Kleine Modelle von Windrädern, im Hintergrund Menschen und Bilschirme auf einer Messe.
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Windkraft bleibt in Frankreich erlaubt: Anlagen müssen nicht zurückgebaut werden und neue Windräder können weiter genehmigt werden. (Symbolbild)

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#Faktenfuchs: Nein, Frankreich hat Windkraft nicht verboten

#Faktenfuchs: Nein, Frankreich hat Windkraft nicht verboten

Eine heftige Schlagzeile: "Frankreich verbietet Windkraft". Doch diese Behauptung, die auch in Deutschland kursiert, ist falsch. In Wahrheit geht es um eine Formalie bei der Lärm-Messung. Auswirkungen auf die Genehmigung von Windrädern hat das nicht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Dieser Beitrag ist aufgrund von Anregungen aus der BR24-Community entstanden. Im Rahmen des Formats "Dein Argument" suchen wir in den Kommentarspalten nach zusätzlichen Argumenten, um sie in unsere Berichterstattung aufzunehmen. 💬

Darum geht’s:

  • Windkraftanlagen in Frankreich sind nicht für illegal erklärt worden, weder bestehende noch zukünftige.
  • Ein Urteil hat lediglich die bisherige Methode zur Lärmmessung aufgehoben.
  • Deswegen gilt nun wieder die vorherige Rechtslage, die dieselben Lärmgrenzen festsetzt. Lediglich die Art und Weise, wie gemessen wird, ändert sich.

Wenn in Deutschland über Energiethemen diskutiert wird, dann geht es oft auch um die Verhältnisse in den Nachbarländern. Den Blick über die Grenze gibt es bei Falschinformationen über Energie genauso - wie aktuell bei französischen Windkraftanlagen.

Hintergrund der irreführenden Informationen ist ein Urteil des höchsten französischen Verwaltungsgerichts, des Staatsrates, aus dem März 2024. Der Staatsrat hatte zur Lärmmessung bei Windkraftanlagen geurteilt.

De facto geht es in dem Urteil nur um eine Formalie, die das Gericht für unzulässig erklärt hatte: Nämlich die Vorgaben dazu, wie der Lärm der Anlagen gemessen werden muss. Das ändert aber nicht viel: Windkraft bleibt erlaubt, bestehende Anlagen müssen nicht zurückgebaut werden und neue Anlagen können weiterhin genehmigt werden.

Mehrere Interessenverbände, darunter vor allem Windkraftgegner, hatten gegen Ministerialerlasse zu Windkraftanlagen geklagt. Mit den Erlassen hätte das zuständige Ministerium seine Befugnisse überschritten. Die Windkraftgegner fabrizierten aus dem Urteil allerdings eine Falschbehauptung: "Historische Aufhebung von Windkraftgenehmigungen" schrieb der Verband "Fédération Environnement Durable", der unter den Klägern war.

Falschbehauptung über Windkraft-Aus verbreitet sich in Deutschland

Auch in Deutschland verbreitete sich diese Falschbehauptung nach dem Urteil. In einer Mitteilung schrieb die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag: "In Frankreich wurden alle Genehmigungen für Windräder auch rückwirkend für illegal erklärt. Grund: Die staatliche Umweltprüfung hatte eine viel zu hohe Gesundheitsgefährdung der Anwohner durch Lärm und Infraschall zugelassen."

Einschlägige Youtube-Kanäle und sogenannte Alternativmedien, die immer wieder mit Desinformation auffallen, griffen das Thema ebenfalls auf. Die Youtube-Videos wurden zum Beispiel über 300.000 mal geklickt. Auch die BR24-Community beschäftigte das Thema: Über das BR24-Format "Dein Argument" kamen Fragen und Behauptungen zum vermeintlichen Windkraft-Aus in Frankreich.

Bildrechte: environnementdurable.org, afd-fraktion-sachsen.de, epochtimes.de, br24.de; Screenshots BR
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Windkraftanlagen in Frankreich sind nicht für illegal erklärt worden, weder bestehende noch zukünftige.

Windkraft in Frankreich ist weiterhin erlaubt

Es reicht ein Blick in die öffentlich zugängliche Urteilsbegründung, um zu erkennen, dass Windkraft in Frankreich nicht verboten wird. Im Urteil des Staatsrates geht es nicht um die Windkraftanlagen an sich, sondern darum, wie deren Lärm gemessen wird.

