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Gift im Honig, tote Bienen Rumänische Imker schlagen Alarm

Als Hauptgrund für das Bienensterben gilt die Varroa-Milbe. Dass Pflanzenschutzmittel ihren Anteil daran haben, war lange umstritten. Doch Studien belegen das mittlerweile eindeutig. Die EU hat reagiert und drei Neonicotinoide verboten. Können die Imker jetzt aufatmen? Leider nein. Denn die EU hat das Schlupfloch der Ausnahmegenehmigung gelassen. Und das wird von einigen Ländern fleißig genutzt …

Published at: 9-9-2018

Rumänien ist traditionell ein Imker-Land:  Es ist berühmt für seinen qualitativ herausragenden Honig. Zum einen sucht die Artenvielfalt in dieser einmaligen Kulturlandschaft in ganz Europa ihresgleichen. Zum anderen werden hier dank der kleinbäuerlichen Struktur Pestizide nicht so massiv eingesetzt. Noch. Denn Rumänien ist ein aufstrebendes Agrarland: Die Landwirtschaft wird immer intensiver, die Agrarindustrie hält Einzug, der Fortschritt verspricht Geld und den lang ersehnten Anschluss an den Westen. Die akut Leidtragenden sind die Imker und ihre Bienen: Die Honigsammler sterben in dramatischem Umfang.

Probleme eines rumänischen Bio-Wander-Imkers

Wilhelm Tartler ist Wander-Imker in Siebenbürgen und hat Probleme: 80 seiner 200 Völker sind allein im letzten Jahr eingegangen. Die Varroa-Milbe, einen aus Asien eingeschleppten Parasiten, hat er im Griff. Das gelingt ihm sogar, ohne den Einsatz von Chemie. Die Gefahr für seine Bienen liegt in den Pollen: Sobald er seine Völker in den Südwesten Rumäniens bringt, nimmt die Schadstoffbelastung enorm zu - denn in dieser Gegend ist die Landwirtschaft viel intensiver. Gerade im Raps und in der Sonnenblume findet man hier mittlerweile so viel Pestizide, dass seine Bienen das häufig nicht überleben. Für Wilhelm Tartler eine verzwickte Situation, denn genau diese Pflanzen bringen viel Honig. Darauf zu verzichten, können sich Imker wirtschaftlich nicht leisten. Wilhelm Tartler verzichtet trotzdem mittlerweile ganz auf den Sonnenblumenhonig.

Selbst Bio-Honig ist nicht schadstofffrei

Das Bienensterben ist nicht das einzige Problem der rumänischen Imker: Auch in ihrem Honig finden sich Rückstände der Pflanzenschutzmittel. Denn die Bienen finden mittlerweile kaum mehr unbelastete Pollen.  So besagt sogar das Produktsiegel „Bio“ beim Honig nur, dass der Imker seine Bienen im Bienenstock nicht mit Chemikalien behandelt. Das heißt für den Verbraucher: Auch wer Bio kauft, muss mit kontaminiertem Honig rechnen. Der Großteil von dem, was rumänische Bienen eintragen, geht übrigens in den Export, meist nach Frankreich und Deutschland.

"Es gibt zwischen konventionellem Honig und ökologisch erzeugtem Honig Unterschiede, wenn auch nicht so große Unterschiede, wie man das vielleicht erwartet. Da die Bienen, wenn sie ausfliegen, ja nicht unterscheiden können: Fliege ich jetzt an ein ökologisches Rapsfeld beispielsweise oder an ein konventionell erzeugtes Rapsfeld. Und insofern tragen sie dann natürlich Rückstände gegebenenfalls aus dem konventionellen Rapsfeld in die Magazinbeute ein, was dann später zu einer höheren Belastung im Honig führt."

