 | Archiv

Ein Plakat | Bild: BR

Am 11. Juni 2013 kurz nach 23 Uhr wurde dieser Angsttraum in Griechenland für etwa 2600 TV- und Radiomitarbeiter wahr. Nach 75 Jahren endete der Sendebetrieb von "Hellenic Radio-Television" – kurz ERT! Auch Kostas Argiros stand damals plötzlich vor dem Nichts. Er wird diesen Tag nie vergessen:

"Ein für mich unvergessliches Bild sind die Menschenmengen in der ERT-Kantine und auf den Gängen, die fassungslos, mit offenem Mund dastanden!"

Kostas Argiros

Kostas Argiros

Die Regierung in Athen hatte die Schließung angeordnet, um zu sparen. Die bisherige Sendeanstalt sei "überdimensioniert" gewesen hieß es offiziell.

"Es war aber auch so, dass die damalige Regierung mit dem staatlichen Sender allgemein unzufrieden war!"

Kostas Argiros

Es folgen wochenlange Proteste. Vor dem Fernsehgebäude jagt eine Großkundgebung die andere. Zehntausende Griechen zeigen spontan Solidarität mit dem öffentlich-rechtlichen Sender.

"Für uns war das rührend und völlig unerwartet! Bis dahin hatte es keine Situation gegeben, aus der wir hätten ersehen können, wieviel Rückhalt wir in der Bevölkerung haben!"

Kostas Argiros

Fünf Monate lang halten gekündigte Mitarbeiter ERT-Gebäude besetzt. Ohne ein Einkommen zu beziehen, machen sie in dieser Zeit auf eigene Faust Programm im Internet; bis zum November 2013: Spezialeinheiten der Polizei stürmen den Sender und werfen die Besetzer auf die Straße. ERT scheint endgültig Geschichte geworden zu sein.

"Praktisch bedeutete das für mich zwei bis drei Jahre Arbeitslosigkeit. Der Arbeitsmarkt für Journalisten ist in Griechenland sehr, sehr klein!"

Kostas Argiros

Doch: Ein Jahr später dann die Wende: Eine öffentlich-rechtliche Rumpf-Anstalt geht wieder auf Sendung. NERIT heißt sie, verfügt allerdings über nur sehr wenig Geld und gerade mal 500 Mitarbeiter. Ein weiteres Jahr später, inzwischen ist die Regierung Syriza im Amt, kommt es zur Wiederauferstehung von ERT: Die Zahl der Beschäftigten ist mit 2300 wieder fast so hoch wie vor der Schließung. Allerdings: es werden nur wenige ehemalige Mitarbeiter übernommen. Unter ihnen ist Kostas Argiros! Das Budget ist gedeckelt, auf 60 Millionen Euro pro Jahr, die durch eine relativ bescheidene Rundfunkgebühr von drei Euro pro Monat und Haushalt aufgebracht werden.

"In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass ERT der einzige Sender ist, der in ganz Griechenland sendet! Überall gibt es Transponder. Dafür haben die privaten Sender nie gesorgt!"

Kostas Argiros

Die neue ERT aber hat schlechte Quoten, um die vier Prozent Marktanteil. Geldmangel führt dazu, dass das Programm von ständigen Wiederholungen leben muss. Einzig die Nachrichten sind frisch – allerdings: freien Journalismus muss man hier eher suchen. Man scheint sich als Stimme der Regierung Tsipras zu verstehen. Diese hat mit ihrer Parlamentsmehrheit auch die Chefredakteure und den Intendanten durchgesetzt.

"Es erwies sich als sehr schwer, die ERT wieder richtig zum Laufen zu bringen, denn in den zwei Jahren der Schließung sind Menschen und Know-how verloren gegangen!"

Kostas Argiros

Im Herbst nächsten Jahres wird in Griechenland gewählt. Sollte eintreten, was die Wahlforschung vorhersagt, der zu Folge mit einem Regierungswechsel zu rechnen ist, dürfte bei ERT das große Stühlerücken losgehen. Oder: Es wird erneut über eine Schließung nachgedacht werden…

"Ich glaube, man kann nicht ausschließen, dass eine neue, radikal konservative Regierung das Thema Schließung nochmals auf die Tagesordnung setzt!"

Kostas Argiros

ERT, die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt Griechenlands – sie hat bereits durchlebt, was anderen Anstalten in Europa möglicherweise irgendwann noch bevorstehen könnte…


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Gabriel Lauchard, Dienstag, 17.April 2018, 15:14 Uhr

1. meine Meinung

interessanter Bericht !!!!!!!!!