Fünf verkaufsfertige Päckchen Haschisch und eine Stichwaffe – das ist die Ausbeute der Polizei-Spürhunde vergangenen Freitag im Alten Botanischen Garten in München. Schwerpunktkontrollen sind hier inzwischen an der Tagesordnung. Nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt hat sich innerhalb weniger Monate eine problematische Trinker- und Dealer-Szene entwickelt.
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2023: Kriminalität im Münchner Bahnhofsviertel um rund 37 Prozent gestiegen
"Warum versteckt man eine Waffe?", fragt Polizist Damian Kania und erklärt gegenüber dem BR-Politikmagazin Kontrovers: "Um sie mit Sicherheit einzusetzen." Es habe hier in der Vergangenheit bereits Auseinandersetzungen mit Waffengewalt gegeben. Seit Längerem versucht die Polizei, dem Treiben Herr zu werden – mit mäßigem Erfolg: Im gesamten Münchner Bahnhofsareal stieg die Kriminalität 2023 laut Polizeiangaben um rund 37 Prozent. Viele Menschen fühlen sich im Viertel rund um den Hauptbahnhof nicht mehr sicher. "Alkoholleichen, sonstige Drogendealer, die da rumgehen – es ist wirklich eine absolute Katastrophe", sagt ein Passant im BR-Politik-Magazin Kontrovers.
Chris Lehner hat so etwas nach eigenen Worten noch nicht erlebt: "Das ist einfach nur ernüchternd, wenn man hier einen der schönsten Plätze Münchens hat", sagt er gegenüber Kontrovers. Seit 2006 betreibt Lehner das Park Café München, einen Biergarten im Alten Botanischen Garten. Es müsse etwas passieren, und zwar nicht nur eine Maßnahme. Er sorge sich, es könnte zu Zuständen wie im Görlitzer Park in Berlin kommen. "Wenn die Stadt da nicht reagiert, dann sind wir in ein paar Jahren da", so die Befürchtung des Gastronoms.
Bauruinen als Rückzugsort für Kriminelle
Auch Kathrin Wickenhäuser – Chefin des Traditionsrestaurants "Münchner Stuben" – beobachtet eine Verrohung der Sitten im Bahnhofsviertel. Als eine Ursache vermutet sie auch die vielen Baustellen in der Gegend. Neben dem Bahnhofsumbau und dem Abriss von Bürohäusern halte sie vor allem den Leerstand der Karstadt-Kaufhof-Gebäude (als Folge der Signa-Pleite) für ein Problem.
"In dieser massiven Ausweitung der Baustellen hat das natürlich auch einen Einfluss auf die Passantenfrequenz", sagt Wickenhäuser. Die Bauruinen zwischen Hauptbahnhof und Altem Botanischem Garten böten unter anderem für Kriminelle einen perfekten Rückzugsort mitten in der Stadt.
Regensburg: Sicherheitsdienst vermisst rechtzeitige Hilfe der Polizei
Es ist eine Situation, die man in Regensburg seit Längerem kennt. Rainer Franz arbeitet bei einem Sicherheitsdienst, der auch für den Edeka-Supermarkt im Regensburger Bahnhof zuständig ist. Dort zeigt eine Tafel an, wie viele Ladendiebstähle in den vergangenen drei Jahren zur Anzeige kamen. Fast täglich gibt es Gewaltausbrüche. Auf einem Überwachungsvideo ist ein Mann zu sehen, der sich massiv gegen eine vorläufige Festnahme wehrt – er hatte Diebesgut bei sich. "Das ist dann ausgeartet", erzählt Franz, "ein Hausverbot wurde gestellt, Körperverletzung wurde angezeigt, Diebstahl auch."
Der Security-Mitarbeiter sieht sich von der Polizei nicht ausreichend unterstützt. Die komme oft nur verspätet oder gleich gar nicht – aus Personalmangel. Auf Nachfrage von Kontrovers erklärt die Bundespolizei, dass sich die Zahl der Dienstposten am Bahnhof Regensburg seit 2017 um 50 Prozent erhöht habe.
Streetworker: Obdachlose und Drogendealer nicht in einen Topf werfen
Dass die Gesamtsituation am Regensburger Bahnhof unbefriedigend sei, bestätigt auch Ben Peter, erfahrener Streetworker der Caritas. Er kritisiert jedoch, die Polizei würde Obdachlose, Drogendealer und Alkoholiker zu oft in einen Topf werfen und kriminalisieren. "Manche haben keine Wohnung, die müssen tagsüber auch irgendwo hin." Der Bahnhof sei auch aufgrund der Anbindung von Bus und Bahn häufig ein gemeinsamer Treffpunkt.
Für einige ist die Gegend schon länger ein zweites Zuhause, so wie für Dieter aus Regensburg: "Ich merke schon, dass komisch geschaut wird. Das nimmt jeder von uns wahr. Aber wir sind nun mal eine Randgruppe. Wo sollen wir hin?"
Verhindert Videoüberwachung Kriminalität?
Um die Probleme mit Kriminalität in den Griff zu bekommen, sollte aufwendige Videoüberwachung helfen. Seit Mitte 2023 beobachten Kameras jeden Winkel auf dem Bahnhofsvorplatz und im angrenzenden Fürst-Anselm-Park. Doch an der Kriminalitätsrate habe sich dadurch nicht viel verändert, sagt Security-Experte Rainer Franz. "Es hat auch einen Nachteil: Es ist zwar alles nachvollziehbar, was war, aber verhindert wird nichts." Die Bundespolizei betont hingegen: Durch die Videoüberwachung könne man schneller erkennen, wenn sich etwas zusammenbraut.
Auch im Alten Botanischen Garten in München soll es bald Videoüberwachung geben. Büsche und Hecken wurden bereits zurückgeschnitten. Die Drogen- und Alkoholiker-Szene soll verdrängt werden – doch wohin?
In München streiten sich Stadt und Land über Zuständigkeiten
Auf Handyvideos ist zu sehen, dass Rettungskräfte aus Angst vor Übergriffen nur mit Polizeischutz in den Alten Botanischen Garten gehen. Anwohner fordern, dass die Stadt München oder das Land Bayern sich stärker engagieren. Eine städtische Task Force ist inzwischen eingerichtet. "Wir haben eine regelmäßige Bestreifung, kommunalen Außendienst, Polizei und alles, was irgendwie eine Uniform trägt", sagt Gastronom Chris Lehner, für ihn kann das nur der Anfang sein: "Jetzt heißt es loszulegen, um dahin zu kommen, wo wir langfristig hinkommen wollen."
Dass sich etwas ändern muss, darin stimmen alle überein – aber es gibt unterschiedliche Zuständigkeiten. Auf Kontrovers-Anfrage teilt das Finanzministerium mit: Der Freistaat sei zwar Eigentümer des Alten Botanischen Gartens, das Platz- und Hausrecht liege aber bei der Stadt München. Das Rathaus wiederum sieht die Polizei in der Verantwortung, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Passanten und Anwohnern dürften die Zuständigkeiten egal sein, solange sich die Situation endlich spürbar verbessert.
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