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Frankreich In der Hochburg der Rechten

Das ehemalige Kohlerevier im Nordosten Frankreichs –eine der ärmsten Regionen des Landes. Von der einst stolzen Bergbauregion sind nur unzählige Kohlehalden zurückgeblieben.

Von: Manuela Roppert

Stand: 08.04.2017 | Archiv

Ein Flugblatt mit dem Foto von Marine Le Pen | Bild: BR

Im Herzen des Reviers, in Hénin-Beaumont, ist seit 2014 ein Mann der Le Pen-Partei Front National Bürgermeister. Seitdem gilt die 27.000-Einwohnerstadt als Versuchslabor der Rechtsextremen. Hier wird schon einmal das Regieren geübt.

Die Arbeitslosenquote beträgt fast 17 Prozent. Weit über die Hälfte der Bürger zahlt mangels Einkommen keine Steuern. Bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen dürfte Marine Le Pen hier ein Spitzenergebnis einfahren. Männer auf der Straße sagen uns:
"Es gibt keine Regeln, es gibt keine Gerechtigkeit, alles ist außer Rand und Band." "Alle sind gleich: immer in die eigene Tasche, nichts fürs Volk. Das langt. Es muss sich was ändern." "Ich bin sicher, dass sie gewinnen wird. Mein größter Wunsch ist, dass sie es schon im ersten Durchgang schafft."

Pascal Wallart

In Hénin-Beaumont kann man schon einmal beobachten, was auf Frankreich zukommen wird, wenn Marine Le Pen tatsächlich die Präsidentschaftswahlen gewinnen sollte. Lokaljournalist Pascal Wallart von der Voix du Nord, der Stimme des Nordens, fühlt sich in seiner täglichen Arbeit massiv behindert:

"Seit eineinhalb Jahren ist es eine richtige Hölle hier. Wir leiden unter Bedrohungen, unter ständigen Repressionen, Missachtung. Man will uns vernichten, uns zerstören, uns lächerlich machen. Alles weit jenseits der Demokratie."

Pascal Wallart

Ganz anders sehen es viele Bewohner der ehemaligen Bergarbeitersiedlung am Stadtrand. Sie schätzen die Arbeit des rechtsextremen Bürgermeisters Steeve Briois:

"Unser Bürgermeister ist sehr gut. Er tut viel für die Stadt. Die anderen vorher haben nichts gemacht. Wir hatten keine anständigen Straßen hier. Die Stadt war völlig heruntergekommen."

Jean-Pierre Paix, Rentner

Und was auf kommunaler Ebene scheinbar funktioniert, könne auch gut für das Land sein, meinen diese beiden früheren Hilfsarbeiter, die seit einigen Jahren arbeitslos sind:

"Ja, ich bin für die mit der Bürstenfrisur, Marine Le Pen."

Marcel Dereux, Arbeitsloser

"Wir brauchen Arbeitsplätze für alle, nicht nur für die Ausländer."

Didier Desmarais, Arbeitsloser

"Mit Marine le Pen gäbe es weniger Ausländer hier. Es scheint, sie ist eine Rassistin."

Marcel Dereux

Markttag in Hénin-Beaumont – eine gute Gelegenheit für die Wahlkämpfer des Front National. Seine Anhänger sind in allen Gesellschaftsschichten zu finden. Doch je geringer der Bildungsgrad, desto anfälliger sind die Menschen für seine Propaganda. Und bislang stimmen deutlich mehr Männer als Frauen rechtsextrem.

Küsschen für die Damen – nicht nur der Bürgermeister hofiert das weibliche Geschlecht, auch Marine Le Pen betont während des Wahlkampfs immer wieder: "Ich bin eine von euch, eine französische Mutter, die hart arbeitet." Und zumindest in Hénin-Beaumont scheint sie damit Erfolg zu haben.

"Ich schätze sie, weil sie die Wahrheit sagt und was gegen die Arbeitslosigkeit machen will."

Ältere Frau

"Ich bin für Marine Le Pen. Sie ist die einzige, die in Frankreich für Ordnung sorgen kann."

Junge Frau

Marine Le Pen bemüht sich sehr darum, das Image einer rassistischen, antisemitischen und militant rechtsradikalen Partei, das ihr Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen geprägt hat, abzustreifen. – Tatsächlicher Wandel oder nur eine Wahlkampfstrategie, um neue Wählerschichten zu gewinnen?

Nonna Mayer

An der Elite-Universität für Politische Wissenschaften in Paris forscht Nonna Mayer seit nun mehr als 30 Jahren über den Front National. Zusammen mit zwei Kollegen hat sie ein Buch veröffentlich mit dem Titel Der falsche Schein des Front National.

"Marine Le Pen mag hat eine Strategie der Entdämonisierung der Partei haben, aber die Unterstützer, Mitglieder und Sympathisanten ihrer Partei sind sehr viel mehr als andere voller Vorurteile gegenüber Ausländern und Immigranten, Muslimen und den Juden. In der Tat sind in der näheren Umgebung von Marine Le Pen einige ehemalige Mitglieder aus einer rechtsradikalen militanten Bewegung, der GUD, zu finden, die als erfahrene Kämpfer sehr nützlich für die Partei sind und immer noch eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der Partei spielen."

Nonna Mayer, Politologin Science Po

Der Front National ist knapp bei Kasse und hat Millionenkredite aus Russland bekommen. Für FN-Mitarbeiter im EU-Parlament wurden fiktive Arbeitsverträge ausgestellt - ein Skandal, in den auch die Parteichefin, eine erklärte EU-Gegnerin, verwickelt ist. Aber das ist kein Grund für ihre Anhänger, an ihr zu zweifeln:

"Das sagen sie nur, um ihrem Ruf zu schaden."

Jean-Piere Paix, Rentner

Ob Le Pens Strategie aufgehen wird? Über 40 Prozent der französischen Wähler sind noch unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben sollen. Noch nie war die Gefahr so groß, dass eine Rechtsextreme Präsidentin Frankreichs werden könnte: eine Wahl mit Folgen für ganz Europa.


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