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Albanien Der schwierige Kampf gegen die Drogenmafia

Auf der Adria: Italienische Küstenschützer jagen albanische Schmuggler, die Kuriere der Cannabis-Mafia.

Von: Philipp Grüll, Karl Hoffmann

Stand: 26.11.2017 | Archiv

Cannabisanpflanzung | Bild: BR

"Wir haben hier superschnelle Boote, mit denen wir unsere Zielobjekte sofort verfolgen können, sobald wir sie entdeckt haben, mit Geschwindigkeiten von über 100 Stundenkilometern."

Antonello Maggiore, Kommandant Guardia di Finanza

Ihre Gegner sind Gangster, die mit der Droge in Deutschland und anderen EU-Ländern Milliarden verdienen.

Tirana: Die albanische Hauptstadt boomt seit Jahren. Hier ist eine neue Oberschicht entstanden. Äußere Kennzeichen: schnelle Luxusautos. Ein Aufschwung, der aber auch mit Drogengeld finanziert wird.

Ministerpräsident Edi Rama

Die Welt erfuhr davon im Juni 2014 zum ersten Mal: Die Polizei stürmte das Dorf Lazarat im Süden des Landes, ein Dorf, das als Europas Drogen-Hochburg international durch die Medien ging.

"Wir haben dem Cannabis-Anbau den Krieg erklärt. Wir haben endlich diese Drogenbosse in Lazarat besiegt und das Cannabis beseitigt."

Edi Rama, Ministerpräsident Albanien

Die Regierung wollte ein Exempel statuieren – kurz vor der Entscheidung der EU, ob Albanien Beitrittskandidat werden darf. Doch kaum hatte die EU zugestimmt hatte, kletterte die Cannabis-Produktion auf ein Rekordhoch.

Aber jetzt steht die Entscheidung an, ob die EU die Beitrittsverhandlungen aufnimmt. Deswegen soll endgültig Schluss sein mit Cannabis.

"Jetzt haben wir allen Grund zu glauben, dass diese Geschichte noch in diesem Jahr ein Ende haben wird – in dem Sinne, dass wir aufräumen werden."

Edi Rama, Ministerpräsident Albanien

Seit einigen Monaten sucht die Polizei aus der Luft nach den Pflanzen. Es geht über zerklüftete Landschaften, mit Bergen bis zu 2500 Metern Höhe. Hierher hat sich die Mafia aus Lazarat zurückgezogen. Die Fahnder sind schlecht ausgerüstet und haben nur eine Chance, die Plantagen zu entdecken.

"Durch genaue Beobachtung. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht."

Ein Spezialist

Eineinhalb Stunden dauert der Flug. Das Ergebnis: kein Cannabis. Doch in Italien kommt nach wie vor tonnenweise Cannabis an. Auf der Adria: die italienischen Grenzschützer. Die Jagd auf die albanischen Schmuggler in ihren Booten voller Cannabis-Ballen, sie ist lebensgefährlich, mit gewagten Abfangmanövern, in rauer See. Die Kriminellen versuchen alles, um zu entkommen, denn ihnen drohen in Italien bis zu 20 Jahre Haft.

Aber wo wird all das Cannabis angebaut? Wir erhalten einen Tipp, von einem Kontaktmann in den albanischen Bergen. Eine Fahrt ins Ungewisse – über Stunden, auf einem Boot, denn alle Spuren sollen verwischen. Schließlich einen Hang hinauf, noch eine Stunde durchs Gestrüpp. Und hier tatsächlich, auf einer Lichtung: ein paar junge Cannabis-Pflanzen. Die große Überraschung: zwei Hirtenjungen als Cannabis-Bauern, die mühsam 100 Pflanzen aufziehen. Es wird keine reiche Ernte geben, aber die erhofften 4000 Euro Gewinn wären ein Segen für die ganze Familie.

In der Küstenstadt Vlora: 16 Tonnen Cannabis. Marktwert: 160 Millionen Euro; beschlagnahmt bei einer einzigen Razzia. Dennoch bleiben Zweifel, wie ernst es der albanischen Regierung wirklich ist.

Dritan Zagani

Das zeigt ein mysteriöser Fall: 2015 ist ein albanischer Drogenfahnder in die Schweiz geflüchtet, nach Basel. Albanien lässt ihn per Interpol suchen. Wir treffen ihn in einem anonymen Hotel. Er geht fest davon aus, dass er ins Visier seiner Kollegen geriet, weil sein Ermittlungseifer zu groß war. Sein Haus wurde durchsucht. Und nicht nur das:

"Als es soweit kam, dass meine Familie bedroht wurde und um ihr Leben fürchten musste, war für mich Schluss. Meine drei Kinder sind wichtiger als mein Leben, mein Beruf und alles sonst auf der Welt. Sie zu schützen ist meine menschliche Pflicht."

Dritan Zagani, albanischer Drogenfahnder

All das begann wenige Tage, nachdem er eine brisante Entdeckung gemacht hatte: Dass die Mafia Feldwege nutzt, um Cannabis mit kleinen Flugzeugen zu schmuggeln. Tatsächlich konnte die italienische Polizei wenig später dieses Flugzeug abfangen. Es war auf dem Rückweg nach Albanien und hatte bei Turin Marihuana abgeladen – ein Erfolg albanischer und italienischer Ermittler, der dem Fahnder aber zum Verhängnis wurde.

"Der Vorwurf lautet ‚Amtsmissbrauch‘, weil ich angeblich Informationen an die italienische Polizei verkauft haben soll. In derselben Zeit, in der mir die italienische Polizei bei meiner Arbeit half, diese Drogenschmuggler zu fassen."

Dritan Zagani, albanischer Drogenfahnder

Ein allzu eifriger Ermittler, offenbar ausgebremst von anderen, vielleicht korrupten Kollegen. Die albanische Regierung will sich zu dem Fall nicht äußern, während die Mafia weiter tonnenweise Marihuana nach Italien schmuggelt. Allein im ersten Halbjahr 2017 hat die Guardia di Finanza mehr als 20 Tonnen sichergestellt, so viel wie im gesamten letzten Jahr


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