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Literarische Epochen Texte literarischen Epochen zuordnen

Von: Prof. Dr. Volker Frederking

Stand: 02.06.2021

Symbol | Bild: Angela Smets/BR

Text 1

Mädchen, das wie ich empfindet,
Reich mir deine liebe Hand!
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosen-Band!

Text 2

"Effi war gerührt von dem allen […]; aber diese wohlgemeinten Neckereien […] berührten sie beinahe schmerzlich, weil ihr, wenn auch unklar, dabei zum Bewußtsein kam, was ihr in ihrer Ehe eigentlich fehlte: Huldigungen, Anregungen, kleine Aufmerksamkeiten. Innstetten war lieb und gut, aber ein Liebhaber war er nicht. Er hatte das Gefühl, Effi zu lieben, und das gute Gewissen, daß es so sei, ließ ihn von besonderen Anstrengungen absehen. ...

Text 3

Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.

Text 4

Wie häßlich ist
Dein Bräutigam
Jungfrau Leben
Eine Rüsselmaske sein Antlitz
Eine Patronentasche sein Gürtel
Ein Flammenwerfer
Seine Hand
...
Zwischen zwei
Weltuntergängen
Preßt er sich
In Deinen Schoß

Text 5

Eins plus Eins gleich Eins
Eins minus Eins gleich Zwei
Eins mal Eins gleich Unendlich
Eins durch Eins gleich Glücklich

Text 6

Der edlen Schönheit Gaben
Fliehn Fuß für Fuß:
Dass alles, was wir haben,
Verschwinden muss.

Text 7

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen

Text 8

... Ich tue auch nicht allzu viel, um mich zu kaschieren. Die Möglichkeit besteht ja vielleicht doch, dass man also glaubt, ich habe Erlebnisse mit Frauen vielleicht. Immerhin war ich verheiratet und habe also auch aus meiner Ehe im Laufe der Jahre meinen Kollegen Einzelheiten erzählt. Aber so ganz sicher bin ich mir nicht, ob sie mich nun für ganz hs (gemeint ist: heterosexuell) halten. Aber wir sprechen öfter über andre in der Firma und es fällt also nie ein böses Wort, sondern eben nur von intoleranten Menschen [...], die sich also bis zu der Äußerung versteigen: So was hätte man ... So was hätte Hitler schnell noch vergasen sollen.

Text 9

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen, sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Text 10

 Jene Tugend, die du kennst, und bescheiden thust,
Die den, welchen du liebst, neben dir glücklich macht,
Die dem Auge der Mutter
Heimlich Thränen der Freud' entlockt.

Mittelalter

Im Mittelalter ist die "Liebe" in der so genannten Minne-Lyrik (mhd.: minne = Liebe) ein zentrales Motiv. Die Liebesverse muten teilweise unschuldig und sehr innig an – wie das angeführte Beispiel –  teilweise enthalten sie aber auch deutliche sexuell-erotische Anspielungen.

Barock

Im Barock sind literarische Annäherungen an das Thema Liebe nicht selten durch das memento mori-Motiv ("Gedenke, dass du sterblich bist!") geprägt, d.h. durch den Gedanken, dass wir sterblich sind und alles vergänglich ist. Martin Opitz schreibt 1624 in "Ach Liebste, lass uns eilen":

Empfindsamkeit

In der Epoche der Empfindsamkeit ist die literarische Verarbeitung des Themas "Liebe" durch den Leitgedanken einer ebenso empfindsamen wie sittsam-gebildeten Seele geprägt. Friedrich Gottlieb Klopstock schreibt 1798 in den Schlussversen seines Gedichts "Die Braut":

Sturm und Drang

Im Sturm und Drang findet die Liebe eine unmittelbare, das Natürliche betonende sprachliche Gestaltung. Zugleich wird damit ein bewusster Gegenpol zum Vernunftideal der Aufklärung gesetzt. So heißt es bei Johann Wolfgang von Goethe 1771 in dem Gedicht "Mit einem gemalten Band":

Romantik

In der Romantik ist die Liebe eingebettet in die Idee einer allumfassenden Romantisierung der Welt, durch die die ursprüngliche Einheit von Vernunft und Gefühl, Sichtbarem und Unsichtbarem, Irdischem und Transzendentem, von deren Möglichkeit die Romantiker überzeugt waren, wiederhergestellt wird. In diesem Sinne dichtet Novalis im Jahre 1798:

Realismus

Im Realismus treten die Begrenzungen der Liebe im bürgerlichen Moral- und Ehekorsett ins Blickfeld. Bei Theodor Fontane klingt das in seinem Roman "Effi Briest" aus dem Jahre 1894/95 so:

