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Alpen-Donau-Adria-Spezial Die Vinschgaubahn

Eine neue Ära bricht an: Die Strecke der Vinschgaubahn von Meran nach Mals wird in den nächsten Jahren elektrifiziert. Das Vorhaben soll mehr als 66 Millionen Euro kosten.

Von: Andreas Niederkofler, Rai Südtirol

Stand: 12.08.2018 | Archiv

Ein Regionalzug der Vinschger - Bahn faehrt bei Latsch( Laces ) im mittleren Vinschgau durch Obstplantagen | Bild: picture-alliance/dpa

Die neue Ära der Bahnstrecke begann am 5. Mai 2005: Da endlich wieder rollte nach der Stilllegung der Strecke im Jahre 1990 der erste Zug durch den Vinschgau. Das Land Südtirol hatte seit Ende der 90er Jahre schon die Tunnel, Bahnhöfe, Brücken und Gleisanlagen saniert und alles auf den modernsten Stand gebracht, auch die Leitstelle. Von hier aus werden alle Züge gesteuert, alle Signale, alle Ampeln an allen Schranken, die Schranken selbst.

Bei der Leitstelle hat Streckenmeister Michael Tröger die periodisch vorgeschriebene Begehung eines Streckenabschnittes vom Bahnhof Tschars aus für sich und seinen Kollegen Matthias Illmer gemeldet. Besondere Vorsicht ist in den engen Kurven und auf Brücken geboten! Nur auf den Radius rund ums Gleisbett ist der Blick der Männer gerichtet. In vielen Ländern ist der Beruf des Streckenwärters inzwischen ausgestorben.

18 Bahnhöfe auf 60 Kilometern

Zwischen Meran und Mals gibt es insgesamt 18 Bahnhöfe – und das auf nur gut 60 Kilometern. Die Gemeinden haben zusammen mit dem Landesdenkmalamt die Renovierungen der Bahnhofsgebäude in Eigenregie übernommen; die STA, die Südtiroler Transportstrukturen-AG als Betreiberin der Bahnstrecke errichtete nur die für den Bahnbetrieb notwendigen Haltestellendächer und Bahnsteige.

Alle 15.000 Kilometer durchlaufen die Züge ein genau vorgeschriebenes Untersuchungsprogramm. Bei der Jahreskontrolle dann werden alle Module des jeweiligen Zuges auf "Herz und Nieren" geprüft und nach Bedarf ausgetauscht. Selbstverständlich werden nicht nur die Räder genauestens untersucht: Alle Funktionen der Steuerungs-, Regelungs- und Sicherheitsapparate, die elektrische und pneumatische Anlage und alle mechanischen Baugruppen kommen hinzu.

Wartung im laufenden Betrieb

Alle Fristkontrollen, alle Revisionen und auch alle Reparaturen müssen bei laufendem Zugbetrieb und bei Einhaltung des Fahrplanes absolviert werden. Die Kunst dabei ist, dass die Fahrgäste nicht durch Zugausfälle merken, dass ein Zug in der Werkstatt überholt wird.
Viele der "Flirt"-Züge der Vinschger Bahn sind schon so um die eineinhalb Millionen Kilometer durch den Vinschgau gerollt. Damit wäre fast jeder Zug schon zwei Mal zum Mond und wieder zurück gefahren. Bleiben wir also im Vinschgau, den jeder Zug bisher so um die 25.000 Mal durchquerte.

Menschen auf die Bahn bringen

Oberstes Ziel der Verkehrsplaner ist es, noch mehr Menschen von der Straße auf die Schiene zu bringen. Dazu aber müssen die Frequenz der Züge erhöht - und Direktverbindungen von Mals nach Bozen geschaffen werden. Die beliebten "Flirt"-Züge werden von Diesel- auf Elektroantrieb umgebaut! Die Schweizer Traditionsfirma Stadler liefert ihre Highspeed-, Intercity- und Regionalzüge in 28 Länder aus! Vom "Flirt", dem Flinken Leichten Innovativen Regionalen Triebzug, fahren 1400 Stück schon durch die USA, durch Spanien, die Niederlande, Norwegen, Algerien, Polen, Tschechien, auch Deutschland – und natürlich auch durch Italien.

Im März 2015 orderten die STA, die Südtiroler Transportstrukturen-AG, und Trenitalia sieben Niederflur-FLIRTs von Stadler. Diese Züge mussten für die speziellen Anforderungen des grenzüberschreitenden Verkehrs zwischen Italien und Österreich gebaut werden – mit Gleichstrom-und zusätzlicher Wechselstromtechnologie, die das Fahren in Österreich erfordert, denn in Europa gibt es bisher kein einheitliches Bahnstromsystem.

