Wahl


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Unser Wahlsystem Prozente, Sitze, Hürden

Unser Wahlrecht ist nicht so kompliziert wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wir haben zwei Stimmen, aber eine davon ist wichtiger als die andere. Nicht alle Parteien, die antreten, dürfen auch ins Parlament einziehen. Und manchmal stimmt im Verhältniswahlrecht etwas mit dem Verhältnis nicht.

Von: Jürgen P. Lang (Text) / Lydia Gamig (Animationen)

Stand: 28.11.2013 | Archiv

Personalisierte Verhältniswahl

598 Sitze

Der Deutsche Bundestag hat regulär 598 Sitze. Die Hälfte davon - 299 - besetzen die direkt in den Wahlkreisen mit der Erststimme gewählten Abgeordneten. Die andere Hälfte wird über die Landeslisten der Parteien bestimmt. Der prozentuale Anteil der Parteien, der sich aus dieser Zweitstimme ergibt, bestimmt das Verhältnis der Fraktionen im gesamten Parlament. Das deutsche Wahlsystem ist demnach - anders als vielfach angenommen - kein Mischsystem, sondern eine fast reine Verhältniswahl. Lediglich die 5-Prozent-Hürde sorgt für einen mehrheitsbildenden Effekt.

299 Wahlkreise

Jeder der 299 Wahlkreise entsendet also mit den Erststimmen einen Abgeordneten. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen bekommen hat (relative Mehrheit). Eine Stichwahl ist deshalb nicht vorgesehen. Der oder die Abgeordnete vertritt den Wahlkreis im Bundestag (Direktmandat). Damit alle Stimmen gleich viel Gewicht haben, sind die Wahlkreise so zugeschnitten, dass in ihnen annähernd gleich viele Wahlberechtigte leben - etwa 250.000. Abweichungen sind möglich, um den sozialen Verhältnissen vor Ort Rechnung zu tragen.

Entscheidende Zweitstimme

299 weitere Sitze werden durch die wichtigere - für die Mehrheiten im Parlament entscheidende - Zweitstimme vergeben. Das Verhältnis der Zweitstimmen entscheidet darüber, wie stark die einzelnen Parteien im Bundestag vertreten sind. Durch die Möglichkeit, in den Wahlkreisen Personen direkt zu wählen, erhalten die Wähler im Verhältniswahlsystem lediglich einen gewissen, aber begrenzten Einfluss auf die personelle Zusammensetzung des Parlaments. Man spricht deshalb auch von einer "personalisierten Verhältniswahl".

Auszählung, Wertung und Berechnung

Hürde

Parteien, die im gesamten Wahlgebiet unterhalb eines Anteils von fünf Prozent der gültigen Stimmen geblieben sind, werden bei der Verteilung der Sitze nicht berücksichtigt. Wenn ein Wahlkreisbewerber jedoch seinen Wahlkreis erobert hat, behält er seinen Sitz im Bundestag auch dann, wenn seine Partei bei den Zweitstimmen an der Fünfprozenthürde gescheitert ist. Erzielt jedoch eine Partei in drei oder mehr Wahlkreisen das Direktmandat, findet die Fünfprozentklausel auf sie keine Anwendung. Sie wird dann aufgrund ihres Zweitstimmenanteils voll berücksichtigt

Berechnung

Nun wird nach der Divisormethode mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers berechnet, wie viele Mandate jede Partei im Bundestag erhält. Dabei werden nur noch die Zweitstimmen für Parteien berücksichtigt, die an der Mandatsvergabe überhaupt teilnehmen, indem sie die Fünfprozenthürde geschafft oder mindestens drei Direktmandate errungen haben. Nachdem feststeht, wie viele Sitze eine Partei insgesamt im Bundestag hat, werden sie auf die verschiedenen Landesgruppen aufgeteilt. Jede Landesgruppe erhält entsprechend dem Anteil der Zweitstimmen für ihre Landesliste Mandate.

Überhangmandate

Von der Anzahl der Sitze, die eine Landesgruppe im Bundestag erhält, wird die Anzahl der Direktmandate abgezogen. Die ihr verbleibenden Sitze werden mit Listenkandidaten besetzt. Es kommt vor, dass eine Landesgruppe mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr Mandate zustehen. Dennoch ziehen alle erfolgreichen Direktkandidaten in den Bundestag ein. Die Mandate, die zuviel vergeben werden, heißen Überhangmandate. Sie können den Proporz verzerren und dazu führen, dass Parteien umso weniger Mandate erhalten, je mehr Stimmen sie bekommen (negatives Stimmgewicht). Diese Missverhältnisse sollen mit der Wahlrechtsreform durch sogenannte Ausgleichsmandate behoben werden.


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