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ADA-Spezial Die einst verbotene Insel Vis

Zu Zeiten des Kalten Krieges war sie militärisches Sperrgebiet. Auf nur 90 Quadratkilometern befand sich ein Netz von 30 Militärobjekten. Erst seit 1989 ist die kroatische Insel Vis wieder für jedermann zugänglich.

Von: Sanja Pražen

Stand: 06.08.2017 | Archiv

Komiza | Bild: BR

Nach nur zweieinhalb Stunden Schiffsfahrt von Split aus, erreicht man Vis und kann die Insel erforschen: 45 Kilometer vom Festland gelegen, ist Vis die am weitesten vom Festland entfernte bewohnte Insel Kroatiens. Als im vierten Jahrhundert vor Christus die Griechen die Insel besiedelten, gaben sie ihr den Namen Issa. Von hier zogen die Griechen weiter und gründeten auf anderen Inseln und in Dalmatien ihre Kolonien. Die Römer nannten die Insel Lissa und bauten auf ihr eine angesehene und wohlhabende Stadt. Kroaten siedelten sich erst im siebten Jahrhundert hier an. Im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Herrscher: Venezianer, Österreicher, Franzosen, Engländer, Italiener.

Vis wird Festung

Nach dem Niedergang Mussolinis kamen die Partisanen und ihre Verbündeten. Dieses Ereignis hat die Zukunft von Vis bestimmt. Mit Hilfe von Engländern begann die Befestigung der Insel. Tito erklärte Vis zur größten Festung der Adria. Und tatsächlich, Vis wurde auch von Hitlers Armee nie besetzt. Wegen der militärischen Bedeutung war es bis zum Zerfall Jugoslawiens für Ausländer verboten, nach Vis zu kommen.

Die Jugoslawische Volksarmee verließ Vis erst einige Monate, nachdem die internationale Gemeinschaft die Unabhängigkeit der Republik Kroatien anerkannt hatte. Und dann wurden alle militärischen Geheimnisse dieser Insel gelüftet: Auf lediglich 90 Quadratkilometern waren mehr als 30 militärische Objekte, ein Tunnel für Schiffe und ein unterirdisches Krankenhaus errichtet worden. Im Landesinneren waren 34 Kilometer lange unterirdische Gänge angelegt worden. Die Militärobjekte sind mit 80.000 Betonpfeilern und Unmengen von Stacheldraht umgeben.

Konversion – aus Militärischem wird Touristisches

Darko Mladineo

Nach der Öffnung der Insel haben die jungen Tourismusfachleute diese militärischen Anlagen genutzt und bieten sie seither den Besuchern als interessante Sehenswürdigkeit an.

"Touristen hat es schon immer auf Vis gegeben, jedoch durften ausländische Gäste in der Zeit Jugoslawiens die Insel nicht besuchen. Jugoslawien hatte damals 22 Millionen Staatsbürger und einige davon haben die Insel besucht. Sie wurden bewirtet, haben gegessen und getrunken und Feste gefeiert. Schlecht war es damals auch nicht."

Darko Mladineo, Gastwirt und Bauer

In der Hauptsaison im Jahre 1965 hat es auf Vis so ausgesehen.

"Damals war hier die jugoslawische Armee mit etwa 3500 Mann. Das bedeutet, ein Soldat je Einwohner. Überlegen Sie nur, wieviel 3500 Soldaten an Essen und Trinken benötigen! Es gab damals zwar nicht viel Arbeit, aber es reichte. Auch Hotels waren in Betrieb. Die Soldaten erhielten zu feierlichen Anlässen wie Geburtstage, Verlobungen Besuch von Freunden und Verwandten. Also, damals gab es bereits Fremdenverkehr, aber eben nicht in der heutigen Form. Damals gab es keinen Wassersporttourismus, keine Ferienwohnungen so wie heute. Die Hotels waren aber in Betrieb und ausgelastet."

Darko Mladineo

Verfall der Anlagen

Weinkeller von Antonio Lipanović

Nach dem Abzug der Armee verfielen die verlassenen Quartiere. Man hätte sie vielleicht besser nützen können, aber dazu ist es vielleicht noch nicht zu spät.

"Hier waren Aggregate. Da haben die Zivilisten gearbeitet und das Militär hat von außen das Objekt bewacht. Von hier aus wurde Vis mit Strom versorgt. Als wir im Jahre 1998 gekommen sind, war hier alles verfallen, buchstäblich ausgeraubt. Wir haben alle Hände voll zu tun gehabt. Mein Vater und ich haben drei, vier Monate lang hart gearbeitet, um das Gebäude in einen brauchbaren Zustand zu bringen. Und dann wurden 1998 die ersten Weintrauben zur Verarbeitung gebracht. Dieser Raum ist ideal. Temperatur und Feuchtigkeit sind konstant, was für die Produktion ideal ist. Im Jahre 1998 erhielten wir von der Stadt Vis eine Konzession für die Dauer von 20 Jahren. Vis hat keine großen Möglichkeiten geboten. Man war entweder Fischer oder Bauer. Da wir keine Fischer sind, blieben uns Felder und Weingärten. Der Name unserer Familie scheint erstmals 1589 urkundlich auf, und seit damals betreiben wir Weinbau."

