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BR-München Der Spuk der langen Winternächte

Für Liebhaber des europäischen Brauchtums beginnt jetzt eine spannende Zeit; nicht nur wegen Weihnachten, sondern auch wegen der so genannten Rauhnächte, den zwölf Nächten zwischen Heiligabend und dem 6. Januar.

Von: Christoph Wittmann

Stand: 07.12.2014 | Archiv

Zwei Perchten | Bild: BR

Jetzt kommen sie wieder, die Rauhnächte, und mit ihnen so allerhand finstere Gestalten: Ahnungen der dunklen Seite der bayerischen Seele und geheimnisvolles Echo des Unterbewussten, der Mächte der Nacht.

Nirgendwo ist das Brauchtum besser zu erleben als in Kirchseeon, im Osten von München, wenn die Perchten unterwegs sind. Pünktlich zum ersten Advent verwandeln sie sich hier in Klaubaufs, Teufelsfratzen oder Holzmandl. Seit 1954 gibt es den Kirchseeoner Perchtenlauf schon. Mitmachen dürfen alle, Mädchen und Burschen, Jugendliche und Veteranen.

"Da bist hinter einer Maske. Das ist wie im Fasching: man verkleidet sich, und da bist du wer anders. Du bist nicht erkennbar, du machst da Tänze, du machst Sprüche."

Ein Mann

"Ich wollte eigentlich schon immer dazu, aber ich war zu jung und zu klein. Und jetzt hab ich’s endlich geschafft durch sie, meine beste Freundin, hier dazuzukommen."

Ein Mädchen

"Ich hab bei den Holzmandl angefangen und dann hat halt der Meister von den Klaubauf gesagt, ich solle doch dazu kommen, weil ich auch ein bisschen damisch im Kopf bin. Und so ein paar könnte man immer brauchen."

Ein Bursche

Wolfgang Übelacker

Wenn die Nacht hereinbricht, kann er losgehen, der wilde Umzug von Haus zu Haus. Im ganzen Alpenraum bis in den Bayerischen Wald hinein sind gerade ähnliche Maskenbräuche zu finden. Mit dem brutalen Krampus, dem Kinderschreck an der Seite des Nikolaus, wollen sie hier aber nichts zu tun haben. Die Perchten sind…

"…Glücksbringer, Segensbringer, das ganze Schlechte vom Haus für ein Jahr verbannen. Es gibt diesen Spruch: So hoch wie der Percht springt, so hoch wachst im nächsten Jahr s’Korn. Ja, das probieren wir halt. Heute ist’s natürlich anders, es geht nicht nur ums Korn, aber ums Glück allgemein."

Wolfgang Übelacker, Vorstand Perchtenverein

Gabriele Wolf

Glücksbringer sind sie, gute Geister, obwohl sie als Hexen und Waldgeister auftreten. Dass sie auf uralte heidnische Bräuche zurückgehen, wird in der Wissenschaft allerdings bestritten. Für die Volkskundlerin Gabriele Wolf ist dies eine Erfindung der naturverliebten Romantik des 19. Jahrhunderts. Viel wichtiger sei aber, dass der Brauch wieder so lebendig ist.

"Die Kirchseeoner haben’s geschafft, aus verschiedenen Traditionen im Alpenland, aus verschiedenen Elementen sozusagen, sich eine eigene Tradition zu konstruieren; und an der arbeiten sie permanent weiter. Und je mehr Leute sich im Ort engagieren, desto größer ist die Bedeutung, die dann so ein Verein für den Ort hat."

Gabriele Wolf, Volkskundlerin

Herbert Schafbauer

Der Perchtenverein ist das ganze Jahr über aktiv. Ihre Kostüme und Masken machen sie selber. Herbert Schafbauer hat mittlerweile über 50 geschnitzt:

"Ich weiß eigentlich immer, was eine Maske eigentlich gruselig macht. Und bei uns, durch das Fackellicht, machen es vor allem große Augen, große Nasen und große Ohren. Aber Alpträume selber krieg ich von keinen Masken mehr."

Herbert Schafbauer, Maskenschnitzer

Selbst die, die am Anfang noch vorsichtig sind, finden bald Gefallen an dem wilden Treiben. Schließlich lernen sie hier schon in der Schule: Ohne Perchten wird es kein richtiger Advent in Kirchseeon!

Bis Heiligdreikönig laufen sie noch durch die Ortschaften, um die bösen Geister zu vertreiben: Schaurig – schön und...

"Echt anstrengend! Ich hätt' mir’s nie so vorgestellt, aber es macht einen Haufen Spaß. Aber das ist es echt wert, supergeil, super!"

Ein Mitwirkender

Die Rauhnacht ist vor allem eine Riesengaudi. Schon allein deshalb sind die Perchten ein Segen für ihr Kirchseeon.


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