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Alltagsdroge Crystal Meth Der Rausch der Dunkelziffer

Crystal Meth ist in allen Gesellschaftsschichten und allen Landesteilen angekommen. Herstellung und Handel werden zunehmend professioneller – und krimineller. Doch politisch wird das weitgehend ignoriert.

Stand: 11.04.2021

Die Spitze der anhaltenden „Crystal-Welle“ ist spürbar, ihre große Dynamik in der Mitte der Gesellschaft wird politisch weitgehend ignoriert. Warum das Thema auch „strapazieren“?

"Ich kenne keine Partei, die sich der gesellschaftlich hochkomplexen Gefahr der neuen Alltagsdroge Crystal Meth bewusst ist."

Sebastian Fiedler, Vorsitzender des „Bundes Deutscher Kriminalbeamter“ (BDK)

Als die erste „Crystal-Welle“ Anfang der 10er Jahre „hochschwappte“, wollte man das Thema so klein wie möglich halten - und das so lange wie möglich, so der als „Crystal-Guru“ bekannte Therapeut Roland Härtel-Petri: Die damalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechtild Dyckmans, tat Crystal Meth als rein regionale Besonderheit ab - quasi als eine Art „Ostsyndrom“. Eine Strategie „politischer Deckelung“, die bis heute wirkt: Kaum ein Landrat oder Bürgermeister mag das Thema auf die Tagesordnung setzen, um Investoren und Touristen nicht zu verschrecken.

Dabei existiert seit 2013 das europäische Siedlungshydrologie-Projekt SCORE, das Drogenrückstände aus dem Abwasser von Kläranlagen analysiert und dadurch exakte Zahlen über den Konsum von Drogen in Regionen und Städten liefert. Ein Gesetz, das Drogen-Abwasserproben und -analysen kontinuierlich und flächendeckend durchsetzen würde, wurde bisher nicht debattiert.

"Dabei könnten weitreichendere Analysen eine Art ‚Frühwarnsystem‘ bei Veränderungen des Drogenkonsums und damit auch des Drogenhandels darstellen."

Björn Helm.

Der Rausch der Dunkelziffer spielt sich zu Hause oder auf Partys ab.

"Auf der Grundlage allgemeiner politischer Ignoranz wird der immens lukrative Crystal-Handel weiter zunehmen, die Crystal-Produktion von der Organisierten Kriminalität zunehmend übernommen und unser Kampf immer aussichtsloser."

Jakub Frydrych, europäischer Crystal-Expert und Leiter des tschechischen Dogendezernats

Und das nicht nur in der Mitte und im Osten Europas. Seit einem Jahr sprechen Drogenfahnder im Münsterland von einer bisher noch nicht da gewesenen Crystal-Schwemme. In den vergangenen Monaten wurden mehrere hundert Kilogramm Crystal Meth beschlagnahmt. Crystal-Produzenten und –Dealer aus dem europäischen Westen, vor allem aus der niederländischen Provinz Brabant, drängen auf den deutschen Markt. Im Hintergrund der niederländischen „Großköche“ agieren mexikanische Kartelle, die die Niederländer mit den Rohstoffen versorgen. In Rotterdam, aber auch in norddeutschen Häfen wurde die Chemikalie „Apaan“, ein Grundstoff zur Crystal-Herstellung, gleich tonnenweise sichergestellt.

"Wir verzeichnen schon die Abwanderung vietnamesischer ‚Crystal-Köche‘ von Tschechien in die Niederlande"

Uwe Einsporn, Drogenfahnder im sächsischen LKA

Nach Meinung aller Experten wäre eine neue "Crystal-Welle", die aus den Niederlanden überschwappt, eine Art Drogen-GAU: Allein Nordrhein-Westfalen besitze eine große Partyszene, die sich bisher "nur" mit dem wesentlich schwächeren Amphetamin "Speed" berauscht. Die "Horrorvorstellung" einer massiven neuen massiven "Crystal Welle" scheint bereits Realität geworden zu sein.

"Wir stellen in und um Nürnberg seit einigen Monaten Crystal im Kilobereich sicher. Einige Lieferungen davon können wir niederländischen Laboren zuordnen. Da scheint eine neue ‘Welle‘ auf uns zuzukommen."

 Christian Böhaker, Erster Kriminalhauptkommissar der Kripo Nürnberg


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