Wasserentnahmestelle der Firma Siemens an der Saale.
Bildrechte: BR/ Primin Breninek

Für große Wasserentnahmen braucht es eine Erlaubnis. Wer diese erhält, wird von Behörden nicht ohne weiteres öffentlich gemacht.

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Wasserentnahme: Warum sogar der Landtag ungenaue Zahlen bekommt

Welche Betriebe dürfen viel Wasser aus der Natur pumpen? Diese Frage bringt Behörden in Bayern in manchen Fällen in Erklärungsnot. Experten fordern mehr Transparenz – denn selbst ein Bericht für den Landtag enthält Fehler und Lücken.

Über dieses Thema berichtet: Nah dran am .

Wasser ist ein wertvolles Allgemeingut – und in manchen Regionen Bayerns wird es bereits knapp. Zum Beispiel in Unterfranken. Dort mussten während der heißen Sommer der vergangenen Jahre immer wieder Wassersparmaßnahmen eingeführt werden. Es fehlen mittlerweile mehrere Hundert Liter Grundwasserneubildung pro Quadratmeter [externer Link, womöglich Bezahlinhalt].

Größte Wassernutzer werden nicht öffentlich gemacht

In dieser Region gibt es aber auch zahlreiche Unternehmen, einzelne Privatpersonen, kommunale Betriebe und Verbände, die kostenlos Wasser aus dem Boden, aus Flüssen und Seen pumpen dürfen. Sie brauchen dazu lediglich eine Erlaubnis. Doch wer sind die größten Wasserentnehmer? Wer bekommt wie viel?

In Bayern sind diese Informationen für die Öffentlichkeit und die Medien nicht einfach – etwa online – zugänglich. Und selbst wenn der bayerische Landtag informiert werden soll, haben die Behörden Schwierigkeiten.

Im Februar 2024 stellt das Bayerische Umweltministerium den Abgeordneten des Landtags einen internen Bericht zu den Wasserentnahmen in Unterfranken vor. Er wurde bisher nicht veröffentlicht, liegt jedoch einem Rechercheteam von BR24 und der Tageszeitung "Main-Post" vor.

Fehler im Bericht für den Bayerischen Landtag

In diesem Bericht nennt das Ministerium zum Beispiel ein Unternehmen mit einem Wasserrecht in Höhe von 10 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Auf Anfrage des Rechercheteams beim Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg stellte sich heraus: Die Firma gibt es nicht mehr. Den Landtagsabgeordneten wurden offenbar veraltete Daten genannt. Eines der größten Wasserrechte aus dem Bereich Landwirtschaft, dessen Inhaber den Journalistinnen und Journalisten aus früheren Recherchen bekannt war, taucht in dem Schriftstück des Umweltministeriums überhaupt nicht auf.

Weiter wird im Bericht dem Heizkraftwerk Würzburg eine genehmigte Menge von 182.500 Kubikmeter pro Jahr zugeteilt. Eine Nachfrage beim zuständigen Wasserwirtschaftsamt ergab: Die genehmigte Gesamtmenge ist deutlich höher. Mehr als 126 Millionen Kubikmeter pro Jahr darf das Kraftwerk zu Kühlzwecken aus dem Main pumpen. Das Wasser wird nahezu vollständig wieder eingeleitet. Doch auch hier nannte das Schriftstück den Abgeordneten falsche Zahlen.

Von BR24 und der "Main-Post" mit den Problemen konfrontiert, antwortet das bayerische Umweltministerium, man habe die Daten für den Bericht aus Abfragen der Kreisverwaltungsbehörden und Wasserwirtschaftsämter zusammengetragen und dem Landtag übermittelt. "Für konkrete Einzelfälle, bei denen unterschiedliche Daten vorliegen, sind die Hintergründe bei den jeweils zuständigen Behörden zu erfragen", so eine Sprecherin.

Daten sind der Schlüssel für Umgang mit Wasser

Fachleute wie der Hydrologe Harald Kunstmann von der Universität Augsburg sehen hier dringend Nachholbedarf: "Wir sind in einem Hochtechnologieland wie Deutschland technisch und finanziell in der Lage, die tatsächlichen Wasserentnahmen digital und in Echtzeit zu erfassen."

Dies sei auch ein Baustein zur Entbürokratisierung. Wenn Daten automatisch digital erfasst würden, dann entfielen händischer Aufwand und analoge Aktenhaltung, so Kunstmann. Digitale Wasserzähler sollen im Rahmen eines Pilotprojekts in Bayern getestet werden.

Für den Wissenschaftler sind die Daten ein wichtiger Schritt, um Wasserknappheit entgegenzuwirken. "Um zu verstehen, wo und warum sich in Bayern weniger neues Grundwasser bildet, müssen wir alle Teile der Wasserbilanz kennen. Also auch, wo wie viel Wasser tatsächlich entnommen wird. Und das zeitnah. Nur so können wir abschätzen: Macht das Pumpen etwas aus oder ist es unbedenklich?"

