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Literarische Texte Literarische Epochen

Von: Prof. Dr. Volker Frederking

Stand: 22.11.2016

Hier beantworten wir folgende Fragen:

  • Was sind literarische Epochen?
  • Welche Grenzen besitzt der Epochenbegriff?
  • Welche literarischen Epochen werden unterschieden?
  • Welche Merkmale werden den literarischen Epochen zugesprochen?

Epochen gibt es nicht aus sich heraus. Epochen (griechisch epoché =Haltepunkt, (Zeit-)Abschnitt) sind Konstrukte, das heißt Einteilungsschemata, die nachträglich 'gemacht' werden. Epochen bezeichnen einen Zeitraum, in dem ein bestimmter Gedanke, eine Leitidee oder die Verbindung bestimmter Ideen prägend waren. Das gilt für geschichtliche Epochen, politische Epochen oder auch für literarische Epochen.

Literarische Epochen sind Versuche, innerhalb der Literaturgeschichte bestimmte Phasen und Leitströmungen zu identifizieren und zu bezeichnen, das heißt sie zu "periodisieren" (Burdorf 2007, S. 199). Literarische Epochen lassen sich entsprechend als Zeiträume oder "Perioden" verstehen, in denen bestimmte Autoren oder Autorinnen beziehungsweise berühmte Werke der (Hoch-)Literatur oder/und neue oder neu gewichtete Leitideen und poetische Ausdrucksweisen die Kultur eines Landes geprägt haben.

Auch wenn bei vielen Epochen - Barock, Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik, Romantik oder Realismus - weitestgehender Konsens besteht, welche Leitideen sie auszeichnen und durch welche Autoren und Werke sie vor allem repräsentiert werden, existiert kein allgemein anerkanntes Einteilungsschema literarischer Epochen und ihrer maßgeblichen Repräsentanten. Dazu gibt es im Detail zu viele Grenz- und Zweifelsfälle – und dies nicht nur in der neueren Literatur (Rosenberg 1994). So lassen sich in jedem Jahrhundert Autoren oder Autorinnen finden, die sich dem kulturprägenden Leitgedanken entziehen, eigene Schwerpunkte setzen und sich deshalb in das herrschende Epochenschema nicht einordnen lassen (z. B. Friedrich Hölderlin oder Heinrich Kleist im 19. Jahrhundert).

Überblick

Für die deutschsprachige Literatur lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder alleinige Gültigkeit – die folgenden literarischen Epochen unterscheiden:

Mittelalter und frühe Neuzeit (900 – 1450)

Im Frühmittelalter (500 – 950) waren Heldenlieder wie das "Hildebrandslied" oder die Merseburger Zaubersprüche verbreitet. Im Hochmittelalter (950 – 1250) waren höfische Ritterromane wie Hartmann von Aues Erec und Iwein, Wolfram von Eschenbachs Parzival, Gottfried von Straßburgs Tristan und Isolde oder das Nibelungenlied verbreitet. Überdies war die mittelhochdeutsche Minnelyrik (mhd.: minne = Liebe) einflussreich. In der sogenannten hohen Minne wurde das Ideal selbstloser, nichtsexueller Liebe eines Ritters zu seiner adligen Herrin besungen (z. B. Oswald von Wolkenstein), in der niederen Minne rückte auch die sexuell erfüllte Liebe in den Fokus (z. B. Walther von der Vogelweide).

Im Spätmittelalter (1250 – 1500) und in der Frühen Neuzeit (1500 – 1600) waren die Volksbücher über Till Eulenspiegel oder Doktor Faustus kulturprägend, aber auch die Lieder von Hans Sachs oder Sebastian Brants Satire Das Narrenschiff.

Barock (1600 – 1720)

Barock als Epoche deutscher Literatur ist besonders durch den Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) und die damit verbundenen Krisen- und Leiderfahrungen (Pest, Verwüstung, Tod) geprägt. In der Dichtung eines Martin Opitz (1597 – 1639), Paul Gerhardt (1607 – 1676), Paul Fleming (1609 – 1640) oder Andreas Gryphius (1616 – 1664) haben die damit verbundenen Leitgedanken - vanitas ("Es ist alles eitel."), memento mori ("Gedenke, dass du sterblich bist!") und carpe diem ("Nutze den Tag!") – ihre besondere literarische Umsetzung gefunden. Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen gelang mit dem Schelmenroman Der Abentheuerliche Simplicissimus (1669) der erste literarische Welterfolg.

