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Frankreich Das Arbeitsrecht verhindert neue Jobs

Tag für Tag schuftet Gaëtan Mazo von morgens bis spät Abends. Waschen, färben, reparieren – manchmal bis zur Erschöpfung. Endlich sein eigener Herr sein. Das ist Gaëtans oberstes Ziel.

Von: Susanna Dörhage

Stand: 17.09.2017 | Archiv

Gaetan Mazo in seiner Werkstatt | Bild: BR

Gaëtan Mazo

Deshalb hat der Nachwuchsunternehmer aus der Vorstadt mit zwei Freunden einen originellen Betrieb eröffnet: eine Wäscherei für Turnschuhe, mitten in Paris. Die Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten hat ihm Auftrieb gegeben: "Macron, der hilft den jungen Unternehmern! In der Schule hatte ich immer den Eindruck, ich sollte irgendwo eine Stelle finden und mich einem Chef unterordnen. Macron aber hat gesagt: Sucht nicht nach einer Stelle, sucht nach Kunden."

Die ersten Kunden haben sie gefunden, aber rentabel ist ihr Geschäft noch nicht. Bislang müssen die drei fast alles selbst machen. Mehr als einen Angestellten können sie nicht leisten: "Das Problem sind die hohen Sozialabgaben und die Steuern. Die sind wahnsinnig hoch. Ich muss so viele verschiedene Abgaben zahlen, dass uns von den 10.000 Euro, die wir einnehmen, am Ende des Monats gerade mal 3000 übrig bleiben."

Personal fürs Turnschuh-Waschen einzustellen ist nicht nur teuer: ein Konflikt mit einem Angestellten kann Kleinunternehmern wie Gaëtan sogar die Geschäftsgrundlage entziehen. Der Grund: das extrem arbeitnehmerfreundliche Arbeitsrecht, das die Möglichkeit der Kündigungen fast gar nicht vorsieht.

Der Fleischer Sacha Milo hat schon mehrfach bei Gerichtsverfahren mit Angestellten den kürzeren gezogen. Deshalb ist er jetzt vorsichtig geworden: "Das ist, als wäre ich mit den Leuten verheiratet. Man kommt da so einfach gar nicht raus. Da muss man jedes Mal hohe Abfindungen zahlen und sich darum kümmern, dass die Leute eine Fortbildung bekommen. Für ein Kleinunternehmen ist das fast gar nicht zu machen."

Gerade diese Gesetze aber sind für die Gewerkschaften besonders wichtig. Sie wollen damit große Unternehmen in die Schranken weisen, die einen lockeren Kündigungsschutz ausnutzen würden, um Jüngere einzustellen. Die Gewerkschaften fürchten, dass Macron zu sehr auf die Arbeitgeberseite zugehen wird.

Michel Beaugas

Michel Beaugas von der Gewerkschaft Force Ouvrière: "Macron will, dass Großunternehmen künftig ihre Gewinne im Ausland nicht mehr angeben müssen. Das bedeutet, sie können ihre französischen Gewinne in Filialen ins Ausland schaffen. Man weiß ja wie das geht: dann sagen sie, dass sie in Frankreich Verluste machen und dann können sie die Leute entlassen. Die Mitarbeiter haben dann keine Möglichkeit mehr, vor Gericht eine Abfindung zu erstreiten."

Zwischen diesen Firmen und den kleinen Betrieben liegen Welten. Aber die Gewerkschaften halten eisern an ihrer Linie fest. Kleinunternehmer wie Gaëtan täten besser daran, sich selbst woanders eine feste Stelle zu suchen.

Michel Beaugas: "Und was machen sie, wenn es keine Turnschuhe mehr gibt? Dann haben sie keine Arbeit mehr!"

Emmanuel Jessua

Für Wirtschaftsexperten dagegen schlägt Macron mit seinen Reformen die richtige Richtung ein. Denn schon jetzt hätten ohnehin viele Franzosen keine feste Stelle mehr und müssten mit Zeitverträgen jonglieren. Emmanuel Jessua vom Wirtschaftsinstitut Rexecode: "Es gibt heute eine Art Doppelsystem: Viele Ältere sind durch feste Verträge gut geschützt und die meisten jungen Leute müssen schon jetzt von Zeitverträgen leben. Das ist ungerecht, denn ohne festen Arbeitsvertrag bekommen sie heute in Frankreich keine Wohnung und die Banken leihen ihnen kein Geld."

Gaëtan hat sich noch nie um eine feste Stelle in einer Firma bemüht. Er sieht sein kleines Geschäft im Aufwind, die Kunden kommen: Ob Rapper oder Sportler, viele tragen in der Freizeit teure Designerturnschuhe. Ein Kunde: "Ich wollte sie schon fast wegwerfen, aber dieses Modell gibt es nicht mehr. Jetzt haben die Schuhe ein zweites Leben."

Jung, pfiffig und fleißig – Gaëtan steht für das von Macron gewollte neue Frankreich, in dem sich wohl auch immer mehr Franzosen wiedererkennen.


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