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Griechenland Angst vor dem Grexit

Der griechische Patient ist noch nicht da. Frühdienst für Christina Fostieri auf der Dialysestation im Krankenhaus von Amfissa. Die Krankenschwester arbeitet im städtischen Klinikum. Wie lange hier ihr Gehalt noch gezahlt wird, wer weiß das schon.

Von: Ellen Trapp

Stand: 21.06.2015 | Archiv

Ein Krankenhaus in Griechenland | Bild: BR

Der griechische Patient ist noch nicht da. Frühdienst für Christina Fostieri auf der Dialysestation im Krankenhaus von Amfissa. Die Krankenschwester arbeitet im städtischen Klinikum. Wie lange hier ihr Gehalt noch gezahlt wird, wer weiß das schon.

Christina Fostieri

Christina erzählt, das Gesundheitssystem liegt am Boden, jeder dritte Grieche nicht mehr krankenversichert. Viel schlimmer kann es nach dem Grexit nicht mehr kommen.

"Wenn es zum Grexit kommt, dann gehe ich wie immer weiter arbeiten. Ich werde arbeiten, weil es in meinem Job um Menschen geht und nicht um Zahlen. Unsere Patienten müssen von uns in der Klinik versorgt werden."

Christina Fostieri

Die Ausstattung – es fehlt an vielem: Verbandsmaterial, Spritzen – Christina Fostieri ist sauer; sie haben kein Geld das alles zu bestellen.

Überstunden – ohne Bezahlung; Bereitschaftsdienste – auch dafür bekommt sie keinen Cent mehr. Alles Folgen der Krise. Knapp 900 Euro netto verdient sie als Schwester. Das System ist krank.

Der Patient Griechenland, über den verhandelt wird, um den macht sich auch Christina Sorgen. Permanente Verhandlungen in Athen, Luxemburg oder Brüssel – wann kommt es endlich zur Entscheidung? Das Leben läuft weiter, zu Hause warten zwei Kinder. Die Mutter versucht sachlich zu bleiben, Zeit für Panik hat sie nicht.

"Für die Möglichkeit eines Austritts werde ich keine Vorratskäufe machen, dafür fehlt mir das Geld. Mit meinem Gehalt zahlen wir den Hauskredit ab."

Christina Fostieri

Christina und ihr Mann Giannis haben ein Haus gebaut. In Griechenland nicht ungewöhnlich. Die monatliche Kreditrate: 700 Euro.

Giannis arbeitet auch im öffentlichen Dienst, er ist Lehrer. Würde der Staat sie nicht mehr bezahlen können, würden sie auch den Kredit nicht mehr abbezahlen können.

"Ich sehe meine Kinder nicht gesondert. Meine Ängste betreffen die ganze Familie und die ganze Gesellschaft, und ich denke darüber nach, wie die ganze griechische Gesellschaft auf ein solches Ereignis reagieren würde."

Giannis Marcodimos

"Sicherlich haben wir Fehler gemacht. Sicherlich werden wir dafür bezahlen, und wir zahlen schon jetzt dafür. Wir sind nicht schuldlos an der Lage."

Christina

Als Panagiotis geboren wurde, bekam Griechenland den Euro. Seine Schwester Kariofilia ist Elf. Sie kriegen mit – auch von ihren Eltern – es gibt eine Krise. Drachme? Nie gehört. Für den Euro spricht aus ihrer Sicht sehr viel.

"Er hat eine andere Farbe, ist bunter. Soll ich es so sagen? Er ist anders, eben nicht langweilig."

Panagiotis Marcodimos

Giannis Marcodimos

In Griechenland sind schon Sommerferien. Giannis Marcodimos trainiert auch noch eine Fußballmannschaft, ehrenamtlich. Für seine Kinder organisiert er Sprachschule und Privatunterricht, weil das Schulsystem so marode ist. Für die Kicker will er, komme was wolle, auch den Sportverein am Laufen halten.

"Solange wir können und uns die Möglichkeit geboten wird, werden wir auf dem Rasen stehen und alle Kinder akzeptieren, auch wenn sie kein Geld für die Gebühren haben."

Giannis Marcodimos

Milliarden haben die Griechen schon von den Banken geholt – aus Angst vor der Staatspleite. Christina will das nicht, sie hat auch nichts, was sie zur Seite legen könnte. Um insgesamt 40 Prozent hat sich ihr Familieneinkommen während der Krise minimiert. Da ist nichts mehr zu holen. Es reicht fürs Nötigste.

Der Traum vom Wohlstand als Europäer, der ihnen über all die Jahre "von oben" vorgegaukelt wurde – Christina Fostieri fühlt sich schuldig für all jene, die darauf reingefallen sind.

"Manche werden sagen, dass wir in einer Lügenwelt gelebt haben. Sicherlich haben wir alle Fehler begangen. Sicherlich haben wir uns im Leben finanziellen Risiken ausgesetzt, die wir hätten vermeiden können und müssen. Aber wir hatten unser Leben anders geplant, und es ist dank der Einmischung der Europäer und des Internationalen Währungsfonds anders gekommen."

Christina Fostieri

Ob ihr europäischer Traum bald ein Ende hat? Sie hoffen es nicht.


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