Albrecht Friedle, Chemiker und Rückstandsanalytiker

Von Grenzwerten und Belastung

Doch nicht nur rumänischer Honig ist betroffen: Alleine in Deutschland sind 1.400 Pestizide zugelassen, die Landwirte oder auch Hobby-Gärtner nutzen. Eine Schweizer Studie hat letztes Jahr bewiesen, dass 75 Prozent aller Honige weltweit mit Neonicotinoiden belastet sind. Natürlich gibt es Grenzwerte für die verschiedenen Pflanzenschutzmittel, die jedoch nicht unumstritten sind. Wenn diese überschritten werden, geht der Honig in die Müllverbrennung – er darf nicht in den Handel.

"Die Grenzwerte werden von der Europäischen Lebensmittel-Sicherheitsbehörde, der Efsa, festgelegt. Die setzen Grenzwerte, produkt- und wirkstoffspezifische Grenzwerte sind das, die werden grundsätzlich nach den Regeln der „guten Agrarpraxis“ festgelegt."

Albrecht Friedle, Chemiker und Rückstandsanalytiker

"Viele Menschen glauben ja, der Grenzwert, der ist aufgrund von gesundheitlichen Effekten irgendwie bestimmt. Aber es ist doch in erster Linie ein rechtlicher Grenzwert, also gesetzliche Vorgaben gibt es dafür. Und in letzter Zeit sind sehr viele Studien gemacht worden, die gezeigt haben, dass selbst unterhalb der Grenzwerte gesundheitliche Auswirkungen aufgetreten sind."

Johann Zaller, Universität für Bodenkultur in Wien

Pestizide auch im Wachs

Eines wurde bislang wenig beachtet: Die Pestizide finden sich auch im Wachs im Bienenstock. Die Bienen tragen Schadstoffe wie Glyphosat oder Neonicotinoide mit den Pollen und dem Nektar in ihr Zuhause. Wissenschaftler haben den Verdacht, dass gerade das die Völker nachhaltig schwächt.

"Ich […] habe festgestellt, dass ähnlich wie die westeuropäischen Menschen auch die Bienen etwa 80 – 90 % ihres Lebens im Bienenstock, in ihrer Wohnung, in ihrem Zuhause verbringen. Dieses Zuhause schaute ich mir einmal näher an. Ich war dann etwas perplex, als ich gesehen habe, wieviel Wirkstoffe, wieviel Schadstoffe da vorhanden sind in dieser Bienenwohnung."

Albrecht Friedle, Chemiker und Rückstandsanalytiker

"Das Wachs ist ja eigentlich für die Biene das erste Bett, also für das Ei, für die Made, für die ganze Entwicklung. Und wenn ich mir vorstelle, dass meine Matratze 36 Rückstände hat, dann würde ich die aus dem Fenster schmeißen und mir eine Matratze besorgen mit möglichst wenig Rückständen."

Helmut Prenzyna, Leiter einer Honig-Erzeugergemeinschaft

Was für Imker zunächst vor allem ein finanzieller Verlust ist, kann für das Ökosystem in der Katastrophe enden. Schließlich spielen Bienen und andere Insekten eine wichtige Rolle – als Bestäuber.

Auswirkungen auf den Menschen

Von den Neonicotinoiden ist bekannt, dass sie in das Nervensystem von Insekten eingreifen, was sie orientierungslos macht. Wie sich Neonics auf Menschen auswirken, ist noch wenig erforscht.

"Dazu gibt es noch keine wirklich ganz harten Daten. Meines Wissens gibt es Studien aus Japan, z.B. epidemiologische Studien, in denen man über 4.000 Menschen untersucht hat. Da hat man gemerkt: Die Menschen, die mit Neonics in Kontakt kamen, hatten nervliche Probleme. Sie haben auffällig oft gezittert. Wenn man die Neonics zurückgefahren hat, dann hat auch das Zittern wieder aufgehört. Also offenbar haben sie schon auch beim Menschen ein Eingriff in das Nervensystem."

Johann Zaller, Universität für Bodenkultur in Wien

Das Verbot

Frankreich ...

... ist sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat alle Neonicotinoide ausnahmslos verboten. Am 1. September ist das Gesetz in Kraft getreten.