Neue Sachlichkeit

In der Neuen Sachlichkeit mischen sich sachliche und freiere Zugänge zum Lebensthema "Liebe". Berühmt ist Erich Kästner Gedicht "Sachliche Romanze" (1928):

Nachkriegsliteratur

In der Nachkriegsliteratur spielen neben der unmittelbaren Thematisierung der Grauen und Abgründe von Krieg und Diktatur auch die existenziellen Herausforderungen der Menschen eine Rolle. Marie Luise Kaschnitz rückt in ihrem Gedicht "Bräutigam Froschkönig" die mit traumatischen Kriegserfahrungen belastete Liebe zwischen Mann und Frau in den Fokus:

68er Literatur

Die 68er-Literatur umfasst ein breites Spektrum an Literaten und literarisch bearbeiteten Themen. Neben der nicht verarbeiteten NS-Zeit wurde so manches gesellschaftliches Tabu in den Blick genommen. In dem Text "Versuch über die Pubertät" von Hubert Fichte aus dem Jahr 1974 rückt zum Beispiel homosexuelle Liebe und die damit verbundenen Tabuisierungen in den Fokus. Der abgedruckten Auszug stellt den Schlussabsatz des Textes dar:  

Gegenwartsliteratur

In der Gegenwartsliteratur wird Liebe literarisch noch facettenreicher, bunter, tabufreier und oft auch spielerischer verarbeitet. Als Beispiel sei Robert Gernhardt angeführt, der in "Lieben heißt das Rechnen verlernen" durch ein heiter-vergnügliches Zahlenspiel Liebe und Lieben literarisch zu fassen sucht:

1. Im Sturm und Drang findet die Liebe eine unmittelbare, das Natürliche betonende sprachliche Gestaltung. Zugleich wird damit ein bewusster Gegenpol zum Vernunftideal der Aufklärung gesetzt. So heißt es bei Johann Wolfgang von Goethe 1771 in dem Gedicht "Mit einem gemalten Band":

Mädchen, das wie ich empfindet,
Reich mir deine liebe Hand!
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosen-Band!

(Johann Wolfgang von Goethe: Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Band 1: Gedichte und Epen I. Textkritisch durchgesehen und kommentiert von Erich Trunz, München, 1988, S. 26)

2. Im Realismus treten die Begrenzungen der Liebe im bürgerlichen Moral- und Ehekorsett ins Blickfeld. Bei Theodor Fontane klingt das in seinem Roman "Effi Briest" aus dem Jahre 1894/95 so:

"Effi war gerührt von dem allen […]; aber diese wohlgemeinten Neckereien […] berührten sie beinahe schmerzlich, weil ihr, wenn auch unklar, dabei zum Bewußtsein kam, was ihr in ihrer Ehe eigentlich fehlte: Huldigungen, Anregungen, kleine Aufmerksamkeiten. Innstetten war lieb und gut, aber ein Liebhaber war er nicht. Er hatte das Gefühl, Effi zu lieben, und das gute Gewissen, daß es so sei, ließ ihn von besonderen Anstrengungen absehen. ...

(Theodor Fontane: Effi Briest. Roman, Berlin, 2016, S. 127)

3. Im Mittelalter ist die "Liebe" in der so genannten Minne-Lyrik (mhd.: minne = Liebe) ein zentrales Motiv. Die Liebesverse muten teilweise unschuldig und sehr innig an – wie das angeführte Beispiel –  teilweise enthalten sie aber auch deutliche sexuell-erotische Anspielungen:

Dû bist mîn, ich bin dîn.
des solt dû gewis sîn.
dû bist beslozzen
in mînem herzen,
verlorn ist das sluzzelîn:
dû muost ouch immêr darinne sîn.

(Anonym (um 1100))

4. In der Nachkriegsliteratur spielen neben der unmittelbaren Thematisierung der Grauen und Abgründe von Krieg und Diktatur auch die existenziellen Herausforderungen der Menschen eine Rolle. Marie Luise Kaschnitz rückt in ihrem Gedicht "Bräutigam Froschkönig" die mit traumatischen Kriegserfahrungen belastete Liebe zwischen Mann und Frau in den Fokus:

Wie häßlich ist
Dein Bräutigam
Jungfrau Leben
Eine Rüsselmaske sein Antlitz
Eine Patronentasche sein Gürtel
Ein Flammenwerfer
Seine Hand
...
Zwischen zwei
Weltuntergängen
Preßt er sich
In Deinen Schoß

(Marie Luise Kaschnitz: Bräutigam Froschkönig, in: Ebd: Neue Gedichte, Hamburg, 1957, S. 55)