Wie laut eine Windkraftanlage sein darf, hat sich durch das Urteil nicht geändert. Diese Grenzen legt ein Ministerialerlass aus dem Jahr 2011 fest. Nach den Regeln von 2011 darf eine Windkraftanlage etwa in bewohnten Gebieten nicht lauter als 35 Dezibel sein, tagsüber fünf Dezibel mehr Lärm machen als die Umgebung ohne Windrad und nachts drei Dezibel.

Wenn eine Windkraftanlage in Betrieb geht, dann wird innerhalb von zwölf Monaten eine Lärmkontrolle durchgeführt. Das steht in dem Ministerialerlass und das schreibt der französische Verband Syndicat des énergies renouvelables (SER), in dem sich die Industrie der erneuerbaren Energien organisiert, auf #Faktenfuchs-Anfrage. Der #Faktenfuchs hat zu den Kontrollen und noch weiteren Fragen bezüglich des Urteils das zuständige französische Ministerium kontaktiert. Bis Redaktionsschluss antwortete das Ministerium aber nicht.

Beanstandetes Protokoll regelt Lärmmessung

Im Erlass von 2011 steht selbst nicht, wie genau die Lärmmessung durchgeführt werden soll. Damals wurde auf eine Norm verwiesen, nach der gemessen werden sollte. 2019 richtete das französische Umweltministerium laut dem Online-Medium "Actu" dann eine Arbeitsgruppe ein, "um ein Protokoll für die Messung der Lärmpegel von Onshore-Windparks (...) zu entwickeln".

Dieses neue "Protokoll zur akustischen Messung von Onshore-Windparks" wurde als Anhang eines Ministerialerlasses aus dem Jahr 2021 veröffentlicht. Das Portal Newsguard, das die Glaubwürdigkeit von Webseiten bewertet, vergibt an Actu 100 von 100 möglichen Punkten.

In diesem neuen Protokoll, nach dem die Windkraft-Anlagen seit 2021 gemessen wurden, sind dieselben Grenzwerte wie zehn Jahre zuvor festgelegt. Es wurden damit aber genauere Vorschriften gemacht, wie der Lärm gemessen werden muss. Mikrofone müssen zum Beispiel einer bestimmten gesetzlichen Norm entsprechen, Windmessgeräte dürfen nicht zu laut sein, um die Messungen nicht zu verfälschen.

Das Protokoll gibt auch genaue Anweisungen, welche Daten in einem Abschlussbericht enthalten sein müssen: Das beginnt bei den Namen der Beteiligten, den verwendeten Messmethoden bis hin zu den Wetterbedingungen während der Lärmmessung.

Dieses Protokoll legt damit "die Art und Weise, wie die Schallabstrahlung von Windkraftanlagen zu messen ist" fest, erklärt der Rechtsanwalt Eric Landot in einem Blog-Beitrag. Es betrifft nicht die grundsätzliche Genehmigung der Anlagen.

Sowohl der Erneuerbaren-Verband SER als auch die Expertin Veronique Fröding betonen: Das Protokoll von 2021 sei strenger als die Norm von 2011. Fröding ist Partnerin bei der internationalen Kanzlei DS Avocats, Mitglied im Deutsch-französischen Büro für die Energiewende und spezialisiert auf erneuerbare Energien. Mattias Vandenbulcke, der Vorsitzende des Erneuerbaren-Verbandes France Renouvelables, sagte dem französischen Fernsehsender TF1: Im neuen Protokoll seien zum Beispiel Windschutzvorrichtungen für die Mikrofone oder mehr Befugnisse für unabhängige Kontrollstellen vorgeschrieben waren.

Lärmmessprotokoll wegen Fehlern bei Zulassung aufgehoben

Dieses Protokoll aus 2021 wurde nun vom Staatsrat wegen eines Formfehlers aufgehoben: Der zuständige französische Minister hatte sie erlassen, ohne zuvor die Öffentlichkeit anzuhören. Bei Entscheidungen von Behörden mit Auswirkungen auf die Umwelt muss das aber stattfinden. Was eine öffentliche Anhörung bedeutet, erklärt Rechtsanwältin Veronique Fröding im Gespräch mit dem #Faktenfuchs: "Man macht das im Internet und dann können diesbezüglich alle Franzosen ihre Kommentare abgeben."

Der Staatsrat gab den Klägern also Recht, erklärte aber nicht die grundsätzliche Genehmigung für alle Windkraftanlagen, sondern lediglich dieses aktualisierte Protokoll zur Lärmmessung für unzulässig. Das Urteil habe nichts mit inhaltlichen Fragen zur Genehmigung von Windkraftanlagen zu tun, sagt Tamara Paquet im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Sie ist Chefjuristin in einem Unternehmen, das Windparks in Frankreich entwickelt und betreibt. "Es geht allein um eine Verletzung von Formvorschriften", sagt Paquet.