Das 18. und frühe 19. Jahrhundert gelten im Urteil vieler Literaturforscher als eine Blütezeit der deutschsprachigen Literatur und Kunst.

Aufklärung (ca. 1720 – 1800)

Die Aufklärung hat Immanuel Kant (1789, S. 53) als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" definiert. Durch Vernunft, Literatur und Kunst wird der Ständegesellschaft eine bürgerliche Kultur mit eigenen Werten und Normen entgegengesetzt. Besonders Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) hat dies mit Dramen wie Miß Sara Sampson (1755) oder Emilia Galotti (1772) literarisch einzulösen versucht. Sein Drama Nathan der Weise (1779) gilt auch heute noch als sehr aktuelles Musterbeispiel für vernunftgemäßes Handeln und religiöse Toleranz.

Empfindsamkeit (ca. 1740 – 1780)

In der Empfindsamkeit wird der als einseitig rational wahrgenommenen Grundausrichtung der Aufklärung eine neue Form von Gefühls- und Empfindungsfähigkeit entgegengestellt. Besonders die Oden und geistlichen Lieder Friedrich Gottlieb Klopstocks sind literarischer Ausdruck des Versuches, mit den Mitteln der Poesie eine Kultur der Innerlichkeit zu etablieren.

Sturm und Drang (1765 – 1786)

Auch im Sturm und Drang spielen Emotionen eine große Rolle, aber sie sind nach außen gerichtet. Eine Generation von jungen Literaten begehrt gegen soziale und politische Zwänge und das Fortbestehen der Unterdrückungsmechanismen der Ständegesellschaft auf. Auch Vater-Sohn-Konflikte stehen im Fokus. Ihren Namen verdankt die Epoche dem Schauspiel Sturm und Drang (1776) von Friedrich Maximilian Klinger. Einflussreicher aber sind Friedrich Schillers Dramen Die Räuber (1781) und Kabale und Liebe (1783) sowie Johann Wolfgang von Goethes Götz von Berlichingen (1773). Dessen Briefroman Die Leiden des jungen Werthers (1774) lässt eine weitere Facette der Epoche ins Blickfeld treten: das Leben aus dem Gefühl, dem Herz, der Liebe, der Natürlichkeit.

Klassik (1786 – 1832)

Als deutsche Klassik werden jene Jahrzehnte bezeichnet, in denen sich Goethe und Schiller in Abkehr vom Sturm und Drang am Weimarer Hof daran machten, ein neues Kunstverständnis zu entwickeln. Im Rückgriff auf das antike Schönheitsideal rückt die Veredelung des Menschen zur Humanität durch Kunst in das Zentrum. Schiller hat hierfür mit seiner Schrift Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1793 - 1795) theoretische Grundlagen formuliert und in Dramen wie Don Karlos (1787), Wallenstein (1799) oder Maria Stuart (1800) umgesetzt. Goethe hat nicht nur Dramen wie Egmont (1788), Iphigenie auf Tauris (1779) oder Faust I und II (1808/1832) geschaffen, sondern auch bedeutsame Romane wie Wilhelm Meisters Lehrjahre/Wanderjahre (1795/1821) – die als Bildungsromane eine ganze Gattung geprägt haben – oder Gedichtsammlungen wie Römische Elegien (1788 - 1790) und Westöstlicher Divan (1819). Aber auch im Werk Friedrich Hölderlins zeigt sich die für Klassik typische Orientierung am Schönheits- und Griechenlandideal, so in dem Briefroman Hyperion oder Der Eremit in Griechenland (1797 - 1799).

Romantik (1795 – 1840)

Im Zentrum der Romantik steht das Wunderbare und Fantastische. Romantisieren heißt, die Welt mit den Mitteln der Poesie zu einer neuen Einheit von Geist und Natur zu verändern. In der Frühromantik hat Novalis mit der "Blauen Blume" in dem Romanfragment Heinrich von Ofterdingen (1802) ein überdauerndes Symbol für diese romantische Sehnsucht geschaffen. In der sogenannten Spätromantik treten einerseits die Abgründe der menschlichen Seele in den literarischen Blick – z. B. in E. T. A. Hoffmanns Roman Die Elixiere des Teufels (1815) – anderseits aber auch die Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit und Natur, jenseits bürgerlicher Konventionen – so in Joseph von Eichendorffs Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts (1822 - 1826).

