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Andere mediale Texte Narrative Ebene: Kamera und Figuren

Von: Christian Albrecht

Stand: 16.06.2021

Hier beantworten wir folgende Fragen:

  • Wie erzählen Filme?
  • Auf welche Funktionsträger verteilt sich die Erzählaktivität im Film?
  • Welche narrativen Wirkungen erzielen unterschiedliche filmsprachliche Mittel?

Das Erzählen einer Geschichte ist ein kommunikativer Akt zwischen Erzähler und Zuhörer - beim Film ist das natürlich der Zuschauer. Es geht also auch im Film um eine Erzählung, eine Narration.



"Narration besteht in der kausalen Verknüpfung von Situationen, Akteuren und Handlungen zu einer Geschichte; die Dramaturgie ist die Art und Weise, wie diese Geschichte dem Medium entsprechend aufgebaut ist, um sie im Kopf und im Bauch der Zuschauer entstehen lassen."

(Lothar Mikos: Film- und Fernsehanalyse, Konstanz 2003, S. 43)

Bei einem Roman ist der Leser der Rezipient und der Er- oder Ich-Erzähler die Erzählinstanz, die Kommunikation verläuft über die Sprache. Im Film dagegen kann sich die Erzählaktivität häufig auf verschiedene Funktionsträger verteilen. Neben der Sprache stehen dem Film noch andere Mittel zur Verfügung, nämlich die ganze Bandbreite des Tons und des Bildes. Das Bild wird wiederum entscheidend geprägt durch die Kamera.

Die vielleicht am leichtesten zu identifizierende Komponente der Erzählaktivität finden wir in Filmen, in denen eine quasi über das Bild gelegte Stimme die Handlung und das Geschehen kommentiert: den sogenannten Voice-over. Man unterscheidet Voice-Over-Erzähler, die außerhalb der erzählten Welt angesiedelt sind (z. B. im Dokumentarfilm "Ein Tag im Leben von Wolfgang Flatz"), von Erzählern, die selbst Teil der erzählten Welt oder sogar der eigentlichen Geschichte sind.

Siehe hierzu nochmal das Video von:

Im Spielfilm kommen sie in unterschiedlichen Umsetzungen vor, z. B. in Form eines Ich-Erzählers, der teilweise auch als spielende Figur auftritt und das Geschehen aus seiner subjektiven Sicht und Erfahrung berichtet oder kommentiert, oder in Form von Gedanken einer Figur, die mit einem Voice-over hörbar gemacht werden, wie es im Film "Das weiße Rauschen" vorkommt.

Die Kamera leistet einen wesentlichen Beitrag zur Narration. Sie ist implizite "Erzählerin". Durch Perspektive, Bewegung und Einstellungsgröße lenkt sie den Blick des Zuschauers. Sie bestimmt, was dieser zu sehen bekommt und was nicht. Und sie bestimmt auch, wie das geschieht.

Die Kamera kann objektiv, also in erster Linie aus der Außenperspektive beobachtend, die filmische Wirklichkeit vermitteln. Sie kann aber auch subjektiv dem Zuschauer das Geschehen aus der Sicht einer bestimmten Figur zeigen, indem sie deren Perspektive und Blickwinkel einnimmt und deren Bewegung imitiert.

Frühe und filmgeschichtlich revolutionäre Beispiele für die Wirkung einer subjektiven Kamera liefern der im Video gezeigte Stummfilm "How it feels to be run over" von Cecil M. Hepworth aus dem Jahr 1900, in dem die Kamera und somit gleichsam der Zuschauer von einem Auto überrollt werden, oder der Film "The Great Train Robbery" von Edwin S. Porter aus dem Jahr 1903, der mit zwei Pistolenschüssen in die Kamera beziehungsweise auf den Zuschauer endet.

Der Pistolenschütze aus "The Great Train Robbery"

Bei beiden Szenen ist die Kameraeinstellung, -position und -perspektive so gewählt, dass sich der Betrachter mit der Kamera identifiziert und so die Distanz zwischen Zuschauerraum und Leinwand aufgelöst scheint.

Neben der Kamera sind es vor allem die Figuren, die die Handlung vorantreiben. Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen Haupt- und Nebenfiguren. Diese wiederum können als differenzierte, also vielschichtige, entwicklungsfähige und überraschende Charaktere angelegt sein, oder als weniger ausgearbeitete, flache Charaktere, die einen starren, kaum entwicklungsfähigen Typus verkörpern (z. B. der männliche, unabhängige, aber auch einsame Cowboy im Western).

1.

Der Voice-over wird als alleinige Erzählinstanz verstanden.

2.

Es wird vergessen, dass die Kamera Wirklichkeit nicht abbildet, sondern sie inszeniert (durch bestimmte Einstellungsgrößen, Perspektiven, Bewegungen usw.).

1.

Die narrative Ebene ist die Ebene, auf der die Art und Weise der Erzählung in den Blick genommen wird. Sie ist eng verwoben mit der visuellen und der auditiven Ebene.

2.

Die Erzählaktivität verteilt sich im Film auf mehrere Funktionsträger.

3.

Indem die Kamera durch ihre Bewegungen, Perspektiven und Einstellungsgrößen entscheidet, was der Zuschauer auf welche Art und Weise zu sehen bekommt bzw. was nicht, erzählt sie.

4.

Funktionsträger der Erzählaktivität im Film: zum Beispiel Kamera, Figuren, gegebenenfalls ein Voice-Over-Erzähler.

5.

Runde Charaktere: differenzierte, vielschichtige Figuren, die im Laufe des Films eine (zum Beispiel charakterliche) Entwicklung durchlaufen.

6.

Flache Charaktere: starre, kaum entwicklungsfähige Figuren, meist in Form von Stereotypen.