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BR-München Kratzen als Kunst

Im oberbayerischen Mittenwald liegt die Werkstatt von Christoph Hagn. Er ist eigentlich gelernter Stuckateur, hat aber vor zwei Jahren eine ganz besondere Kunstform für sich entdeckt…

Von: Sabine Schmalhofer

Stand: 14.06.2015 | Archiv

Ein Sgraffito | Bild: BR

…“Sgraffito“ - bekannt seit dem 13. Jahrhundert als "Kratzputz". Diese Handwerkstechnik ist fast schon in Vergessenheit geraten, doch Christoph Hagn will die Tradition neu beleben - er probiert, experimentiert, sammelt Erfahrungen.

Christoph Hagn

Bevor es richtig losgeht, hat der 35-Jährige das Motiv erst einmal auf Pauspapier gezeichnet. Die Konturen werden mit kleinen Löchern perforiert, durch die dann Kohlenstaub fällt. So wird die Zeichnung auf eine Platte mit frischem Putz übertragen.

Dann beginnt die eigentliche Arbeit: das Kratzen, italienisch: "sgraffiare". Und jetzt lüftet sich auch das Geheimnis: Christoph hat zuvor schon eine dunkle Putzschicht aus Sumpfkalk aufgetragen, die jetzt sichtbar wird.

"Also, ich bin Stuckateur, und mich reizen traditionelle, nicht mehr gebräuchliche Arbeitstechniken. Und das macht mir Spaß, es ist so mein Steckenpferd neben meiner tatsächlichen Hauptbeschäftigung als Stuckateur."

Christoph Hagn, Stuckateurmeister

Von rot bis gelb können unterschiedliche Farben dem Putz beigemischt werden – bis zu drei Schichten übereinander sind möglich.

Die Sgraffito-Technik ist so gut wie ausgestorben, auch an der Meisterschule wird sie nicht mehr gelehrt. Christoph hat sein Wissen aus alten Büchern und lernt durch Ausprobieren. Fingerspitzengefühl ist gefragt, nicht nur bei dieser Taube.

"Ja, gut aufpassen, wenn ich irgendwo durch die Farbschicht durchsteche, dann kann man es nicht mehr reparieren. Wenn etwas nicht gelingt, werfe ich es in den Abfallcontainer."

Christoph Hagn

In der benachbarten Gemeinde Garmisch-Partenkirchen stehen Häuser mit typisch oberbayerischen Lüftlmalereien – ein üppiger Fassadenschmuck voller barocker Pracht. Im Gegensatz dazu: Ein Sgraffito. Klar wie ein Holzschnitt.

Man findet sie besonders an gewerblichen oder öffentlichen Gebäuden der 50er bis 70er Jahre wie dieser Grundschule. Damals Zeitgeist, inzwischen total aus der Mode. Heute findet sich wohl keiner mehr, der 30.000 bis 50.000 Euro für diese Art von "Kunst am Bau" anlegt. Schade für Christoph Hagn. Er würde gerne einmal so etwas realisieren.

"In der Größe ist das sicher eine Herausforderung, ja, aber es wäre machbar. Da heißt es dann auf dem Gerüst arbeiten, in einigen Metern Höhe, und man muss sich gut überlegen, was man da in fünf Metern Höhe braucht, sonst muss man alles zehn Mal hoch bringen."

Christoph Hagn

Bei einem Sgraffito muss es schnell gehen: die Schichten dürfen nicht austrocknen. So bleibt in der Regel nur ein halber Tag Zeit für das Kunstwerk – schwierig bei großen Flächen.

Dafür gibt es aber einen ganz praktischen Vorteil: weil die Farbe im Putz ist und nicht obendrauf, hält ein Sgraffito sehr lange.

Andreas Ecker

Christoph Hagn hat seinen ersten Auftrag erhalten: Zwar nur ein Schriftzug über dem Balkon, doch jetzt kann er sein Können unter Beweis stellen. Der Kunde freut sich.

"Ich möchte einfach einmal etwas anderes haben und vor allem, weil hier Leute vorbeilaufen. Und die schauen immer hier rein. Und da finde ich, es ist eine ganz tolle Sache, wenn da ein Sgraffito gemacht wird und der Name dran steht und vielleicht noch ein Wappen oder irgendetwas anderes. Mir gefällt das einfach."

Andreas Ecker, Sgraffito-Fan

Und Christoph Hagn träumt davon, dass er irgendwann ein großes Sgraffito wie dieses anfertigen darf, unter dem dann sein Name steht.


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