Biedermeier (1815 – 1848)

Als Biedermeier wird eine literarische Richtung in Deutschland bezeichnet, in der Teile der deutschen Autoren nach dem Wiener Kongress (1815) und den damit verbundenen restaurativ-konservativen Tendenzen einen Rückzug ins Private angetreten haben. Beobachten lässt sich dies z. B. in dem Werk Eduard Mörikes oder Adalbert Stifters. Gleichzeitig knüpft Stifter mit Der Nachsommer (1857) aber auch an die große, mit Goethes Wilhelm Meister begonnene Tradition des deutschen Bildungsromans an.

Vormärz (ca. 1830 – 1848)

Die Epoche des Vormärz verdankt ihren Namen politischen Oppositionsbewegungen vor der Märzrevolution in Deutschland von 1848. Freiheit, Verfassung und staatliche Einheit stehen im Fokus von Literaten wie Hoffmann von Fallersleben, der das Deutschlandlied verfasste. Aber auch die soziale Not der Bauern, Arbeiter und Soldaten finden Beachtung. Bedeutendster Vertreter dieser sozial engagierten Richtung ist Georg Büchner mit seinem Dramenfragment Woyzeck (1836). Gleichzeitig ist Büchner mit Dantons Tod (1835) aber auch eine schonungslose Aufdeckung der Gefahren politischer Willkür am Beispiel der Französischen Revolution gelungen.

Realismus (1848 – 1900)

Was Realismus ist, hat Theodor Fontane, der bedeutendste Vertreter der Epoche, auf den Punkt gebracht: "Er ist die Widerspiegelung alles wirklichen Lebens, aller wahren Kräfte und Interessen im Elemente der Kunst" (1853, S. 359). In Romanen wie Effi Briest und Dramen wie Irrungen, Wirrungen oder Frau Jenny Treibel hat Fontane diese Maxime meisterhaft umgesetzt. Geprägt haben die Epoche aber auch Novellen wie Theodor Storms Der Schimmelreiter (1888), Gottfried Kellers Kleider machen Leute (1873), Conrad Ferdinand Meyers Das Amulett (1873) oder Annette von Droste-Hülshoffs Die Judenbuche (1842).

Naturalismus (1880 – 1900)

Im Naturalismus soll Kunst sich an der Natur orientieren und das wirkliche Leben ohne Beschönigungen widerspiegeln. Dabei rückt neben dem Abnormen und Bösen auch die soziale Frage in den Fokus. Deutlich zeigt sich dies in den Dramen Die Weber (1892), Der Biberpelz (1893) und Die Ratten (1911) von Gerhart Hauptmann, dem 1912 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde.

Moderne (1890 – 1920/50)

Unter Literatur der Moderne, in der das Individuum und seine Krisen in den Mittelpunkt rücken, wird z. B. das frühe Werk Thomas Manns eingeordnet, so der Roman Die Buddenbrooks (1901), für den Mann 1929 den Literaturnobelpreis erhielt, oder Tonio Kröger (1903), Der Tod in Venedig (1911) und Der Zauberberg (1924). Auch das Werk Heinrich Manns – z. B. der Untertan (1918) – oder Hermann Hesses, der 1946 ebenfalls mit dem Nobelpreis geehrt wurde für Romane wie Demian (1919), Siddhartha (1922), Der Steppenwolf (1927), Narziß und Goldmund (1930) und vor allem Das Glasperlenspiel (1943), lassen sich zur Moderne rechnen.

Impressionismus (1890 – 1920)

Obschon es Überschneidungen gibt, setzt der Impressionismus doch einen eigenen Akzent in der Literatur der Jahrhundertwende. Im Zentrum steht der unmittelbare subjektive Eindruck (von lat.: impressio), eine Momentaufnahme aus Gefühlen und Gedanken. Bekannte Beispiele sind Rainer Maria Rilkes in Tagebuchform geschriebener Roman Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, (1910) und seine Duineser Elegien (1923) oder Stefan Zweigs Novelle Brennendes Geheimnis (1911).

Expressionismus (1905 – 1925)

Im Expressionismus (von lat.: expressio = Ausdruck) steht die Artikulation von Gedanken und Gefühlen zu Themen wie Großstadt, Krieg und Zerstörung, Kulturzerfall, Ich- und Wirklichkeitsverlust etc. im Fokus. Zu nennen sind hier z. B. die Lyrik so unterschiedlicher Autorinnen und Autoren wie Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn, Georg Heym, Georg Trakl, Jakob van Hoddis, Ernst Stadler u. a. oder die Prosa Franz Kafkas, seine Parabeln und Romanfragmente wie Der Prozess (1925) oder Das Schloss (1926) und Erzählungen wie Die Verwandlung (1915) oder Vor dem Gesetz (1915).