Dem Strom gehört die Zukunft

Auf den Strecken Meran-Bozen, Bozen-Trient und im Pustertal sind insgesamt 18 strombetriebene Flirts unterwegs. 2019 dann sollen sie auch auf Vinschger Linie von Mals bis Bozen fahren! Für die Fahrgäste wird es in Zukunft viel bequemer sein zu reisen, entfällt doch das lästige Umsteigen in Meran. Aber auch in die Sicherheit wird investiert, denn die hat höchste Priorität! Das moderne System für Management und Steuerung des Eisenbahnverkehrs auf den Strecken der Transeuropäischen Netze ERTMS wird installiert. Das macht es zukünftig möglich, auch im Regionalverkehr grenzüberschreitend durch den Brenner Basis Tunnel zu fahren!

Das Unglück von 2010

Ein Gedenkstein erinnert an die Opfer des schweren Zugunglücks vom 12. April 2010. Zwischen Latsch und Kastelbell drückten Schlamm- und Gesteinsmassen den 108er-Zug der Vinschgerbahn kurz vor neun Uhr in der engen Schlucht von den Schienen. Neun Menschen verloren ihr Leben. Viele Jahre ist das her... Die Strecke ist repariert, der Berghang wurde gesichert... Die Trauer aber um die Opfer des Unglücks ist allgegenwärtig. Über diesen "Schwarzen Freitag" im Vinschgau möchte keiner der Männer reden – Schweigen als Ehrerbietung für die Toten.

Mit der Elektrifizierung der Strecke werden 1500 Masten für die Oberleitung aufgestellt und ein Gleisabschnitt wird begradigt. Hinzu kommen noch eine ganze Reihe technischer Arbeiten wie etwa an den Kreuzungsstellen oder am Signalsystem. An einigen Bahnhöfen werden Unterführungen errichtet.

Große und kleine Reinigung

Bevor ein Lokführer den Zug übernimmt und nach Meran zurückfährt, putzt Brigitte Gutgsell durch den Zug. Nur das Gröbste wird in der "Rushhour-Zeit" gesäubert. Die Großinnenreinigung von jedem Zug erfolgt nach der letzten Fahrt in der Nacht. Da werden dann gründlich die Toiletten gereinigt und die Polster der Sitze und die Ablagen und die Fenster, denn auch optisch soll der Zug in Bestform sein, bei jedem Wetter!

Philipp Christandl ist unter anderem für die Außenreinigung der Züge zuständig. Nach Plan fährt heute der Null Null Einser in die „Waschmaschine“ für Züge. Die funktioniert so ähnlich wie eine Autowaschanlage, nur gibt es hier 16 Aggregate, die den Zug sauber schrubben und ihn mit einem Kilometer in der Stunde durch die Anlage bewegen. Die Frontwäsche mit oder ohne Shampoo, die Seitenwäsche mit stationären Seitenwalzen, die Heckwäsche mit oder ohne Shampoo, jeweils das Nachspülen mit Brauch-und Frischwasser.

Bahnland Südtirol

Dass im Durchschnitt jeder Südtiroler fast 20 Mal im Jahr Bahn gefahren ist, ist auch ein Verdienst von Davide Garbellini, dem Fahrdienstleiter, und seiner aufmerksamen Kollegen in der Leitstelle. Die sorgen nämlich, ähnlich wie die Fluglotsen im Tower, für einen sicheren Ablauf im gesamten Streckennetz.

Seit dem ersten Zug, der durch den Vinschgau fuhr, sind inzwischen über 110 Jahre vergangen. Mehrere Studien zur Verlängerung der Bahntrasse in die Schweiz werden seit Jahren diskutiert.

Zwischen kalten Winternächten und sehr heißen Sommertagen kann die Schienentemperatur zwischen minus 20 Grad Celsius und plus 65 Grad Celsius variieren. Das verschweißte Gleis will sich natürlich bei hohen Temperaturen ausbreiten wie ein gedehntes Gummi, wird aber durch die Bettung, die Schwellen, den Schotter, die Schraufen daran gehindert. Der unerwünschte Längenzuwachs also wird durch die Messung nachgewiesen. Für die Wartung der Gleise werden pro Jahr 3,4 Millionen Euro Plus Mehrwertsteuer ausgegeben.

Bis Ende 2019 soll die Elektrifizierung abgeschlossen sein. Am Ende der Bauarbeiten werden dann die Elektrobetriebenen „Flirts“ viel öfter und schneller und umweltschonender fahren. Das freut die Fahrgäste – und die Vinschger Bahn.


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A. Deutschmann, Sonntag, 12.August 2018, 14:15 Uhr

1. Vinschgauerbahn

Die Elektrifizierung dieser Strecke ist ein unbedingtes Muss, da 1. das Geld in Südtirol gut angelegt ist und nicht wie im übrigen Italien im Morast der Korruption versinkt und 2. der Tourismus dieses Geld wieder einspielt. Es lebe das Südtirol (nicht Alto Adige).