BR Fernsehen

ZUM TODE VON GERNOT ROLL Die andere Heimat - Chronik einer Sehnsucht

Von links: Florinchen Morsch (Philine Lembeck), Frau Niem (Barbara Philipp), Jakob Adam Simon (Jan Dieter Schneider), Großmutter Mathilde (Eva Zeidler), Johann Simon (Rüdiger Kriese), Margarethe Simon (Marita Breuer), Lena Zeitz (Melanie Fouché), Walter Zeitz (Martin Schleime), Henriette "Jettchen" Niem (Antonia Bill) und Gustav Simon (Maximilian Scheidt). | Bild: BR/ERF Edgar Reitz Filmproduktions GmbH/Nikolai Eberth

Nacht auf Donnerstag, 26.11.2020
00:20 bis 04:05 Uhr

  • Untertitel
  • Schwarz-weiß

BR Fernsehen
Deutschland 2013

Schabbach, ein Dorf im Hunsrück, in der Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Bevölkerung leidet unter bitterer Armut, Hungersnöten und Unterdrückung. Bauernsohn Jakob träumt vom fernen Brasilien. Sehr zum Verdruss des Vaters und ganz im Gegensatz zu seinem bodenständigen Bruder Gustav hat Jakob sich zu einem weltfremden Bücherwurm entwickelt, der, wie viele seiner Landsleute, von einem "gelobten Land" träumt.

Tausende aus ganz Europa sind bereits ausgewandert. Getrieben werden sie von der verzweifelten Hoffnung, dort eine bessere Zukunft vorzufinden. Wissbegierig verschlingt Jakob jedes Buch, dessen er habhaft werden kann, studiert die Sprache der brasilianischen Ureinwohner und führt ein Tagebuch, in dem er seine Träume, Ideen und Gedanken festhält. Das anmutige Jettchen und ihre Freundin Florinchen aus dem Nachbarsdorf sind fasziniert von diesem ebenso seltsamen wie sensiblen jungen Mann, der sie mit Plänen und Erzählungen über die Reise in eine fremde neue Welt in seinen Bann zieht.

Vor allem Jettchen hat es auch Jakob angetan. Doch überbordende Sehnsucht ist eine Sache, die harte Lebensrealität eine ganz andere: Krankheiten und Naturkatastrophen fordern weiter ihren Tribut, die Lage spitzt sich unaufhörlich zu. In Jakobs Familie sind etliche Todesfälle zu beklagen, seine Fantasien bleiben ihm dennoch.

Auch die noch unausgesprochene Liebe zu Jettchen tröstet ihn über manchen schweren Schicksalsschlag hinweg. Dann kehrt eines Tages Gustav aus dem Militärdienst nach Schabbach zurück - für die Familie ein Glücksfall, denn dieser erweist sich im Gegensatz zum verträumten Bruder als redlicher Anpacker, der dem geplagten Vater mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Auf einem ausgelassenen Dorffest überschlagen sich schließlich die Ereignisse - und lenken das weitere Leben aller Beteiligten in eine neue, gänzlich unerwartete Richtung.

Dem (fiktiven) Hunsrück-Dorf Schabbach hatte das deutsche Autorenfilmer-Urgestein Edgar Reitz bereits zwischen 1982 und 2004 in seiner "Heimat"-Trilogie ein eindrucksvolles Denkmal gesetzt.

Für dieses erneut äußerst ambitionierte Projekt kehrte er nach Schabbach zurück, um eine Art Vorgeschichte der bereits existierenden Erzählung zu entwerfen: Vor dem Hintergrund einer konfliktreichen Dreieckskonstellation zeichnet Reitz ein hochgradig stimmungsvolles Bild des ländlichen Alltags, der von harter Arbeit, großer Armut, schweren Rückschlägen, aber auch Zusammenhalt geprägt ist und bei dem der Matsch auf den Straßen und die Gülle in den Fässern förmlich erlebbar wird.

Die Unbill dieses Lebens und die damit einhergehende Zeit der großen Auswandererwelle gießt der 2013 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnete und für den Fremdsprachen-Oscar 2014 nominierte Film in grandiose, mit kleinen Farbeffekten dekorierte Schwarz-Weiß-Bilder von Kameramann Gernot Roll, der am 12. November 2020 in München verstorben ist. Alles in allem: ein Meisterwerk.

Der Film ist eine BR-Koproduktion und beruht auf der ebenfalls von Edgar Reitz stammenden fast 60 Stunden umfassenden Reihe "Heimat", die mit Kritikerlob und Preisen überhäuft wurde.

Besetzung

Rolle: Darsteller/Darstellerinnen:
Jakob Simon Jan Dieter Schneider
Jettchen Niem Antonia Bill
Gustav Simon Maximilian Scheidt
Margarethe Simon Marita Breuer
Johann Simon Rüdiger Kriese
Florinchen Morsch Philine Lembeck
Lena Zeitz Mèlanie Fouché
Hedwig Simon Eva Zeidler
Unkel Reinhard Paulus

Autor/Autorin: Edgar Reitz, Gert Heidenreich
Kamera: Gernot Roll
Regie: Edgar Reitz
Redaktion: Bettina Ricklefs

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