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Frankreich Zurück ins vorletzte Jahrhundert

Im Elsass, wenige Kilometer von Mulhouse, liegt das Écomusée d‘Alsace, eines der großartigsten Freilichtmuseen Frankreichs. Mit einem sehr engagierten Konzept ist ein Ort entstanden, der Vergangenheit, Gegenwart und sogar die Zukunft des Elsass zu einem Erlebnis macht.

Von: Nikolaus Wiesner

Stand: 22.07.2018 | Archiv

Das Museumsdorf | Bild: BR

Ein typisches Dorfmuseum wie aus dem Bilderbuch? Ja und nein: Das Écomusée d‘Alsace bei Mulhouse hat sich über die Jahre zum größten "lebenden" Open-Air-Museum Frankreichs entwickelt. Auf rund 30 Hektar wird hier die Vergangenheit zum Leben erweckt und erforscht, um für die Zukunft zu lernen. Auch der ehemalige Direktor arbeitet immer noch mit.

Junge Freiwillige und Studenten, die sich für alte Elsässer Häuser einsetzten, standen am Anfang des Museums. Heute ist daraus ein Vorzeigeprojekt geworden, das aber nicht nur ein elsässisches Dorf zwischen ungefähr 1850 und 1950 zeigt – man hat das Ganze auch mit Leben gefüllt: Und zwar in zehn Zünften, vom Wagner über den Schmied bis zum Barbier oder Töpfer.

Ein Leben, das verblüffend echt wirkt – auch weil Handwerk und Landwirtschaft hier nicht nur musealen Zwecken dienen: Sie sollen erhalten und erforscht werden. Der Besucher kann das Écomusée d‘Alsace zu Fuß, per Kutsche oder im Boot erkunden. Mühle, Bahnhof, Wohnhaus und Werkstatt sind genauso Teil des Gesamtkonzepts wie Fluss, See, naturbelassenes und bewirtschaftetes Land: Man möchte das Bewusstsein dafür schärfen, dass Mensch und Umwelt, Natur und Kultur eine Einheit bilden.

Francois Kiesler

Selbst die Vergänglichkeit allen Lebens haben die Macher des Museums nicht vergessen – als Teil einer Museumsidee, die den Kreislauf des Daseins auch als Grundlage für eine lebenswerte Zukunft begreift. Auf Basis der alten elsässischen Fachwerkarchitektur zum Beispiel wurde ein energieautarkes, nachhaltiges Haus für das 21. Jahrhundert entworfen. Mitmachworkshops und Kurse für die Besucher gehören zum Museum wie Weinberg und altes Gasthaus: Die Mischung aus Erleben und Mitmachen, aus Einst, Jetzt und Morgen macht die Atmosphäre des Écomusée aus:

"Da steckt schon ein bisschen Poesie drin. Im Museum ist man außerhalb der Zeit, es liegt etwas in der Luft. Das sollen die Leute mitnehmen können: Die Atmosphäre. Natürlich haben wir viel Handfestes, was wir vermitteln – wie funktionierte früher was und so weiter – aber es geht uns gerade auch um eine Atmosphäre, die zu einem ursprünglichen Gefühl für das Leben zurückbringt."

Francois Kiesler

Das gilt auch für jene Augustabende, an denen das Museum geöffnet ist: Unter dem Motto "Songes et Lumières", auf Deutsch "Träume und Lichter" verwandeln Musikanten, Geschichtenerzähler und andere Künstler das Museum in eine Freilichtbühne. Im Unterschied zu manch anderen Dorf- oder Freilichtmuseen ist das Écomusée d‘Alsace ein quicklebendiger Ort: Fest angestellte und freiwillige Mitarbeiter bemühen sich, Kultur und Natur, Menschen und Geschichte, Gestern und Heute auf verschiedenste Art hautnah erlebbar zu machen. Jeder, der sich interessiert, kann hier übrigens auch als Freiwilliger mitmachen. Ein Museum, das die reiche Tradition des Elsass zu einer faszinierenden Experimentierkiste macht, in der Wissenschaft und Poesie ihren Platz haben.


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