5. In der Gegenwartsliteratur wird Liebe literarisch noch facettenreicher, bunter, tabufreier und oft auch spielerischer verarbeitet. Als Beispiel sei Robert Gernhardt angeführt, der in "Lieben heißt das Rechnen verlernen" durch ein  heiter-vergnügliches Zahlenspiel Liebe und Lieben literarisch zu fassen sucht:

Eins plus Eins gleich Eins
Eins minus Eins gleich Zwei
Eins mal Eins gleich Unendlich
Eins durch Eins gleich Glücklich

(Robert Gernhardt: Lieben heißt das Rechnen verlernen, in: Ebd.: Gesammelte Gedichte: 1954 – 2006, Frankfurt a.M., 2008, S. 290)

6. Im Barock sind literarische Annäherungen an das Thema Liebe nicht selten durch das memento mori-Motiv ("Gedenke, dass du sterblich bist!") geprägt, d. h. durch den Gedanken, dass wir sterblich sind und alles vergänglich ist. Martin Opitz schreibt 1624 in "Ach Liebste, lass uns eilen":

Der edlen Schönheit Gaben
Fliehn Fuß für Fuß:
Dass alles, was wir haben,
Verschwinden muss.

(Martin Opitz: Ach Liebste, lass uns eilen, in: Hans Wegener (Hrsg.): Deutsche Liebeslyrik, Stuttgart, 1982, S. 274)

7. In der Romantik ist die Liebe eingebettet in die Idee einer allumfassenden Romantisierung der Welt, durch die die ursprüngliche Einheit von Vernunft und Gefühl, Sichtbarem und Unsichtbarem, Irdischem und Transzendentem, von deren Möglichkeit die Romantiker überzeugt waren, wiederhergestellt wird. In diesem Sinne dichtet Novalis im Jahre 1798:

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen

(Novalis: Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren, in: Hans Joachim Mähl/Richard Samuel (Hrsg.): Werke, Briefe und Tagebücher Friedrich von Hardenbergs. Drei Bände. Bd. 1. Herausgegeben von Richard Samuel München/Wien, 1978, S. 395)

8. Die 68er-Literatur umfasst ein breites Spektrum an Literaten und literarisch bearbeiteten Themen. Neben der nicht verarbeiteten NS-Zeit wurde so manches gesellschaftliches Tabu in den Blick genommen. In dem Text "Versuch über die Pubertät" von Hubert Fichte aus dem Jahr 1974 rückt zum Beispiel die homosexuelle Liebe und die damit verbundenen Tabuisierungen in den Fokus. Der abgedruckten Auszug stellt den Schlussabsatz des Textes dar:  

Ich tue auch nicht allzu viel, um mich zu kaschieren. Die Möglichkeit besteht ja vielleicht doch, dass man also glaubt, ich habe Erlebnisse mit Frauen vielleicht. Immerhin war ich verheiratet und habe also auch aus meiner Ehe im Laufe der Jahre meinen Kollegen Einzelheiten erzählt. Aber so ganz sicher bin ich mir nicht, ob sie mich nun für ganz hs halten. Aber wir sprechen öfter über andre in der Firma und es fällt also nie ein böses Wort, sondern eben nur von intoleranten Menschen [...], die sich also bis zu der Äußerung versteigen: So was hätte man ... So was hätte Hitler schnell noch vergasen sollen.

(Hubert Fichte: Versuch über die Pubertät, Frankfurt a. M., 1976, S. 109)

9. In der Neuen Sachlichkeit mischen sich sachliche und freiere Zugänge zum Lebensthema "Liebe". Berühmt ist Erich Kästner Gedicht "Sachliche Romanze" (1928):

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen, sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

(Kästner Erich: Sachliche Romanze, in: Erich Kästner: Werke. Bd. I, München/Wien, 1998, S. 65)

10. In der Epoche der Empfindsamkeit ist die literarische Verarbeitung des Themas "Liebe" durch den Leitgedanken einer ebenso empfindsamen wie sittsam-gebildeten Seele geprägt. Friedrich Gottlieb Klopstock schreibt 1798 in den Schlussversen seines Gedichts "Die Braut":

Jene Tugend, die du kennst, und bescheiden thust,
Die den, welchen du liebst, neben dir glücklich macht,
Die dem Auge der Mutter
Heimlich Thränen der Freud' entlockt.

(Friedrich Gottlieb Klopstock: Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Oden. Band 1: Text. Herausgegeben von Horst Gronemeyer und Klaus Hurlebusch, Berlin/New York, 2010, S. 93)