BR Fernsehen

Wann. Ein Versuch über die Zeit

Dienstag, 08.12.2020
22:30 bis 23:15 Uhr

  • Video bereits in der Mediathek verfügbar

BR Fernsehen
Deutschland 2020

Wenn wir warten, gähnt die Zeit, wenn wir glücklich sind, rast sie davon. Und der Blick auf die Uhr hilft auch nicht weiter: Kein Zeitmesser der Welt zeigt an, wie wir Zeit subjektiv wahrnehmen. Physikalisch gesehen ist eine Sekunde: 9.192.631.770 Schwingungen eines Cäsium Atoms. Nur, was klärt das? Wie lange dauert ein Augenblick und wieso fühlen wir Zeit, obwohl wir kein Sinnesorgan dafür haben?

Die Zeit ist ein Rätsel. Die einen sagen: Zeit ist das, was die Uhr anzeigt. Die anderen sagen: Zeit ist das, was du hast, wenn du die Uhr wegwirfst. Filmemacherin Angelika Kellhammer versucht in der Dokumentation "Wann. Ein Versuch über die Zeit", das große Menschheitsrätsel Zeit aus verschiedensten Perspektiven zu ergründen.
Diese unsichtbare Macht, aus der wir kommen, in der wir vergehen und innerhalb derer man zu errechnen versucht, was denn nun der physikalische Anfang von Zeit tatsächlich war.

"Die Physiker hassen die Zeit", sagt der Physiker und Astronom Harald Lesch, "denn während wir Zeiträume messen, werden wir immer älter." Wir werden von der Uhr beherrscht, dem Instrument einer globalen Hyperzeit. Sie taktet unser Leben bis in den hintersten Winkel der Privatheit. "Zeit ist Geld, das ist inzwischen ein zutiefst schuldig machendes Lebensgefühl", meint der Soziologe Hartmut Rosa. Wer einfach nur rumsitzt, der verschwendet sie und muss befürchten, verlorenzugehen im Wettbewerb.

"Wenn du es eilig hast, mach einen Umweg", sagt ein japanisches Sprichwort. Gemeint ist damit: Am meisten Zeit haben wir immer dann, wenn wir sie vergessen, die große Diktatorin unserer Tage: die Zeit. Also, was ist Zeit? Eine Dimension, eine Illusion? Sie herrscht immer über uns, nur in der Kunst hat der Mensch die Oberhand über sie: kann in ihr reisen, kann sie anhalten, beschleunigen und vergessen machen. "Die Musik erzeugt ihr eigenes Zeit-Tempo; spiegelt, dehnt und beugt die Zeit", sagt die Dirigentin Joana Mallwitz.

Wir leben in vom Gehirn erzeugten zwei bis drei Sekunden Augenblicken, in den 43 Minuten der Dokumentation vergehen also ungefähr 860 Jetzt-Momente, die sofort wieder vorbei sind. Unaufhaltsam fließt sie ab, die Zeit, ist flüchtig und gefräßig. Doch wenn wir beten, meditieren, uns konzentrieren, kurz: Wenn wir uns selbst und die Zeit vergessen, dann steht die Zeit steht still – unerklärlich und rätselhaft.

Eine große Gegenspielerin der Zeit ist die Ewigkeit. Denn wenn wir beten, meditieren, uns konzentrieren, kurz: Wenn wir uns selbst und die Zeit vergessen, dann legt die Ewigkeit ihren Arm um uns. Und die Zeit steht still – unerklärlich und rätselhaft.

In der Dokumentation "Wann. Ein Versuch über die Zeit" äußern sich Physiker Harald Lesch, die Dirigentin Joana Mallwitz, der Neurobiologe Ernst Pöppel, die Zen-Meisterin Doris Zölls, der Fotokünstler Michael Wesely und die Palliativmedizinerin Claudia Bausewein.

Autor/Autorin: Angelika Kellhammer
Redaktion: Lars Friedrich