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Aussichtswarte im Friaul Bergtour auf den Amarianutte

1070 Meter Höhe, das klingt nach wenig für einen Berggipfel, aber es kommt wie immer auf die geographischen Gegebenheiten an: 800 Höhenmeter schroff über dem Tal des Tagliamento steht der Amarianutte da wie ein Bollwerk.

Von: Georg Bayerle

Stand: 03.06.2023

Alpine Natur, Sprachkultur und Geschichte zwischen Tarvisio und Triest | Bild: BR; Georg Bayerle

Ein wilder Wanderweg führt die Rivoli Bianchi hinauf, einen Geröllstrom, der ins Flussbett des Tagliamento mündet. Gekrümmte, gnomenhafte Kiefern, ausgedorrt. Aber ein Bild dafür wie aus den bizarren Bergflanken diese Massen an Gesteinsschutt herunterfließen, die der Tagliamento dann aus den Bergen in die Ebene schwemmt. Den Gipfel, die Amarianutte, haben wir uns nach der Karte ausgesucht, weil er eben die Landschaft am Zusammenfluss der drei großen friulanischen Gebirgsflüsse dominiert: Fella, But und Tagliamento. Gabriele, ein Wanderer aus Udine, klärt den eigentümlichen Namen auf: „Amarianutte ist ein Diminutiv des größeren Berges dahinter: der Amariana. Unser Gipfel ist ein bisschen kleiner, aber direkt an dem Großen dran und das alles ist gut zu sehen.“

Wüste Felsflanke der Amariana

Die Amariana ist die Königin der Karnischen Alpen, mit einer wundervollen Madonnenstatue oben am höchsten Punkt. Der manchmal gerade fußbreite Pfad schnürt so steil über den Berghang, dass wir ab und zu die Hände brauchen. Gerade hinunter stürzt der Blick ins Flussbett des Tagliamento. Tolmezzo, die Stadt am Talausgang, liegt unter uns. Es geht über den schmalen Grat.

Die Kellerwand am Plöckenpass

Auf der anderen Seite zeigt uns die Amariana eine gewaltige, wüst zerschrundete und völlig unzugängliche Felsflanke, in der ein Dutzend Geier von ihren Felsennestern zu Erkundungsflügen losstartet. Im Norden liegt der Karnische Hauptkamm am Plöckenpass. Dort gibt es noch die Reste der Türme, über die die Römer eine Signalkette mit Feuer oder Rauch in Gang gesetzt haben, wenn von Norden die Barbaren kamen. In einer Stunde kannten sie die Neuigkeit in Aquileja am Meer. „Wir Friulaner leben zwischen Meer und Bergen, Mare e Montana. Wann immer ich einen freien Moment habe, gehe ich in die Berge“, sagt Gabriele.

Ähnlich steil, etwas weniger exponiert, steigen wir auf der anderen Seite von der kleinen Amariana wieder hinunter zum Schuttstrom der Rivoli Bianchi. Mirella gießt gerade die hübschen Blumentöpfe am Haus. Mit ihrer Höhenangst wird sie den Blick von oben nie erleben. Wir haben ein gutes Dutzend weiterer Berge gesehen, die zur Erkundung reizen. Wild, ungestüm und ziemlich einsam, soviel ist sicher.


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