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Alpen-Donau-Adria-Spezial Hopfen, Malz und Gloria – Südtiroler Brauereigeschichten

Das Bier zählt zu den ältesten Genussgetränken der Menschheit. Wenn Südtirol auch als Weinland gepriesen wird, so hat das Land doch auch eine stolze Brauereigeschichte.

Von: Claudia Bachmann, Rai Südtirol

Stand: 20.08.2017 | Archiv

Glas mit Bier | Bild: BR

Auch in Südtirol hat sich über Jahrhunderte hinweg eine Bierkultur entwickelt: Im späten 19. Jahrhundert hat das Bierbrauen seine Blütezeit erfahren. Im ganzen Land haben zahlreiche Brauereien den alkoholischen Gerstensaft hergestellt und damit dem Brauwesen eine traditionsreiche Geschichte beschert.

Rohstoffe im Land

Erntezeit im Hochpustertal: Seit der Aussaat sind rund 120 Tagen vergangen. Nun sind die Körner reif und können gedroschen werden. Die Gerste ist ein bedeutender Rohstoff zur Bierherstellung. Aus ihr wird später das sogenannte Malz erzeugt, das dem Bier Farbe und Geschmack verleiht. Das Pustertal bietet gute Voraussetzungen, um Gerste anzubauen, und so wundert es nicht, dass das Südtiroler Brauereiwesen dort auch seine Wurzeln hat.

Entlang der Rienz etwa findet sich noch heute Hopfen, ein weiterer Rohstoff, der im Pustertal zur Verfügung stand. Meist wurde er von den Brauern selbst angebaut. Das Wasser, also die dritte entscheidende Zutat, die es zum Brauen braucht, denn Bier besteht zu rund 90 Prozent aus Wasser.

"Das Wasser muss eine gewisse Qualität haben: es darf nicht zu hart sein, es darf auch nicht zu weich sein. Der PH-Wert vom Wasser sollte in einem passenden Rahmen sein, sonst wird das Bier entweder zu kratzig, zu bitter oder es gibt keine Farbe, ganz hell. Und nachdem man die drei Zutaten zusammen vereint hat, gibt man nachher die Hefe dazu, die dann eben die Arbeit leistet und Alkohol und Kohlensäure ausscheidet neben anderen aromatischen Gärnebenprodukten, die den eigenen Geschmack vom Bier ausmachen."

Medea Tappeiner, Biersommelière

Südtiroler Biergeschichte

Medea Tappeiner

In Südtirol wurde bereits um das Jahr 990 Bier gebraut. Erste urkundliche Erwähnungen führen uns in das heutige Pusterer Dorf Olang: Ein Bauer musste nämlich als Zehntabgabe neben Wein auch Bier abtreten. Auch in Bruneck, in der sogenannten Hintergasse, soll bereits Anfang des 16. Jahrhunderts Bier hergestellt worden sein.

Bruneck

Im 18. Jahrhundert wurde der Grundstein für eine der bedeutendsten Wirtshausbrauereien des Pustertals gelegt. Noch heute sind deren Spuren in der Brunecker Stadtgasse zu sehen. Dort eröffnet der bayrische Braumeister Johann Kirchberger 1723 das Kirchbergerbräu.

Das Wirtshauswesen erfährt vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen kräftigen Aufschwung. Zu dieser Zeit zieht es eine weitere Brauereifamilie nach Bruneck: Schräg gegenüber vom Kirchbergerhaus eröffnet Johann Stemberger aus Osttirol das Gasthaus "Zur Sonne" mit einer eigenen Brauerei.

Ein bedeutsames Datum für beide Familien ist jedoch das Jahr 1849: Die Tochter des Kirchberger-Wirtes heiratet den benachbarten Brauerdsohn Josef Stemberger. Somit wird aus der Brauerei Kirchberger die Brauerei Kirchberger-Stemberger. Und das Wirtshaus erlebt schließlich seine Blütezeit. Das Bier der Brauerei Kirchberger-Stemberger wurde in verschiedenen Lokalen in Bruneck ausgeschenkt. Ein beliebter Treffpunkt zur damaligen Zeit war auch der Schankgarten "Bierkeller" an der ehemaligen Reischacher Straße. Die unterirdischen Kellerräume, die zum Schankgarten dazugehörten, sind bis heute erhalten geblieben, wenn sie mittlerweile auch leer stehen.

Auf den Spuren der Vergangenheit: Max, Hans und Thomas Stemberger sind Nachfahren der einstigen Brauereifamilie. Der "Bierkeller" lag an einer günstigen Ausflugsstrecke am Reischacher Bach – und ein kühles Bier nach so manchem Spaziergang mag wohl verlockend gewesen sein.

"Vorne ist eine Gaststube gewesen und der große Garten, wo das Bier ausgeschenkt wurde. Und der Garten ist sehr gut besucht worden, weil man da sehr schön sitzen konnte. Damals waren da keine Häuser in der Umgebung und da sind immer sehr viele Gäste gewesen, die Bier getrunken haben."

Max Stemberger

Nicht nur der "Bierkeller", sondern die Gaststuben an sich waren damals beliebte Orte des Zusammenkommens. Sie waren Treffpunkte und boten Raum für Veranstaltungen.

