BR Fernsehen - EUROBLICK


0

Frankreich Hilfe für die Gendarmerie

Sie wirken alle ein bisschen jung für den Job, und alle sind ein bisschen durcheinander. Zwischen 17 und 27 Jahre alt, haben sie sich freiwillig zur neuen französischen Nationalgarde gemeldet – einer Reservistentruppe zur Verstärkung der Gendarmerie.

Von: Mathias Werth

Stand: 05.02.2017 | Archiv

Junge Freiwillige | Bild: BR

Die ist durch den Ausnahmezustand und die Terrorbedrohung an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit gelangt. Doch da kommen sie schon: nicht weniger durcheinander als die, die schon verzweifelt versuchen, in Reih und Glied zu stehen: zwei Drittel Männer, ein Drittel Frauen. Erste Übung für alle: Gleichschritt.

Commandant Jean-Yves

Die "Mädchen", wie der Ausbilder sie nennt, zeigen jetzt, was sie eigentlich von der Reservistenausbildung erwarten: Feuern aus allen Lagen.

"Die jungen Leute sind ja Zivilisten. Sie sind ein wenig verloren hier und wissen nicht, was auf sie zukommt. Innerhalb von zwei Stunden sind sie eingekleidet, haben also den Tarnanzug an, fangen an, im Gleichschritt zu marschieren und sich dem militärischen Drill auszusetzen, der sehr genormt ist. Die jungen Freiwilligen, die heute hier an ihrem vorletzten Tag sind, sind nicht mehr dieselben wie die, die ich am ersten Tag empfangen habe. Ich glaube, viele von ihnen sind gereift."

Commandant Jean-Yves, Ausbildungsleiter

July

Eine, die sich freiwillig gemeldet hat, ist July, 26, Kindergärtnerin, alleinerziehende Mutter. Alle im Trainingscamp dürfen wir aus Sicherheitsgründen nur mit Vornamen nennen. Kurze Einweisung durch den Ausbilder: Das Laden der Dienstwaffe? Na ja…

"Meine Familie war sehr erstaunt, denn ich bin eigentlich gar kein autoritärer Mensch. Aber sie ist sehr stolz auf mich. Ich bin vor allem wegen der Attentate hier. Ich glaube, für die neue Generation ist es wichtig, dass wir jungen Patrioten uns für unser Land engagieren."

July

"Heute brauche ich euch! Also: Es gab einen bewaffneten Raubüberfall in der Nähe der Sparkasse. Das ganze Einsatzteam sucht den Verdächtigen. Ein Zeuge hat ihn gesehen. Ihr müsst jetzt die Autos kontrollieren. Also, ihr wisst Bescheid und wisst, was von euch erwartet wird."

Ausbilder

Und schon sind die Hilfsgendarmen im Einsatz – wenn auch nur zur Übung. Die Ausbilder führen genau Protokoll. Anschließend werden alle Freiwilligen bewertet – nein, streng bewertet, sagt der Ausbilder. Nach dieser Übung ist Ausbildungsschluss. Daheim wartet schon Söhnchen Eleo.

"Mein Sohn ist vier. Ich hoffe, er wird stolz auf mich sein, wenn er seine Mutter in Uniform sieht."

July

Hier geht Eleo in den Kindergarten. Auch der ist im Zuge des Ausnahmezustands besonders gesichert. Niemand darf ins Gebäude – auch die Eltern nicht.

"Bist du froh, dass die Mama jetzt Polizistin ist? Du bist nicht froh? Nein?"

July

Wenn die Mama Reservisteneinsätze haben wird, dann muss Eleo zum Vater. Der ist zum Glück einverstanden mit Julys Engagement – genauso wie ihr jetziger Freund, der ist nämlich selbst Gendarm.

Es ist inzwischen Weihnachten, vier Monate nach ihrer freiwilligen Ausbildung zur Gendarmenunterstützerin im Kampf gegen den Terror:

"Ich habe eigentlich keine Angst um ihn, aber um seine Zukunft."

July

Hat die Ausbildung sie verändert?

"Man schaut sich anders an, auf eine Art und Weise, die man zuvor nicht kannte. Ich persönlich bin misstrauischer geworden. Ich traue den Leuten nicht mehr allzu sehr. Wenn es bei mir an der Tür klingelt, dann mache ich nicht einfach auf, sondern das Licht aus. Früher wäre ich hingegangen, aber jetzt bin ich misstrauisch."

July

Dass die Mama zur Polizei geht, das mag er nicht. Die kleinen blau-weißen Autos schon. Auch der Weihnachtsmarkt ist in diesen Tagen besonders gesichert. Eleo merkt davon natürlich nichts. Und July wartet auf ihre Einsätze.

"Man darf nicht aufhören zu leben – ganz im Gegenteil. Wir müssen zeigen, dass wir hier sind, und dass wir trotz allem, was passiert ist, weiterleben und gut leben, vor allem in der Weihnachtszeit. Das finde ich wichtig."

July

"Der Weihnachtsmann!", ruft Eleo.

Endlich ein Einsatz für July. Es ist eine Routinefahrt zum großen Einkaufszentrum am Rande der Stadt. Jetzt wird es ernst für July – und man spürt ihre Anspannung. Es geht darum, präsent zu sein, einfach zu zeigen, dass die Polizei da ist.

"Es ist gut, dass sie da sind. Das macht Respekt, schon allein, weil sie hier durch gehen. Das gibt Vertrauen. Und die Bösewichte, die eingeschüchtert sind, die verziehen sich."

Ein Ladenbesitzer

Nichts mit Pistole, Handschellen und Deckung.

"Na ja, ich wusste ja schon, dass unser Platz nicht da ist, wo die Bösen gejagt werden, sondern einfach nur da zu sein, an Stelle der aktiven Gendarmen, um ihnen solche banalen Aufgaben abzunehmen."

July

Danach: Verkehrskontrolle. Auch die läuft anders als noch in der Ausbildung geprobt: Führerscheinkontrolle. Fahrzeugpapiere. So was halt. Keine Sicherung von Kollegen, keine gezückte Waffe, nichts von alledem. Und: Es ist bitterkalt heute.

Und wie rund 15.000 andere Freiwillige unterstützt July tapfer weiter Frankreichs Gendarmen, die von ihren zahllosen Einsätzen endlich mal ausruhen müssen. Alltag im Ausnahmezustand.


0