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Südtirol und der Wandel im Alpentourismus Über den Versuch einer Abkehr vom Overtourism

In dieser Woche haben sich die Länder Südtirol, Trentino und Venetien auf ein nachhaltiges Mobilitätsmanagement der Dolomitenpässe geeinigt: Zukünftig sollen sie zu einer „Low Emission Zone“ werden, also zu einem Gebiet mit niedrigem Abgas- und CO2-Ausstoß. Der Fahrzeugverkehr soll halbiert und durch Fahrradverkehr und Öffentlichen Nahverkehr ersetzt werden. Das ist ein weiterer Schritt, den alpinen Massentourismus für die Natur und die Einheimischen verträglicher zu gestalten.

Author: Georg Bayerle

Published at: 21-10-2022

Dolomiten: .. soll es künftig eine "Low Emission Zone" geben, ein Gebiet mit weniger Abgas- und CO2-Austoß. | Bild: BR/Georg Bayerle

Diese Debatte hat Südtirol in diesem Sommer wie noch nie beschäftigt, auch wir haben vor einem Monat schon darüber berichtet und reflektieren jetzt den aktuellen Stand und mögliche Impulse auch für Bayern.

Die Auffahrt zu den Drei Zinnen ist dicht.

So nah ist die Politik in den italienischen Dolomitenprovinzen noch nie dem Ziel gekommen, die im Hochsommer chronisch vom Autoverkehr verstopften Dolomitenpässe zu entlasten. Auch die umstrittene Obergrenze für Hotelbetten ist durchgesetzt und der in Südtirol für den Tourismus zuständige Landesrat Arnold Schuler davon überzeugt, dass die Wende im Land durchgezogen wird. Denn, so sagt er, ein Wachstum in dieser Form, wie es in der Vergangenheit war, wird nicht mehr möglich sein, macht auch keinen Sinn und wäre kontraproduktiv. Wichtig ist nicht nur die gesunde Entwicklung des Tourismus, sondern auch die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Touristenmassen

In dieser Konsequenz könnte das Vorgehen der Südtiroler Tourismuspolitik auch als Modell für den gesamten Alpenraum dienen, urteilt Werner Bätzing, Kulturgeograph und Alpenexperte aus Bamberg. Schließlich legt dieses Tourismus-Konzept schonungslos die Situation offen, zeigt Stärken, aber auch Schwächen des Tourismus auf. Lärm, Gestank, Abfälle, Verkehrslast, hohe Kosten für Wohnungen und Grundstücke sind die großen Probleme des Tourismus, die in diesem Konzept sehr deutlich angesprochen werden. Auch für Bayern und andere Alpenregionen wünscht sich Bätzing eine derart schonungslose Bilanz des Tourismus.

Ähnlich wie in einigen Alpengegenden Bayerns zwingt inzwischen auch in Südtirol der Unmut der einheimischen Bevölkerung die Politik zum Handeln. Noch ist nicht ausgemacht, wie die Sache ausgeht, sagt Werner Bätzing und verweist auf das Problem, dass Politiker, die zur Wahl stehen, wiedergewählt werden wollen. Zudem stellt sich die Frage: Welche Lobby haben die Touristiker auf der einen Seite und die tourismuskritischen Personen auf der anderen Seite? Das ist derzeit noch offen, aber es ist gut vorstellbar, dass in Zukunft die tourismuskritischen Wähler die Überhand gewinnen und die Politiker dann reagieren müssen, ob sie wollen oder nicht.

Im Vorausblick auf den Winter kommt nun auch die Energiekrise dazu. Schon jetzt werden in verschiedenen Alpenländern Einsparungen beim Pistenbetrieb diskutiert, sei es hinsichtlich der künstlichen Beschneiung und der Beheizung von riesigen Wellness-Anlagen. Der Wintertourismus ist generell sehr energie-intensiv und bewegt sich bereits jetzt auf einem sehr hohen Preisniveau. Lässt sich das überhaupt noch anzuheben, wenn die Energiepreise extrem stark steigen? Und wie wird sich die Nachfrage entwickeln, wenn die Menschen viel weniger Geld zur Verfügung haben aufgrund von hohen Energiekosten und im Zuge der Wirtschaftskrise und Rezession? Wer fährt dann überhaupt noch in dem Maße wie bisher in den Wintersport? So zeichnet sich für den Alpentourismus eine nervöse Wintersaison ab. Orte, die sich auf energieschonende und sanfte Tourismus-Angebote konzentriert haben, könnten schlagartig im Vorteil sein.

Der Wintertourismus ist energie-intensiv.

Der Südtiroler Landesrat Arnold Schuler sieht auch bei Seilbahnen und Liften das Ende des Wachstums gekommen. Es wird, so Schuler, keine neuen Lifte mehr geben, denn auch hier ist die Kapazitätsgrenze erreicht. Südtirol soll als Tourismus-Destination attraktiv belieben, aber niemand kommt hierher in den Urlaub, um irgendwo im Stau zu stehen oder in einer Warteschlange, so das Fazit des Landesrats.

Wandern im Massenbetrieb

Die Alpenschutzkommission CIPRA Südtirol verweist allerdings auf Dutzende Ausbauprojekte, die in den Schubladen lägen. Olympia 2026 in Cortina d’Ampezzo wirft mit Ausbauprojekten zwischen dem Fleimstal und dem Antholzer Tal ebenfalls seinen Schatten voraus. Werner Bätzing, der die Entwicklung seit Jahrzehnten wissenschaftlich erforscht, fordert aber vor allem, dass die jetzigen Ansätze Südtirols auch in den anderen Alpenländern aufgenommen werden müssen. Ansonsten weichen Touristen, die entsprechenden Fun und Event suchen und das in Südtirol nicht mehr finden, in andere Alpenräume aus. Dann würde sich das Problem nur verschieben. Somit ist laut Bätzing eine alpenweite Lösung notwendig.

TV-Tipp

In einer ausführlichen Dokumentation beschäftigt sich das BR-Fernsehen am kommenden Mittwoch, 26.Oktober, um 22 Uhr mit dem Thema: „Weltnaturerbe in Gefahr? Wie Südtirol um seine Zukunft kämpft“, so der Titel.


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