Neue Sachlichkeit (1918 – 1933)

Die Neue Sachlichkeit ist eine Literaturrichtung, die sich in den 1920er-Jahren in Deutschland als Reaktion auf Pathos und Schrecken des Ersten Weltkriegs entwickelte. Eine nüchterne und emotionslose Beschreibung persönlicher, sozialer und wirtschaftlicher Probleme im Großstadtleben ist kennzeichnend. Auch ein neues emanzipiertes Frauenbild und die Rolle der neuen Medien Film und Rundfunk werden literarisch verarbeitet. Bekannt sind der Roman Kleiner Mann – was nun? (1932) von Hans Fallada, der Roman Fabian (1931) von Erich Kästner und dessen Lyrik, z. B. Sachliche Romanze (1929) oder die Lyrik Mascha Kalekos, z. B. Großstadtliebe (1933).

Exilliteratur (1933 – 1945)

Als deutsche Exilliteratur wird jene Literatur bezeichnet, die von deutschsprachigen Autoren und Autorinnen nach der Machtergreifung Hitlers bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Exil entstanden ist. Sie umfasst so unterschiedliche Werke wie Thomas Manns Doktor Faustus (1947), Klaus Manns Mephisto (1936), Stefan Zweigs Schachnovelle (1942) und Die Welt von Gestern (1942), die Lyrik von Hilde Domin und Mascha Kaleko oder viele Schriften von Bertolt Brecht, darunter Furcht und Elend des Dritten Reiches (1938), Leben des Galilei (1939), Mutter Courage und ihre Kinder (1939) oder Der gute Mensch von Sezuan (1939).

Trümmer- und Nachkriegsliteratur (1945 – 1950)

Auf Heinrich Böll geht die Bezeichnung "Trümmerliteratur" für die erste Phase der deutschen Nachkriegsliteratur zurück. Die literarische Verarbeitung traumatischer Gegenwart und Vergangenheit steht im Fokus. Wolfgang Borcherts Drama und Hörspiel Draußen vor der Tür (1947) und seine Kurzgeschichten, z. B. Nachts schlafen die Ratten doch (1947) oder Das Brot (1949), stehen hierfür stellvertretend. Auch Günter Eich hat mit dem Gedicht Inventur (1945) Literaturgeschichte geschrieben, ebenso wie Paul Celan mit dem Gedicht Todesfuge (1945) oder Ilse Aichinger mit dem Roman Die größere Hoffnung (1948).

Wirtschaftswunder und Krisenbewusstsein (1950 – 1970)

In der Epoche Wirtschaftswunder und Krisenbewusstsein wird einerseits die NS-Vergangenheit in Deutschland kritisch in den Blick genommen, so von Günter Grass, der 1999 den Nobelpreis für Literatur erhalten hat, im Roman Die Blechtrommel (1959), von Siegfried Lenz in dem Roman Deutschstunde (1968) oder von dem Schweizer Max Frisch mit dem Drama Andorra (1962). Zugleich wird von Max Frisch aber eindrucksvoll die Identitätsproblematik des modernen Menschen in Stiller (1954) und Mein Name sei Gantenbein (1964) literarisch verarbeitet. Sein Landsmann Friedrich Dürrenmatt ist mit dem Kriminalroman Der Richter und sein Henker (1950) und Dramen wie Der Besuch der alten Dame (1956) und Die Physiker (1962) erfolgreich.

68er (1965 – 1972)

Als 68er wird eine Gruppe von Literaten bezeichnet, die in ihren Texten vor dem Hintergrund der Notstandsgesetzgebung, der Studentenunruhen, der atomaren Bedrohung und der politisch nicht hinreichend aufgearbeiteten nationalsozialistischen Vergangenheit für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel eintreten. Dazu gehören insbesondere die Dramen Die Ermittlung (1965) von Peter Weiss, In der Sache J. Robert Oppenheimer (1971) von Heinar Kipphardt, die Lyrik und Prosa eines Erich Fried oder die Essays und Gedichte eines Hans Magnus Enzensbergers.

Neue Subjektivität (1970 – 1990)

Unter der Bezeichnung Neue Subjektivität wird die literarische Gegenbewegung zur politischen Literatur der 68er-Jahre zusammengefasst. Das Individuum und seine persönlichen Probleme rücken in den Fokus. Von Peter Weiss mit Abschied von den Eltern (1961) vorbereitet zeigt sich diese Tendenz auf unterschiedliche Weise in den Texten von Jürgen Becker, Sarah Kirsch, Rolf Dieter Brinkmann, Peter Handke oder Ulla Hahn.