Aus all diesen Gründen wurden seit Jahren immer wieder Verbote eingefordert – vorneweg von den Imkern. Dagegen stehen wirtschaftliche Interessen: Neonicotinoide sind weltweit die meist verkauften Insektenvernichtungsmittel und ein Milliardengeschäft für ihre Produzenten. Trotzdem: Nach langem Ringen mit der Agrochemie wurden von der europäischen Kommission drei besonders bienengefährliche Neonics 2013 vorläufig und dann 2018 endgültig verboten. Der Jubel war damals groß – die Presse titelte „Ein guter Tag für die Biene".

Was sind Neonicotinoide?

Es sind in den 90iger Jahren entwickelte hochwirksame Insektengiften auf Nikotinbasis. Sie sollen Schädlinge wie etwa den Rapsglanzkäfer vernichten. Auch Saatgut, wie das von Mais, Raps oder Sonnenblume wird mit ihnen gebeizt, so dass sich das Gift während des Wachstums in der Pflanze verteilt. Von der Landwirtschaft hochgelobt, sind sie mittlerweile extrem umstritten, denn sie werden für das Insektensterben verantwortlich gemacht. Bei den Wild- und Honigbienen trüben sie außerdem den Orientierungssinn und schädigen die Brut.

Die Gesetzeslücke

Jetzt erst haben Umweltschützer bemerkt, dass sie sich zu früh gefreut haben: Von Anfang an wurde das Verbot der Kommission aufgrund einer Gesetzeslücke umgangen. Ein Paragraph erlaubt Ausnahmegenehmigungen bei einer möglichen „Bedrohung für das Ökosystem“. Schon 2013 haben 13 EU-Staaten Ausnahmegenehmigungen für Neonics erteilt – am meisten in Rumänien, aber auch Deutschland war dabei. Die rumänischen Imker gehen auf die Barrikaden, doch von ihrer Regierung erhoffen sie sich nicht viel Unterstützung. Sie setzen direkt auf Brüssel. Von dort aus soll der Druck auf die rumänische Regierung kommen, sich an europäische Verordnungen und Gesetze zu halten.

"Das sieht im Westen alles super aus jetzt. Es gibt keine Neonicotinoide mehr, die werden nicht mehr eingesetzt ja, also wir können ruhig schlafen, alles wunderbar. Dass das Brötchen da aus Getreide, das hier bei uns in Rumänien produziert wird, schön mit Neonicotinoiden behandelt wird, da denkt keiner mehr darüber nach. Das ist schon zu weit weg, da muss man schon ein paar Gedankengänge überspringen. Erst einmal ist es verboten, ist gut, wir können schön weiterschlafen, alles super."

Wilhelm Tartler, Wander-Bio-Imker in Siebenbürgen

Der Erfolg?

Bleibt die Frage: Was bringen die Entscheidungen von Brüssel, wenn es immer wieder Schlupflöcher gibt? Wenn die Interessen der Agrarindustrie Vorrang haben? Die EU-Kommission hat gerade erst damit begonnen, die Ausnahmegenehmigungen des seit 2013 bestehenden Verbots zu überprüfen. Das Ergebnis bleibt abzuwarten, doch selbst Kommissionsmitglieder sehen Schwierigkeiten auf sich zukommen.

"Die Kommission hat Angst, sich mit Mitgliedsländern, auch z.B. sich mit Deutschland anzulegen, ob diese Notfallgenehmigung tatsächlich der Notfall war. Oder ob es nicht alleine wirtschaftliche Überlegungen waren, die dazu geführt haben. Die Kommission muss sich mehr zutrauen und auch wirklich europäisches Recht umsetzen. Unsere Unterstützung und die vieler Bürger hätte sie an diesem Punkt. Aber die wirtschaftlichen Interessen der Agrar-Lobby spielen dabei natürlich auch eine große Rolle. Ich kann mir vorstellen, dass die Kommission diese Auseinandersetzung scheut. Die muss sie aber aufnehmen, um glaubwürdig zu bleiben."

Martin Häusling, Mitglied des EU Ausschusses für Umweltfragen und Sprecher des Agrarausschusses für die Grünen/Bündnis 90


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