Skitour zur Gottesackerscharte im Kleinwalsertal Hochwinter in den Allgäuer Alpen
Das Kleinwalsertal gilt als Schneeloch - und tatsächlich sind dort die Bedingungen für Skitouren in dieser Woche gut gewesen, vor allem abseits der beliebtesten Ziele wie zum Beispiel auf der landschaftlich besonders eindrucksvollen Route über die Gottesackerscharte auf das Plateau des Hohen Ifen.

Wir starten direkt von der Haustüre unserer Unterkunft, einem gefühlvoll renovierten alten Wälderhaus am westlichen Ufer der Breitach in Riezlern. Erst geht es die Wäldele-Loipe entlang, dann durch den Wald Richtung Toreck. Hier stoßen wir auf die Skiroute, die zur Lenkung der Tourengeher als erste im Kleinwalsertal ausgewiesen wurde. Der Jungwald am Wegesrand zeigt, dass „natürlich Skitourengehen“ hier funktioniert. Keine Spur führt durch die Schongebiete.
Dann queren wir von der beliebten Route seitwärts ins Mahdtal, steigen oberhalb am berühmten Hölloch vorbei, das der Kaplan von Riezlern im Jahr 1906 zum ersten Mal erkundet hat. Auch Frank Drechsel, der Kleinwalsertaler Skiführer war schon hier unten als das Bayerische Fernsehen eine Dokumentation über das Hölloch gedreht hat, das sich über 13 Kilometer durch das ganze Bergmassiv des Gottesackers verzweigt.
Das Thema Karst begleitet uns in Form der Kulissen der Gottesackerwände, die gezackt und bizarr das Mahdtal einrahmen, das an die Winnetou-Landschaften Kroatiens erinnert. Den vereinzelten Spuren sehen wir an, dass hier nur wenige Tourengeher aufsteigen. Die Szenerie wird jetzt zusehends wilder, wir steigen unter der schattigen Steilflanke des Torkopfs bergauf. Am Windecksattel zeigt der drei Meter mächtige, frische Abriss eines Schneepakets, dass nordostseitig immer noch Vorsicht geboten ist im beeindruckenden Gelände.
Nach Westen verebben die Bergkämme Richtung Sibratsgfäll und zum Bodensee hin, der unter einer Nebeldecke liegt. Dieses harmonische Bild strahlt viel Ruhe aus, während die Felle unter den Skiern auf der teils eisigen, teils mit mehligem Pulver bedeckten Spur unangenehm abrutschen. Ein letzter Steilhang im Schatten der überhängenden Felswände, dann stehen wir in einer versteckten Lücke in den Oberen Gottesackerwänden genau auf der Landesgrenze zwischen Bayern und Vorarlberg. Die Gottesackerscharte liegt in der Sonne, mit freiem Blick auf eine Winterwüste: Dünen aus Schnee, mit Kuppen und Kanten, Schnee wie Sand, vom Wind geformt - ein großartiger und landschaftlich einzigartiger Kontrast zu den Fichtenwäldern im Mahdtal.
Frank Drechsel kennt natürlich auch die sagenhafte Vergangenheit dieser eigenartigen Berglandschaft: Es geht um das alpenweit in verschiedensten Varianten überlieferte Motiv der fehlenden Barmherzigkeit. Einem Bettler, der den Bauern auf den fruchtbaren Äckern und Weiden um etwas Schmalz bittet, wird das Almosen verweigert. Der Bauer füllt eine Schale mit Mist, die er nur dünn mit Schmalz bestreicht. Als der Bettler merkt, dass er hinter’s Licht geführt wurde, bricht ein Unwetter los und das fruchtbare Weidegebiet wird zum Gottesacker, zu einem knochentrockenen Karstfriedhof, durch den Frank jetzt gekonnt die Spur zieht, denn wir müssen aufpassen auf die Spalten und Einsturztrichter des Plateaus, die in einem schneearmen Winter wie diesem gefährlich sind. In Schlangenlinien kurven wir um die Einsturzlöcher und Gräben. Eine Schmalzschicht hat jetzt die Sonne auf dem Schnee erzeugt, und so wird die Abfahrt überraschend fein mit Firn ganz früh im Jahr. Durchs Gottesackerloch finden wir die Ausfahrt aus dem Karstgebiet und schließen diese Landschaftsrunde über den Gottesacker hinunter ins Wäldele.