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BR Alpine Bergnamen und ihre Bedeutung

Wer auf einem hohen Berg in den Alpen steht, sieht Fels, Eis, eine feindliche Natur. Auf den zweiten Blick erzählt uns dieses Panorama von einer gewaltigen kulturellen Anstrengung: Jeder Gipfel trägt einen Namen und berichtet von der Aneignung des Gebirges durch den Menschen.

Von: Henning Biedermann

Stand: 24.02.2019 | Archiv

Der Watzmann | Bild: BR

Noch 1880 erklärt der Geißenpeter dem Heidi: "Berge heißen nicht!" Die Behauptung ist zu dieser Zeit längst überholt, sagt aber einiges darüber aus, wie es um die Beziehung Mensch-Berg jahrhundertelang stand.

Die ganze Verachtung der Bauern am Achensee für diesen Gipfel ist in seinem Namen konserviert: Der "Unnütz". Doch Bergnamenforscher kennen noch drastischere Beispiele.

Verachtung für die Berge

Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein vom Institut für Bayerische Geschichte der LMU München: "Die Laliderer im Karwendel, die werden auf romanisch 'alitaris', die Hure zurückgeführt, also als Hurengebiet. Ähnlich im Allgäu, da gibt's dann den Bschießer oder den Scheißer."

Wer Geröll- oder Schneelawinen ins Tal schießt, hat keinen besseren Namen verdient! So wie der "Hundsarsch" über dem Vilstal, den man von den Karten getilgt hat.

Wann solche Namen entstanden, ist meist Spekulation. Eine Quelle sind die "Bayerischen Landtafeln" von 1568: Als einer der ersten Kartographen erfasst Philipp Apian dreihundert Bergnamen zwischen Lech und Königssee. Doch viele davon sind älter. Oft beschreiben Bergnamen ja nur das Offensichtliche: vom Mont Blanc, dem weißen Berg, bis zum Waxenstein. Wolf-Armin Frhr. v. Reitzenstein: "Ich kann mich erinnern, ich war als Kind oft auf dem Bauernhof und wenn man über ein Feld, ein abgeerntetes Feld gelaufen ist und barfuß war, dann war das wax - also mit hellem a - spitzig."

Berge als gespenstische Zwischenwelt

Zum Glück gibt es noch ein paar Namensrelikte, die daran erinnern, dass der Berg über Jahrhunderte eine gespenstische Tabuzone war, wo in den Gletschern Verstorbene auf ihre Aufnahme ins Paradies warteten und sich Venedigermännlein, salige Frauen und jede Menge Drachen auf den Gipfeln herumtrieben. So sind dann auch die Namen: Schlafende Hex, Teufelshörner, Böses Weibele, Wildes Mannle.

Und dass König Watzmann nebst Familie wegen außerordentlicher Brutalität versteinert wurde, ist auch kein Alleinstellungsmerkmal, wie der Journalist Dominik Prantl bei der Recherche für sein "Gipfelbuch" feststellen musste: "Die Sagen laufen eigentlich immer ziemlich gleich ab. Egal, ob das ein Riese, ein König, ein Jüngling oder die Frau Hitt zum Beispiel in Innsbruck ist: meistens sind das keine besonders netten Menschen und dann ereilt sie irgendeine Strafe."

Aufklärung in den Bergen

Seit dem 18. Jahrhundert versucht man sich an der Geistervertreibung: Heerscharen von Landvermessern, Wissenschaftlern, Bergsteigern erklimmen alle Gipfel. Alpinismus als Projekt der Aufklärung. So werden aus den "Bleichen Bergen" die Dolomiten - benannt nach einer Gesteinsanalyse des Naturwissenschaftlers Dolomieu. Aus dieser Ära stammt angeblich auch der Arschlochwinkel im Dachstein, als Bergbauern wissbegierige Kartographen mit erfundenen Namen foppten.

Es ist eine seltsame Erfolgsgeschichte, wie sich "Unnütze" zu begehrten Zielen von Bergsteiger- und Touristenhorden entwickelten. Der höchste Gipfel Vorarlbergs wirbt seit 1946 für eine Sonnencreme. Dabei heißt Piz Buin auf rätoromanisch "Ochsenspitze".

Vielleicht hat der Geißenpeter diese Entwicklung dumpf geahnt? Es hat schon etwas für sich, wenn Berge auch mal "nicht heißen".


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