Literatur der DDR (1945 – 1990)

Die Literatur der DDR umfasst das weite Spektrum an Texten, die vor beziehungsweise nach der Gründung der DDR (1949) entstanden sind und die durch Zensur, staatliche Vorgaben und sozialistische Erziehungsziele beeinflusst wurden. Während sich Bertolt Brecht in den Buckower Elegien (1953) noch eher systemkonform als kritisch mit dem Aufstand vom 17. Juni 1953 auseinandersetzte, hat sich Christa Wolf 1965 auf dem 11. Plenum des ZK der SED als einzige Rednerin gegen eine repressive Kulturpolitik ausgesprochen und auch in ihren Schriften, z. B. in Kassandra (1983) kritische Akzente gesetzt. Offen systemkritische Ansätze zeigen sich in Ulrich Plenzdorfs Die neuen Leiden des jungen W. (1973), Reiner Kunzes Die wunderbaren Jahre (1976) und in Preußischer Ikarus (1978) und Trotz alledem! (1978) von Wolf Biermann. Bezeichnenderweise wurden sowohl Kunze wie Biermann Ende der 70er aus der DDR ausgewiesen.

Gegenwart (ab 1990)

Die deutschsprachige Literatur der Gegenwart, deren Beginn in vielen Darstellungen um 1990, d. h. nach dem Fall der Mauer, angesetzt wird, ist durch Vielfalt gekennzeichnet und lässt sich nur schwer einem einheitlichen Grundmotiv zuordnen. Hier finden sich die späten Werke von Christa Wolf wie Medea (1996) ebenso wie die Schriften der 2009 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Herta Müller, z. B. Herztier (1994) oder Atemschaukel (2009). Herausragende Beispiele der Gegenwartsliteratur sind überdies Bernhard Schlinks Der Vorleser (1995), Botho Strauß' Mikado (2006), die Lyrik von Durs Grünbein, Robert Gernhardt oder Hans Magnus Enzensberger, aber auch Moritz Rinkes Drama Republik Vineta (2000), Günter Grass' Novelle Im Krebsgang (2002) oder der Roman Das Wetter vor 15 Jahren (2006) von Wolf Haas.

1.

Die Annahme, bei literarischen Epochen handele es sich immer um klar umrissene Zeitspannen mit eindeutigen Anfangs- und Endpunkten.

2.

Anzunehmen, jeder Autor bzw. jede Autorin ließe sich einer Epoche immer eindeutig zuordnen.

Def. literarische Epochen

Zeiträume, in denen bestimmte Autoren, Werke oder/und Leitideen prägend waren.

Die bekanntesten literarischen Epochen

  • 900 - 1720: Mittelalter, Barock
  • 1720 - 1805/32: Aufklärung, Sturm und Drang, Klassik
  • 1795 - 1900: Romantik, Realismus
  • 1900 - 1945: Neue Sachlichkeit, Exilliteratur
  • 1945 bis heute: Trümmer- und Nachkriegsliteratur, Neue Subjektivität, Gegenwart

Dieter Burdorf: Epoche, in: Dieter Burdorf/Christoph Fasbender/Burkhard Moennighoff (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen, Stuttgart 2007, S. 199-200.
Der Brockhaus Literatur: Schriftsteller, Werke, Epochen, Sachbegriffe, Gütersloh 2010.
Die Zeit (Hrsg.): Literatur-Lexikon. Autoren und Begriffe in sechs Bänden, Stuttgart 2008.
Theodor Fontane: Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848, in: Deutsche Annalen zur Kenntniß der Gegenwart und Erinnerung an die Vergangenheit. Bd. 1, 1853, S. 353-377.
Immanuel Kant (1789): Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Ebd.: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik I. Werkausgabe Band XI. Hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt/M. 1982. S. 53-61.
Katharina Mahrenholtz/Dawn Parisi: Literatur! Eine Reise durch die Welt der Bücher, Hamburg 2012.
Rainer Rosenberg: Epochen, in: Helmut Brackert/Jörn Stückrath (Hrsg.): Literaturwissenschaft. Ein Grundkurs, Reinbek 1994, S. 269-280.
Jochen Vogt: Einladung zur Literaturwissenschaft. Mit einem Vertiefungsprogramm im Internet, Stuttgart 2008.