Ein Handwerk mit festen Vorschriften

Auch heute wird im Pustertal wieder Bier gebraut. Das Brauen ist dabei ein Prozess, der einiges an Zeit in Anspruch nimmt. Alles beginnt mit dem sogenannten Maischen, indem geschrotetes Malz mit Wasser vermischt wird. Wer sich mit der Bierherstellung beschäftigt, befasst sich auch mit dem "Deutschen Reinheitsgebot": 1516 wurde diese Vorschrift erlassen. Sie besagt, dass deutsche Brauer nur Gerstenmalz, Hopfen und Wasser – später dann auch Hefe – verwenden dürfen. Doch gerade alte Bierrezepte zeugen davon, dass sich Brauer allein darauf nicht verlassen haben.

Maximilian Ried

Das Grundhandwerk ist noch immer dasselbe, doch erleichtert der technische Fortschritt Vieles. Heute sind die biochemischen Prozesse des Brauens bekannt. Themen wie Hygiene und Qualität sind umso wichtiger geworden:

"Freilich haben die Brauer damals nicht die technischen Möglichkeiten gehabt wie wir heute. Da ist noch alles von Hand geschrubbt worden und hat dann wahrscheinlich auch mit der Laune vom Brauer zu tun gehabt, wie sauber das wird oder wie es nicht sauber wird. Dann hat man natürlich auch nicht die Chemikalien gehabt wie heutzutage. Aber man muss auch sagen: Zur damaligen Zeit ist das Bier nicht so lange verkauft worden; das Bier hat keine lange Haltbarkeit gehabt. Man hat ein Bier immer so frisch wie möglich getrunken. Und es ist nicht so wie heute: damals hat ein Bier noch nicht ein Jahr lang haltbar sein müssen. Nach ein, zwei Wochen war das Bier weg. Von daher hat die Hygiene sicher nicht den heutigen Standards entsprochen. Aber es hat sicher gut trinkbare Biere gegeben, die man auch ohne Gefahr zu sich nehmen konnte."

Maximilian Ried, Braumeister

Peter Harrasser

Ruinen zeugen von einer ehemaligen glanzvollen Zeit. In Toblach im Hochpustertal erfuhr eine Brauerei Ende des 19. Jahrhunderts großes Ansehen, nämlich die Brauerei Harrasser:

"An der Rienz in Toblach ist der Standort, wo die Brauerei steht. Weil die Rienz dort vorbeigeht, das Wasser ist ja wichtig für die Brauerei und die Wasserkraft ist auch genutzt worden als Energielieferant, als kleines E-Werk."

Peter Harrasser

Gegründet wurde die Brauerei ursprünglich von einem Bierbrauer aus Windisch-Matrei, wurde 1867 aber vom Spediteur Johann Harrasser übernommen.

Moderne Bierwirtschaft

"Auf diesem Plakat aus dem Jahre 1910 sieht man die Brauerei der Geschwister in Rienz-Toblach in ihrer Blütezeit nach den getätigten Umbauten und Modernisierungsarbeiten. Das Zentrum ist das neue Sudhaus. Und dieses Sudhaus ermöglichte die Produktion von zirka 60.000 Hektoliter Bier pro Jahr. Außerdem ist wichtig: Die Nutzung der Wasserkraft der Rienz, die Verbindung zur Eisenbahn, sogar mit eigenen Wagons für die Brauerei. Und es wurde auch mit einer Art neuer LKWs – für diese Zeit sicher sehr neu – ausgeliefert."

Manfred Harrasser

Das Toblacher Bier war auch weit außerhalb des Landes erhältlich. Günstige Geschäftsbeziehungen und die Pustertaler Bahn förderten den Export – und so konnte der Absatzmarkt stetig erweitert werden. Das Harrasser-Bier wurde schließlich auch ausgezeichnet.

Ende der Brauereien

Für die größeren Brauereien im Land folgten schwere Zeiten. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg hat sich die Wirtschaftslage bereits verschlechtert. Missernten etwa haben dazu beigetragen, dass weniger produziert werden konnte. Mit dem Ausbruch des Krieges schließlich mussten viele Betriebe ihre Tore schließen. Auch die einst so erfolgreiche Wirtshausfamilie Kirchberger-Stemberger musste ihren Brauereibetrieb einstellen. Die Gaststätte wurde noch einige Jahre fortgeführt, doch konnte sie an die glorreichen Zeiten vor dem Krieg nicht mehr anknüpfen.

Auch für die Brauerei Harrasser bedeutete der Erste Weltkrieg ein plötzliches Ende:

"Mit dem Kriegseintritt Italiens 1915 im Mai wurde die Brauerei bald beschossen. Das Ziel war die Eisenbahn, die Pustertaler Bahn zu beschießen. Und die italienische Artillerie hat damals schon im Juni 1915 in Toblach mehrere Hotels und unter anderem auch die Brauerei beschossen."

Manfred Harrasser

Mittlerweile erlebt die Südtiroler Brauereiwirtschaft eine Renaissance; Bierbrauen ist wieder Kult. Dabei sind der Vielfalt keine Grenzen gesetzt. Experimentierfreudig lassen sich die Brauer von verschiedensten Geschmacksrichtungen inspirieren.


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