Das Urteil habe keine Auswirkungen auf den Betrieb von bestehenden und die Genehmigungen von neuen Windkraftanlagen in Frankreich, sagen alle Expertinnen und Experten, die der #Faktenfuchs befragte.

Windkraftanlagen müssen nicht abgebaut werden

"Was wichtig ist: Es gibt kein juristisches Vakuum", sagt Anwältin Veronique Fröding. Denn nun gelte einfach die frühere Norm zur Lärmmessung. Das schreibt auch Rechtsanwalt Eric Landot, der die Falschbehauptungen als "Viel Lärm um Nichts" bezeichnet. Vom französischen Erneuerbare-Energien-Verband SER heißt es: Der französische Staat müsse jetzt ein ordnungsgemäßes Verfahren aufnehmen, um ein neues Protokoll zur Lärm-Messung festzulegen. "Da das aktuelle Protokoll jedoch für ungültig erklärt wurde, gilt das frühere Recht", schreibt der SER. Der #Faktenfuchs stellte diese Frage ebenfalls dem zuständigen französischen Ministerium, erhielt aber keine Antwort.

In einem Bericht des Online-Mediums "Actu" äußerte sich allerdings eine andere staatliche Stelle. Die Verwaltungsbehörde des Departements Orne in der Normandie sagte zu dem Urteil: Die derzeitige Rechtslage führe wieder zu den Bestimmungen im Ministerialerlass aus dem Jahr 2011 für die Lärmmessungen. Zur Erinnerung: Die Grenzwerte für Lärm sind die gleichen geblieben.

"Das Thema Rückbau ist an den Haaren herbeigezogen", sagt Rechtsanwältin Tamara Paquet. Die Betreiber von Windkraftanlagen müssten schlicht nach wie vor nachweisen, dass sie Lärm-Grenzen einhielten. "Was sich möglicherweise verändern wird, sind unter Umständen Messmethoden", sagt Paquet.

Das Deutsch-Französische Büro für die Energiewende antwortete auf #Faktenfuchs-Anfrage: Das zuständige französische Ministerium sei nach einer juristischen Auswertung der Ansicht, dass das Urteil keine Genehmigungsverfahren in Frage stelle.

Der Verband SER schreibt dem #Faktenfuchs: Wenn eine Windkraftanlage nach den strengeren, neuen Messregeln konform war, dann sei sie zwangsläufig auch nach dem alten Recht zulässig. Fröding sagt: "Diese Entscheidung kann in keinem Fall zum Rückbau führen."

Expertinnen: Neue Windräder sind ebenfalls nicht betroffen

Und können derzeit Anlagen gebaut werden? Ja, schreibt SER. Diese würden sich nun einfach an das Protokoll von 2011 halten. "Die Genehmigungen werden weiterhin erteilt", sagt auch Rechtsanwältin Fröding im Gespräch mit dem #Faktenfuchs.

Es könnte sogar sein, dass sich die Windkraft-Betreiber bei den Lärm-Messungen weiter an das strengere Protokoll aus dem Jahr 2021 halten. "Ich kenne keinen Betreiber, der auf die Messtechniken, die es gab, verzichten wird. Grundsätzlich wird sich nichts ändern (...)", sagte Mattias Vendenbulcke von France Renouvables gegenüber dem Fernsehsender TF1.

Sogar die Genehmigungsbehörden könnten das möglicherweise empfehlen, sagt Rechtsanwältin Tamara Paquet - da der Formfehler eventuell bald korrigiert wird und dann wieder das Protokoll aus 2021 gilt. Das Deutsch-Französische Büro für die Energiewende schreibt dem #Faktenfuchs: Es bestehe von Seiten des zuständigen Ministerium wohl grundsätzlich die Absicht, das aufgehobene Protokoll durch ein korrektes Verfahren wieder in Kraft zu setzen.

Fazit

Das oberste französische Verwaltungsgericht hat ein Protokoll zur Lärmmessung bei Windkraftanlagen für unzulässig erklärt. Das hat aber keine praktischen Auswirkungen auf bestehende Anlagen.

Denn nun gilt wieder Recht aus dem Jahr 2011, was dieselben Lärm-Grenzwerte festlegt. Lediglich die Art und Weise, wie die Messung durchgeführt wird, ist nun wieder eine andere. Windräder müssen nicht zurückgebaut werden und können weiterhin genehmigt werden.

Hinweis: Wir haben den Text an zwei Stellen mit weiteren Informationen vom Deutsch-französischen Büro für die Energiewende ergänzt. (26.04.2024, 11:39 Uhr)

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