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Für Wanderer und Kletterer Die Hochebene der Pala in den Dolomiten

In der Pala-Gruppe in den Dolomiten führen legendäre Klettereien auf einige Gipfel. Aber auch alpine Wanderer fühlen sich dort wohl. Und insbesondere erschließt sich die Hochebene der Pala, wenn man zu Fuß drüber marschiert ist.

Von: Georg Bayerle

Stand: 15.06.2019 | Archiv

Die Hochebene der Pala in den Dolomiten | Bild: BR; Georg Bayerle

Geröll, Felsen, Eintönigkeit und dazwischen eine so genannte Netz-Weide. Sie ist eines der Lebewesen, die den harten Bedingungen des an dieser Stelle 2500 Meter hohen Altopiano delle Pale perfekt angepasst sind. Gegen die strammen Winde geschützt; genährt von spärlichen Sedimenten zwischen den Steinbrocken. Wie eine Felswüste, eine Mondlandschaft, sagt eine Wanderin, die eine Hüttenrunde durch die Pala macht. Aber Luciano, der einheimische Bergführer widerspricht: Viele haben gesagt, es ist wie eine Mondlandschaft. Aber es gibt hier Leben auf diesen 50 Quadratkilometern des Altopiano. Steinböcke, Gämsen, Schneehühner.

"Palaronda-Trek“ führt von Hütte zu Hütte

Die Rosettahütte auf dem Plateau

Der Name Pala selbst kommt aus dem Dialekt und bezeichnet ein Kraut, das Grün, das bis hoch zu den Wänden wächst, wo einst Vieh zur Beweidung hingetrieben wurde. Die südlichen Dolomiten sind charakterisiert durch sehr tiefe Täler und die Vegetation, die bis an die Felswände reicht. Das macht den besonderen Reiz aus, dass die Landschaft auf dem Altopiano wie der krasse Gegensatz zur lebensfreundlichen, grünen Umwelt wirkt. Und die Spuren des Lebens dadurch umso besonderer sind. Deswegen kam der Altopiano sogar zu literarischen Ehren. Der italienische Schriftsteller Dino Buzatti hat hier die Vorlage für seinen berühmten Roman „Deserto di Tartari“, die Tartarenwüste, gefunden. Es geht in diesem Roman um die Urangst des Menschen vor dem Unbekannten. Wir sind bei schönem Wetter unterwegs, aber es ist leicht, sich vorzustellen, wie es hier oben ist, wenn es neblig ist. Trotz der markierten Wege verläuft man sich dann leicht in der gleichförmigen Öde; besonders, wenn Schneereste liegen, die Wege und Zeichen verdecken. Es braucht also schon etwas Erfahrung, wenn man hier unterwegs ist. Verschiedene mehrtägige Routen führen unter dem Namen „Palaronda-Trek“ von Hütte zu Hütte. Von San Martino di Castrozza katapultiert die Rosetta-Seilbahn die Touristen gleich mitten hinein. Wer sportlicher ist, steigt die gut 1.000 Höhenmeter auf und zwar auf dem historischen Weg über den Bechi-Pass, den zwischen 1910 und 1914 ein gewisser Baron von Lesser bauen hat lassen, nur das letzte Stück blieb unvollendet, weil im August 1914 wegen des I. Weltkriegs alle jungen Männer eingezogen wurden zum Kampf in Galizien gegen Russland.

Inmitten von Dolomitenwänden: die Pradidali-Hütte

Auf dem Weg zur Hütte auf dem Plateau

Ein leichter, aber ausgesetzter Klettersteig setzt den einstigen Reitweg des Barons heute auf der schwierigeren Variante des Palaronda-Treks zur Pradidali-Hütte fort. Beeindruckend unter den gewaltigen Westwänden von Cima di Ball und Cima della Madonna. Die Hütte, die auf anderen Wegen auch leichter erreichbar ist, steht in einem Amphitheater legendärer Dolomitenwände. Heute noch ein Klassiker ist der 1950 von Hermann Buhl ersterstiegene Buhlriss in der Westwand der Cima Canali. Und fast schon schauerlich mit seinem wulstig ausgestülpten Gipfel wirkt die 1000-Meter Wandflucht des Sass Maor, die zu den größten Dolomitenwänden überhaupt zählt. Wer hier übernachtet bucht ein Schauspiel gleich mit: wenn die Abendsonne diese vertikale Architektur rötlich aufleuchten lässt.

Der Kletterer Manolo und die Pala-Dolomiten

Die Pradidali-Hütte unterm Sass Maor

Das Rifugio Pradidali in den Pala-Dolomiten ist so etwas wie die zweite Heimat von einem der berühmtesten Kletterer der vergangenen Jahrzehnte in Italien, Maurizio Zanolla, genannt „Manolo“. Der gelernte Bierbrauer war der erste Italiener, der jeweils den achten, neunten und dann zehnten Schwierigkeitsgrad geklettert ist und hat an den Felswänden um die Pradidali-Hütte Klettergeschichte geschrieben. Mittlerweile ist er über 60 Jahre alt. In seiner Jugend war er meistens ungesichert unterwegs. Aufgewachsen ist er in der Zeit, in der mit viel Seil und Haken erzwungenen Direttissime. Dann kam, 1980, also lange vor der Generation um Alexander Huber, die Suprematita; ein Wort aus der künstlerischen Avantgarde, was so viel wie die befreite Naturform bezeichnet. Klettern als Kunst, befreit von den Zwängen der Haken und Steigleitern. Manolo erinnert sich: „Das war natürlich ausgesprochen risikoreich, aber es hat mir Spaß gemacht. Und erstaunlicherweise habe ich mich bei diesen Klettereien immer sehr sicher gefühlt. Ich habe so eine Tour auch nicht geplant und vielleicht war es gut, weil ich dann keinen Druck hatte. Ich habe es nur getan, wenn ich mich in Harmonie mit der Umgebung gefühlt habe.“

Sauber klettern heißt: möglichst auf Haken zu verzichten

Die Cima Canali in der Abendsonne

Im Schwierigkeitsgrad VII+ führt die Suprematita durch die Ostwand des Sass Maor; Manolo war 22 Jahre alt, als er sie gesetzt hat. „Meine Auffassung vom Alpinismus war es in dieser Zeit, so sauber wie möglich zu klettern. Die einzige Möglichkeit war, auf Haken zu verzichten und das hieß auch, auf Sicherheit zu verzichten. Und als ich am Sass Maor auf dem Gipfel stand und mir klarmachte, dass ich eine neue Linie über 1200 Höhenmeter eröffnet hatte mit nur sieben Haken zu meiner Sicherung, da war das für mich, als hätte ich eine dünne Spur hinterlassen, wie mit dem Bleistift gezogen, die mit der Zeit verschwinden würde. Und das war die Botschaft, die ich der nachfolgenden Generation hinterlassen wollte.“ Und in der Pala ist er bis heute unterwegs. Im vergangenen Jahr hat er eine neue Route eröffnet, sie liegt im IX. bis X. Grad, einen Namen hat er noch nicht für sie.

Karte: Pala-Gruppe

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Karte: Pala-Gruppe


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