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Fasching in Dalmatien Die traditionelle Zeremonie der Insel Lastovo

Die Faschingsbräuche auf der Insel Lastovo in Süddalmatien sind auf der ganzen Welt einzigartig. Sie sind für die Einwohner schon fast heilig, gehören zu ihren größten Schätzen. Deshalb bereiten sie sich auch mit enormer Ernsthaftigkeit und Leidenschaft bereits einen Monat vor dem Faschingsdienstag darauf vor.

Von: Nebojša Stijačić

Stand: 26.02.2017 | Archiv

Puppe | Bild: BR

Lastovo ist eine dalmatinische Insel, auf der sich vor vielen Jahrhunderten etwas erstaunliches zugetragen haben soll: Piraten wollten die Insel plündern. Doch Gott allein habe die Inselbewohner gerettet, glauben sie heute noch. Dieses Wunder von Lastovo wird jedes Jahr gefeiert zur Faschingszeit – zur Poklad-Zeit, wie sie es nennen.

Faschingsmontag in der Früh. Die Männer ziehen zu den Olivenhainen am Rande des Dorfs. Denn dort finden sie die geeignete Erde, um damit eine Puppe, eine Poklad-Puppe herzurichten. Diese wird die Hauptrolle spielen beim Faschingsfest auf Lastovo. Dann machen sich die Männer auf den Weg zum Schneider und singen sie das Lied: "Eine kleine Truppe zog in den Kampf."

Antun Karlović

In diesem Koffer befindet sich die Kleidung für die Puppe. Jetzt geht der Schneider mit den anderen in die Dorfhalle, um die Puppe dort fürs Faschingsfest zu gestalten. Begleitet von den Männern, die das nötige Zubehör singend transportieren.

"Es gibt so viele verschiedene Sachen, die an den Poklad-Tagen und in den Wochen vorher bis zum Aschermittwoch bei uns passieren. Jeden Tag finden hier Veranstaltungen statt, an denen die Bewohner von Lastovo auch mitwirken. Was hier geschieht, nannte ein Dichter aus Dubrovnik mal ein 'heldenhaftes komisches Drama'."

Antun Karlović, Vorsitzender Poklad-Verein Lastovo

In der Dorfhalle. Hier werden dann zunächst Einwohner benötigt, die sich mit der Herstellung von Faschingsbomben auskennen. Denn ohne Bomben wäre eine Faschingsfeier hier unvorstellbar. Schießpulver in Alufolie füllen, in Packpapier einhüllen. Das ganze versehen sie dann anschließend mit Dochten, auch wenn sie unterschiedlich lang sind. Beim Fasching auf Lastovo gibt es für Dochte keine Normlänge.

Ständig spielt dabei die Leier bis zum Mittagessen. Heute haben die Spieler eine Verstärkeranlage aufgebaut und die Lautsprecher vor die Halle gestellt. So sorgen sie dafür, dass das ganze Dorf das Spielen mithören kann.

Joško Ćaleta

Denn was auch immer geschieht in den Faschingstagen: Die Leier spielt ständig, bei allen Vorbereitungen - immer.

"Was die Musik betrifft, ist sie sehr intensiv in dieser Zeit. Viele sagen, wenn sie den Ton der Leier hören, werden sie verrückt – und das stimmt auch. In diesen Tagen ist die Leier immer präsent, bei allen Sitzungen und Veranstaltungen, die Leier bestimmt alles. Dann gibt es auch noch den Gesang der Männern. Die singen dann Texte aus dem 19. Jahrhundert, die sie alle auswendig können. Sie wissen die Texte von langen Gedichten – was eine Kuriosität ist im Zeitalter der Computer. So wird an eine Tradition erinnert und diese auch an andere vermittelt."

Joško Ćaleta, Ethnologe

Gerade die Jüngeren lieben es, beim Faschingsfest, wo sie nur können, mitzuwirken. Während nebenan weiter Bomben gebaut werden, kümmern sich der Faschingsmeister und seine Gehilfen darum, aus Stroh und Erde die Poklad-Puppe zu formen.

"Die Puppe ist fertig" - das wissen alle Inselbewohner, wenn sie das Knallen der Bombe hören. Jetzt ist es Zeit fürs Mittagessen. Zu diesem Anlass gibt es wie immer Pasta mit Fleischsauce.

Am Nachmittag versammeln sich verkleidete Gruppen. Ihr Ziel: Eier sammeln. Die sogenannten "hässlichen Masken" tragen alte Kleidung, ihre Gesichter sind schwarz oder mit Lippenstift geschminkt. Lächerlich und hässlich sollen ihre Kostüme erscheinen, um sich von den "schönen Masken" zu unterscheiden, die am Faschingsdienstag durchs Dorf gehen werden. Auch Neulinge nehmen Teil an der Parade. Manche kommen von weit angereist nach Lastovo, nur um beim Poklad dabei zu sein.

