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ARD-Studio Wien Katastrophe auf dem Balkan

Das Aufräumen am Balkan hat begonnen – das Wasser geht zurück, die Schäden sind gewaltig: Mehr als 150.000 Menschen entlang des Flusses Save haben ihr Heim verloren.

Von: Till Rüger

Stand: 25.05.2014 | Archiv

Ein Mann arbeitet mit einer Schaufel an einem Kanal, durch den das Wasser abläuft. | Bild: BR

Was nicht weggeschwemmt wurde, ist nur noch Müll. Alles mussten sie zurücklassen, so schnell waren die Fluten angestiegen.

Nun droht Seuchengefahr: In den Hochwassergebieten müssen hunderte Tonnen Tierkadaver entsorgt werden.

Und die Flüchtlinge wollen zurück in ihre Häuser: Sie haben Angst, dass das wenige, was übrig ist, auch noch geplündert wird.

"Wir mussten alles zurücklassen, denn das ganze Haus begann auf einmal zu sinken. Alles ist weg."

Nezira Hasecic, Bewohnerin aus Topcic Polje

"Jeder musste gehen. So bin auch ich gegangen wegen der Seuchengefahr und wegen der befürchteten zweiten Flutwelle. Aber jetzt will ich schnell zurück."

Ein Mann

In Kroatien am Oberlauf der Save kämpften die Menschen über Tage mit aufgeweichten Dämmen. Trotz sinkender Pegel wurden auch nach der großen Flut weitere Ortschaften evakuiert. Dammbrüche drohten auf breiter Front.

"Die Nächte über haben wir durchgearbeitet. Gott sei Dank hat der Damm dem Wasser standgehalten."

Stipe Renic, Kriegsveteran und freiwilliger Helfer aus Zagreb

Die kroatische Armee musste tausende Eingeschlossene wie hier in Gunja per Boot retten, manche samt Haustieren. Die meisten waren erst nach sanftem Druck bereit zu gehen.

Veseljko Elez

Schlimmer ist die Lage in Bosnien und Herzegowina. Auch am Mittellauf der Save haben die Aufräumarbeiten begonnen. Aber ausgespülte Mienen aus den Balkankriegen behindern den Einsatz. Nur sehr langsam kommen die Helfer voran.

"Unser Team hat heute eine Gewehrgranate, sechs Handgranaten, eine Panzerfaust, ein Projektil und 350 Patronen kleiner Munition aus dem Wasser geholt."

Veseljko Elez, Zivilschutz Bosnien und Herzegowina

Etwa eine Million Menschen sind hier nach offiziellen Angaben von den Fluten betroffen. Die Save und ihre Nebenflüsse haben ganze Ortschaften weggeschwemmt und die meisten Straßen und Fahrwege unpassierbar gemacht.

Inzwischen drohen ausgelaufener Treibstoff und Schweröl die Felder und Häuser zu verseuchen.

Darko Djurasovic

Nutztiere waren in der landwirtschaftlich geprägten Region wie hier in Odzak, im Norden Bosniens oft die einzige Einnahmequelle. Jetzt sind sie als Brutstätten von Krankheiten eine tödliche Gefahr.

"Wir rechnen damit, dass allein hier 200 tote Schweine im Wasser liegen, 150 weitere große Tiere und bis zu 40.000 Stück Geflügel. Vor allem die großen Kadaver sind ein Problem: Die befinden sich in einer Wassertiefe von zwei oder sogar drei Metern."

Darko Djurasovic, Veterinär

Und die überlebenden Tiere müssen täglich per Boot versorgt werden.

In Serbien am Unterlauf der Save war vor allem die Kleinstadt Obrenovac in der Nähe von Belgrad meterhoch überflutet.

Erst aus der Luft ist das ganze Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Mehr als 20.000 Einwohner mussten fliehen, 15 Menschen kamen allein hier ums Leben. In Serbien schätzt man den Schaden auf drei Milliarden Euro.

Laut Gesundheitsbehörde droht nun als Folge des verdreckten Wassers die Ausbreitung von Krankheiten wie Typhus und Hepatitis unter den Flüchtlingen.

Auch die Spendenbereitschaft ist enorm. Die vielen privaten Spenden werden inzwischen zentral gesammelt und sortiert. Flutopfer, die alles verloren haben, werden hier mit einer Grundausstattung versorgt.

Erstaunlich ist die gegenseitige Hilfe unter den ehemaligen Kriegsgegnern: Die drei Länder Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Serbien unterstützen sich ohne Vorbehalte. Viele sprechen inzwischen schon von einer „Wiedergeburt des alten jugoslawischen Geistes“.


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