Antonio Lipanović, Winzer

Vis und die Geschichte

Genau auf dieser Seite der Insel wurde im Jahre 1866 die legendäre Seeschlacht von Lissa ausgetragen, in welcher der österreichische Admiral Tegetthof die überlegene italienische Flotte besiegte und die Panzerfregatte "Rè d'Italia" versenkte. Ihr Mast wurde in Nebojšas Bucht Perna, angeschwemmt und dient als Balken in einem Haus in Komiža.

Die Österreichisch-Ungarische Monarchie förderte damals auf der Insel den Anbau von Johannisbrot. Es ist nicht nur für die Verdauung sehr nützlich, sondern auch sehr nahrhaft und wertvoll. In den Kriegs- und Hungerszeiten hat es immer wieder Einwohner und Soldaten vor einer Hungersnot gerettet. Von Beginn an war der Anbau von Johannisbäumen in Komiža, neben der Fischerei und dem Weinbau, der Haupterwerbszweig.

Notwendige Landwirtschaft

Der größte Schatz der Insel sind die Felder, die sich von Vis bis Komiža erstrecken. Die Briten haben im Zweiten Weltkrieg hier eine Landepiste gebaut. Nach dem Krieg haben die Einwohner von Vis die Piste wieder in eine landwirtschaftlich genutzte Fläche umgewandelt, denn egal wer auf der Insel herrscht, die Landwirtschaft bedeutet Leben für die Inselbewohner.

"Auf Vis hat es immer ziemlich viele Feigenbäume gegeben. Da aber überall Weinreben gepflanzt wurden, pflanzte man Feigenbäume an den Rändern der Weingärten. Jede Familie besaß einige Feigenbäume. Alle machten Hib, eine Art Feigenbrot, und haben Feigen getrocknet. Da jedoch die Weingärten immer weniger wurden, gab es auch immer weniger Feigenbäume. Die Kunst der Herstellung von Hib blieb jedoch erhalten. Auch ich habe vor einigen Jahren beschlossen, mit der kommerziellen Produktion zu beginnen und habe diese Anpflanzung angelegt. Das ist die erste Öko-Anpflanzung nicht nur auf Vis, sondern auch auf den anderen Inseln."

Velimir Mratinić, Feigenbauer

Die alten Terrassen, auf denen Jahrhunderte lang Weinreben kultiviert wurden, sind wundervoll. Weingärten gibt es hier zwar keine mehr, weil es auch die alten knorrigen Hände nicht mehr gibt, die sie gepflegt haben, aber die Terrassen werden nach wie vor gepflegt, damit sie nicht von der Macchia überwuchert werden.

Topziel für Touristen

Anfang Juli beginnt in Kroatien die Fremdenverkehrssaison. In Vis und Komiža sind schon alle Bootsliegeplätze besetzt. Die Schifffahrer belagern Vis regelrecht. Nach Beendigung des Kroatienkrieges, als Vis auch für ausländische Gäste zugänglich wurde, kamen zahlreiche Touristen aus allen Himmelsrichtungen. Der gute Ruf der Insel, die dank der ein halbes Jahrhundert dauernden Isolation rein und unberührt blieb, verbreitete sich schnell. Die internationale Umweltschutzorganisation reihte Vis unter die zehn am besten erhaltenen Mittelmeerinseln.

Was geblieben ist, sind die Fische. Hier ist auch die Fischabnahmestelle für diesen Teil der Adria. Was sich in den Netzen verfängt und von den Fischern nicht zu verwerten ist, wie Katzenhaie, wird der Schülergenossenschaft geschenkt. Dort werden auch diese Fische gesalzen, gereinigt und getrocknet. Früher aß man zu besonderen Fastenzeiten keinen Stockfisch, sondern Fische minderer Qualität, die jedoch durch Trocknung veredelt wurden. Die Nachkommen der besten Fischer der Welt, haben diese Tradition wieder aufleben lassen.

Rund um Vis liegen einige kleine nichtbesiedelte Inseln. Eine davon ist Veliki Budikovac, die allerdings vor einigen Jahren einen ständigen Bewohner erhalten hat: Der Seefahrtskapitän Andro verkaufte all seine Immobilien in der Stadt Vis und flüchtete auf die kleine Insel! Hier kann er das Leben genießen, wobei aber seine Ruhe in den Sommermonaten von den zahlreichen nautischen Touristen gestört wird, die in einer der schönsten und ruhigsten Lagunen vor Anker gehen. Alles was er zum Leben braucht, züchtet oder fischt er selbst.

Die ökologischen Erzeugnisse der Insel sind die schönsten und wohlschmeckendsten Reiseandenken, die man von der Insel Vis mitnehmen kann. Vis ist eine Insel mit zahlreichen Schätzen. Diese Schätze sind das Meer, die Erde und die Menschen, die sich darum kümmern, so wie es bereits ihre Vorfahren jahrhundertelang getan haben.


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