Experte: Transparenz kann helfen, Konflikte zu entschärfen

Harald Kunstmann ist außerdem überzeugt, dass man die Daten nicht weiter, wie bisher, von der Öffentlichkeit abschirmen sollte. "Ich denke, Transparenz kann helfen, Konflikte zu entschärfen. Denn dann liegen Informationen auf dem Tisch. Und diese Konflikte entstehen ja, weil unterschiedliche Akteure eben nicht mehr ausreichend Wasser zur Verfügung haben."

Um die Fehler in den Daten zu finden und einen eigenen, möglichst verlässlichen Datensatz zu generieren, hat ein Team von BR24 und der Tageszeitung "Main-Post" monatelang recherchiert. Bereits im Mai 2023 veröffentlichten die Journalistinnen und Journalisten eine Recherche, die erhebliche Datenlücken bei der Kontrolle der rund 2.000 Wasserrechte in Unterfranken aufgedeckte.

Behörden veröffentlichen Daten nicht ohne Weiteres

Die meisten Informationen waren anonymisiert. Dass die Behörden die Namen der Inhaber dieser Wasserrechte nennen, konnte das Rechercheteam, trotz eines Eilantrages beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, damals nicht erwirken.

Nun fragten die Reporterinnen und Reporter nach den Namen der größten Inhaber von Wasserrechten, die eine Entnahme von 100.000 Kubikmetern Wasser pro Jahr oder mehr genehmigen. Ab dieser Höhe gilt eine gesetzliche Pflicht, die tatsächlich genutzten Wassermengen zu erfassen und jährlich an die Wasserwirtschaftsämter zu melden.

Der Auskunftsanspruch musste mehrmals ausführlich begründet werden, die Behörden verwiesen etwa auf Datenschutz oder Geschäftsgeheimnisse. Schließlich stellten sie die Informationen zur Verfügung.

Aus diesen Quellen versuchten die Reporterinnen und Reporter, einen einheitlichen Datensatz zu generieren [externer Link, womöglich Bezahlinhalt].

Das Ergebnis: 70 Wasserrechte, die sich auf rund 60 Entnehmer verteilen. Die folgenden Karten fassen die Informationen zusammen – die Zuordnung zu den Branchen erfolgte redaktionell.

So übersichtlich sich die Informationen hier darstellen – einen Anspruch auf Vollständigkeit kann wieder nicht erhoben werden. Denn bei den Angaben zu den größten Wassernutzern gab es Widersprüche zwischen den einzelnen Datenquellen: Landratsämtern, Städten und Wasserwirtschaftsämtern.

Unstimmigkeiten zwischen den Datenquellen – neues System soll helfen

So konnte es etwa vorkommen, dass ein Wasserrecht von einer Behörde dem Grundwasser, von der anderen Behörde einem Oberflächengewässer zugeordnet wurde. Oder dass ein großer Entnehmer, der den Reportern und Reporterinnen bekannt war, gar nicht auftauchte. Auf diese Weise fielen auch die Fehler im Bericht des Umweltministeriums auf.

Diese Unstimmigkeiten wurden vom Rechercherteam so gut wie möglich aufgelöst, durch vielfache Nachfragen, Rücksprache und Hintergrundgespräche, vor allem mit den Wasserwirtschaftsämtern. Auf die Frage nach der Ursache des Datenchaos sagt Klaus Maslowski vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg: "Keine Wasserentnahme läuft bei uns unter dem Radar! Die Diskrepanzen, die Sie entdeckt haben, sind durch die unterschiedliche Datenhaltung zwischen den Wasserwirtschaftsämtern und den Landratsämtern zu erklären."

Bisher habe es verschiedene Datenbanken für Wasserentnahmen gegeben, die unterschiedlich gut gepflegt waren. Das soll sich jetzt ändern. "Wir lernen aus unseren Fehlern", sagt Maslowski. Allerdings habe sich seit den Berichten von BR24 und "Main-Post" im vergangenen Jahr noch nichts an der engen Personalsituation in seinem Amt getan.

Digitales Wasserbuch soll kommen – aber wird es öffentlich sein?

Das Umweltministerium weist darauf hin, dass die Einführung eines digitalen Wasserbuchs für Bayern und die Stärkung der Datenermittlung und -kontrolle aktuell bereits vorbereitet würden. Inwiefern die Daten jedoch öffentlich einsehbar sein werden, bleibt weiterhin unklar. In mehreren Bundesländern gibt es bereits digitale Wasserbücher – in Niedersachsen sogar inklusive der Namen der Entnehmer.

Dieser Artikel ist erstmals am 16. Mai auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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