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LIDO Goethe oder Das Glück ist immer anderswo

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Donnerstag, 10.10.2013
22:45 bis 23:30 Uhr

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Deutschland 2013

Am Epochenwechsel vom Rokoko zur Moderne war Johann Wolfgang Goethe seiner Zeit im Denken weit voraus. Wie weit, wird mitunter erst heute richtig klar. In seinem Hauptwerk "Faust" geht der Titelheld mit dem Teufel eine Wette ein, dass er nie mit dem Leben zufrieden sein wird, dass er nie "Verweile doch! Du bist so schön!" zum Augenblick sagen wird. Eben dieser "Faust" lässt sich nach Ansicht des Goethe-Forschers Michael Jaeger als Parabel lesen auf die globalisierte und beschleunigte Welt, in der die Umwelt ausgebeutet wird, die Menschen ihr ganzes Glück im Konsum suchen, immer schneller unzufrieden sind und unaufhörlich auf die Zukunft spekulieren.
Hat Goethe in Faust also die Mentalität des modernen Menschen, der ganz dem "Schneller, Höher, Weiter" verfallen ist, vorausgeahnt? Durchaus, meint Jaeger: "Goethe hat diese Welt, die sich komplett in den Dienst der modernen Produktion stellt, vorausgesehen. Ihm fehlte das Vertrauen, dass sich in diesem Prozess ein sinnvolles Geschehen verbirgt. Das macht ihn für uns heute so interessant, weil wir an einem Punkt angekommen sind, wo wir dieses Vertrauen, dass Wachstum und Fortschritt einen Sinn verwirklichen, auch verloren haben."
In seinem 45-minütigen Film "Goethe oder Das Glück ist immer anderswo" forscht Autor Meinhard Prill dieser These nach. Er spürt in Weimar dem Alltag des Universalgenies vor dem Hintergrund seiner Zeit nach und spricht unter anderem auch mit Rüdiger Safranski, der gerade eine neue Goethe-Biografie vorgelegt hat. Goethe habe eindeutig ein Bewusstsein dafür, dass je mehr man die Natur durch die Technik beherrscht, auch die Sorgen wachsen, dass etwas nicht funktionieren könnte, meint Safranski. "Der Faust, der sich in dem Moment, in dem er Deiche baut, sorgt, ist der Faust, der bereits spürt, dass mit der technisch entwickelten Gesellschaft auch die Risikogesellschaft entsteht."
Zuletzt macht sich Prill auf seiner Spurensuche dorthin auf, wo der Beschleunigungswahn heute auf die Spitze getrieben wird: an die Börse. Denn wenn Goethe heute "Faust" schreiben würde, käme er am gnadenlosen Konkurrenzkampf von Unternehmen und am computergestützten Aktienhandel im Nanosekundentakt sicher nicht vorbei. "Im hochspekulativen Bereich ist das Verweilen tödlich", erklärt Dirk Müller, bekannt als "Mister Dax" an der Börse in Goethes Geburtsstadt Frankfurt am Main. "Dann gehört man dem Teufel."

Redaktion: Daniela Weiland

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