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TV Ungarn Kindern die Augen öffnen

Ein Blinder aus der kleinen Stadt Kistelek möchte anderen blinden Menschen helfen, indem er Sehende, wo immer er kann, über den richtigen Umgang mit Menschen mit Sehbehinderungen aufklärt.

Von: Lilla Malya

Stand: 08.10.2017 | Archiv

Ein Mädchen hält sich die Augen zu. | Bild: BR

Eine außerordentliche Unterrichtsstunde in der Schule von Kistelek in Südungarn: Der Inhalt der Schulstunde: Sensibilisierung.

"Ich bin Szabi, das ist mein Hund Elvis."

Szabolcs Kurucsai

Seit acht Jahren ist Szabolcs nur in Begleitung von Elvis, dem schwarzen Labrador, sicher unterwegs. Damals ist Szabolcs auf beiden Augen erblindet:

"Die Netzhaut hat sich abgelöst. Ich wurde operiert und konnte dann wieder sehen. Zu Weihnachten hat sich die Netzhaut wieder abgelöst. Ich bin innerhalb von einem Jahr zwei Mal erblindet, und trotzdem bin ich noch hier. Ihr braucht nicht aufzuzeigen, das seh ich ohnehin nicht. Fragt einfach!"

Szabolcs Kurucsai

Szabolcs Kurucsai

Szabolcs hat sehr rasch gelernt, mit der neuen Situation zu leben, und er hat auch erkannt, dass die Menschen oft überhaupt nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, wenn sie einem Menschen mit einer Sehbehinderung begegnen.

"Sie sind total unsicher. Auf der Straße kommt es zum Beispiel vor, dass ich einen Passanten etwas frage, und er geht einfach weiter. Dann frage ich eben den nächsten, kein Problem. Er hatte es halt eilig oder hat mich nicht bemerkt. Aber ich würde nie sagen, dass ich ihm egal war. Wenn der Kontakt näher ist, zum Beispiel in einem Geschäft, wo man nur eine Armlänge voneinander entfernt ist, da kommen sie schon her und helfen. Da gibt es sogar welche, die werden übereifrig und kaufen für mich ein. Aber das ist schon in Ordnung so. Ist doch gut, wenn sie helfen, dann helfen sie dem nächsten Blinden auch, kein Problem."

Szabolcs Kurucsai

In ganz Ungarn besucht er Schulen, weil man Kindern, wie er meint, möglichst früh zeigen sollte, wie man Menschen mit einer Behinderung begegnet und ihnen hilft. Nur so könne das Trennende beseitigt werden.

"Sie reagieren viel sensibler und toleranter beim Annehmen von etwas, das anders ist. Je früher sie Toleranz und Empathie Mitmenschen gegenüber erfahren, die mit ihrem Anderssein leben, umso mehr wird sich das auf ihr Leben auswirken."

Éva Pappné Guba, Leiterin der Grundschule mit Internat in Kistelek

Und in 45 Minuten kann sich wirklich viel verändern:

"Ab jetzt wird es ganz anders sein, wenn ich auf der Straße einen Blinden sehe. Ab jetzt werde ich helfen und ich weiß jetzt auch schon, wie Blinde leben."

Olivér Martonosi, Schüler

"Bewege den Stock so vor dir her. Komm, ich helfe dir. Und jetzt suchen wir deinen Freund."

Szabolcs Kurucsai

Auch die Persönlichkeitsbildung ist eine pädagogische Aufgabe, mit der nicht früh genug begonnen werden kann. Daher wird Szabi auch oft in Kindergärten eingeladen.

"Die Kinder sollen die Erfahrung machen, dass die Menschen auf der Erde ganz verschieden sind. Und Kinder sind offen, haben keine Hemmungen. Wenn wir diese Offenheit in diesem Alter bereits nützen und sie für Menschen mit Behinderungen sensibilisieren, werden sie als Erwachsene davon profitieren."

Direktor József Sejben, Kindergarten und Krabbelstube Kistelek

Szabolcs sieht es als seine Mission, gesunde Menschen über das Leben und die Bedürfnisse von Behinderten aufzuklären, ihnen zu zeigen, wie man sie über die Straße begleitet oder ihnen zu sagen, dass man einen Blindenhund niemals bei seiner Arbeit streicheln darf. Seine Arbeit mit den Kindern kann etwa 50.000 sehbehinderten und 10.000 blinden Menschen in Ungarn den Alltag erleichtern.


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