"Leider leben die meisten unserer Kinder heute im Ausland. Wirtschaftlich betrachtet ist es schwer, auf Lastovo Arbeit zu finden. Und darum sind unsere Kinder inzwischen in allen Erdteilen verteilt. Doch während des Faschings sind 90 Prozent von ihnen wieder hier und sie helfen somit, dieses kulturelle Ereignis zu bewahren. Sie basteln Kostüme, sie tanzen, sie kaufen Eier. Das ist ein Teil ihrer Identität, ohne sie wäre das gar nicht möglich."

Antun Karlović, Vorsitzender Poklad-Verein Lastovo

So ziehen die Männer durchs Dorf, um Eier zu sammeln. Die werden dann mit heim genommen und zwei Tage später gegessen – am Aschermittwoch.

Faschingsdienstag ist angebrochen. Die Männer brechen auf um das Seil aufzuspannen, an dem die Poklad-Puppe vom Hügel ins Dorf rutschen soll. Alte wie Junge arbeiten hier zusammen – verbunden durch ein 300 Meter langes Seil. Das soll erst auf dem Gipfel des Hügels befestigt werden. Und auch dieser Hügel trägt einen Name, der eng mit dem Fasching auf Lastovo verbunden ist: Pokladova grža.

Dann am Faschingsdienstag um Punkt elf Uhr treffen sich die "schönen Masken" auf dem Dorfplatz. Diese Gruppe besteht ausschließlich aus Frauen, die immer als Paar erscheinen: Freundinnen oder Verwandte, die gleich gekleidet sind. Jedes Paar gestaltet ihre Kleider selbst - nur für diesen einen Faschingsdienstag. Um ein Uhr kommt dann die Faschingsgruppe der Männer, Pokladari genannt, am Rathaus an. Nun bitten sie den Bürgermeister, die Puppe am Seil ins Tal rutschen und anschließend verbrennen zu dürfen.

Die "schönen Masken" führen ihren Tanz vor dem Rathaus auf, bevor sie den Pokladari, den Männern, folgen, denn auf Lastovo gibt es strenge Faschingsregeln: Wenn die ausgewählten Häuser besucht werden, dürfen sich die "schönen Masken" nicht mit den Männern treffen – bis zum späteren gemeinsamen Tanz vor der örtlichen Kirche.

Der Umzug durchs Dorf dauert bis zum frühen Nachmittag, wenn die Männer der Poklad-Puppe folgen bis zu dem Ort, von wo sie sie ins Dorf rutschen lassen werden. Das ist einer der wichtigsten Augenblicke in diesem Ritual.

Jetzt gehen auch die "schönen Masken" in Richtung Dorfplatz. Ihr Kolo, ihr Kreistanz mit Tüchern, beinhaltet nur halb so viele Figuren wie der Kreistanz der Männer, denn einige der Figuren sind ohne Schwert gar nicht tanzbar.

"Jeder Einwohner von Lastovo, sogar die kleinsten Kinder von Geburt an, leben für diesen Brauch, für diese Tradition. Sie tanzen in der Schule, erlernen das Spielen einer Leier, fertigen Kostüme an als Schneider, als Näherinnen. Sie treffen sich alle am Abend, da gibt es Gesang, Musik, das wird gelacht. So geht das bis zum Ende, bis die Puppe brennt. Alle Leute machen hier mit. Das ist der Unterschied zu anderen Faschingsfeiern. Die ganze Insel ist dann ein Theater."

Antun Karlović, Vorsitzender Poklad-Verein Lastovo

Es sind immer wieder dieselben, recht einfachen Figuren, die die Tänzerinnen und Tänzer jedes Mal aufs Neue tranceartig wiederholen – und dabei immer schneller werden… Obwohl das mit der Zeit Kräfte kostet, gibt niemand auf. Denn dafür leben sie ein ganzes Jahr lang, für diesen Moment.

Wenn die entkleidete Poklad-Puppe in Kerosin getränkt wird und angezündet wird, erreicht das Fest seinen Höhepunkt. Gefeiert wird dann bis zum nächsten Morgen, wenn die Gruppe vom Dolac-Platz zurück zur Rathaushalle geht, wo das Fest auch begann.

Am Aschermittwoch dann verstummt die Leier. Die Stadt ist friedlich. Die Maskentänzer der letzten Nacht kommen noch einmal zusammen. Sie leisten ihren Beitrag fürs Poklad-Fest und sie verzehren gekochte Eier als Symbol für ein neues Leben und als Willkommensgruß für einen neuen Frühling, der auf der Insel Lastovo nie käme, wenn hier nicht vorher ein einzigartiges Faschingsfest, wenn nicht Poklad gefeiert würde.

© HRT Kroatisches Fernsehen

Der Sendungstext als Download Format: PDF Größe: 64,03 KB


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