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Motorflug der Brüder Wright Zwei Brüder heben ab

Orville und Wilbur Wright machten einen Menschheitstraum wahr: Sie bauten ein Fluggerät mit Lenkung und eigenem Antrieb. Damit kamen die beiden Brüder dem Traum vom Fliegen ein gewaltiges Stück näher.

Stand: 02.04.2024 | Archiv

Es war ein Meilenstein für die motorisierte Luftfahrt: Am 17. Dezember 1903 flog Orville Wright mit seinem "Flyer I" am Strand von North Carolina 37 Meter weit. Es war ein "Hopser", der etwa zwölf Sekunden dauerte und der als erster Motorflug der Geschichte gilt. Noch am gleichen Tag gelangen Orville und seinem Bruder Wilbur in den Dünen von Kitty Hawk drei weitere Flüge. Beim letzten flogen sie bereits über 250 Meter weit. Nach jahrelangem Tüfteln und Experimentieren ernteten die Brüder nun den Erfolg ihrer Arbeit.

Otto Lilienthal inspirierte Orville und Wilbur Wright

Die Fahrradwerkstatt von Orville und Wilbur Wright

Orville und sein Bruder Wilbur Wright waren eigentlich Besitzer einer Fahrradwerkstatt in Dayton im US-Bundesstaat Ohio. Begeistert von den Segelflügen Otto Lilienthals hatten sie begonnen, Flugzeugmodelle zu entwerfen und zu bauen. Am Anfang stand ein Flugdrachen, doch bald schon folgten Doppeldecker-Gleiter, die eine Person tragen konnten.

Meisterleistung der Brüder Wright: Ruder steuern ihren Gleiter

Um nicht wie Lilienthal manövrierunfähig den Winden ausgesetzt zu sein, konstruierten die Wrights aerodynamische Ruder zur Steuerung des Gleiters. Das Fluggerät sollte sich um seine drei Achsen bewegen können. Ein Höhenruder erlaubte das Heben oder Senken der Nase des Gleiters, mit dem Seitenruder ließ sich das Fluggerät nach links und rechts drehen und durch ein Querruder konnte es sogar um seine Längsachse gerollt werden. Diese Steuerung ist die eigentliche Meisterleistung der Wright.

Die Brüder Wright tüftelten in den Dünen

Wartungshalle der Wrights in Kitty Hawk

Orville und Wilbur Wright waren für ihre Flugexperimente nach Kitty Hawk gezogen. Sie brauchten den Küstenwind, um ihre Fluggeräte in den Dünen zu testen. Die beiden bauten sogar einen eigenen kleinen Windkanal für ihre Experimente. 1902 hatten sie die Steuerung fertig entwickelt. Nun machten sich die Wrights daran, einen Motor für den Propellerantrieb zu entwickeln.

"Flyer I": Orville und Wilbur Wright bauen das erste Motorflugzeug

Der historische Flug am 17. Dezember 1903, der als erster Motorflug der Geschichte gilt.

1903 war dann das erste Motorflugzeug gebaut: der "Flyer I". Das zierliche Doppeldecker-Einmann-Flugzeug mit strahlend weißen Tragflächen wurde von einem Vierzylinder-Benzinmotor mit 12 PS angetrieben. Aus heutiger Sicht sah es "verkehrt herum" aus: Das Höhenleitwerk war vorne angebracht und die zwei Propeller schoben das Flugzeug von hinten an. Bei späteren Flugzeugen rutschte das Höhenleitwerk nach hinten, während vorne ein Propeller die Maschine zog. Der Pilot lag direkt neben dem Motor bäuchlings auf der unteren Tragfläche und steuerte von dort die Ruder. Das Flugzeug hatte Kufen statt Rollen und glitt auf einem kurzen Holzschienenstück bis zum Punkt des Abhebens.

"17. Dezember 1903: Nachdem der Motor und die Propeller ein paar Minuten gelaufen waren, um sie in betriebsfähigen Zustand zu bringen, bestieg ich die Maschine um 10:35 Uhr für den ersten Versuch. Der Wind wehte laut unseren Anemometern zu dieser Zeit mit ein wenig über 20 Meilen (korrigiert) 27 Meilen gemäß dem Regierungs-Anemometer in Kitty Hawk. Sobald das Seil losgegeben war, startete die Maschine und nahm an Geschwindigkeit zu bis wahrscheinlich 7 oder 8 Meilen.

Die Maschine hob vom Wagen ab, gerade als sie die vierte Schiene erreichte. Mr. Daniels hat ein Bild aufgenommen, in dem Moment als sie die Schienen verließ. Ein plötzlicher Satz, rund 100 Fuß vom Ende der Schienen entfernt, beendete den Flug. Zeit etwa 12 Sekunden (nicht exakt bekannt, da die Uhr nicht sofort gestoppt wurde)."

Aus dem Tagebuch von Orville Wright

Die Brüder Wright versteckten ihren Flugapparat anfangs

Orville Wright bei einem Schauflug in Fort Myer bei Washington, D.C..

Die Welt bekam keinen Wind von diesem sensationellen Ereignis. Orville und Wilbur Wright versteckten ihren Flugapparat vor der Öffentlichkeit. Sie hatten Angst, jemand könnte ihn kopieren und sie so um die Früchte ihrer jahrelangen Arbeit bringen. Deshalb veröffentlichten sie die Bilder von ihrem ersten Flug zuerst nicht und gaben auch keine Vorführungen vor Publikum. Heimlich arbeiteten sie weiter, um ihr Flugzeug zu verbessern.

Die Entwicklung des Motorflugzeugs nimmt Fahrt auf

1905 gelangen ihnen mit dem "Flyer III" bereits Flüge über vierzig Kilometer Strecke und 38 Minuten Dauer. Ab 1908 stellten sie ihr serienreifes "Model A" weltweit bei Schauflügen vor. Gezwungenermaßen, denn auch andere Erfinder arbeiteten an motorisierten Fluggeräten. Deshalb veröffentlichten die Brüder Wright nun auch die Fotos von ihrem ersten Flug. Mit ihren Flugzeugen wollten sie den europäischen Markt erobern.

Patentstreitigkeiten bremsten die Wrights aus

Vorübergehend waren die Wrights erfolgreich. Doch schon bald überschatteten Patentstreitigkeiten in mehreren Ländern die Arbeit von Orville und Wilbur. Sie fanden dadurch kaum noch Zeit, ihre Flugzeuge weiterzuentwickeln. Um 1911 wurden sie von der europäischen Konkurrenz überholt.

Der Kampf der Brüder Wright um den Eintrag in die Geschichtsbücher

1912 starb Wilbur Wright an Typhus - mit ihm war die Zeit der Innovationen zu Ende. Orville Wright ging es nun um ihren Platz in der Geschichte. Die führende technikwissenschaftliche Institution der USA, das Smithsonian, verwehrte den Wrights allerdings die Anerkennung ihres ersten motorisierten Flugs. Das änderte sich erst 1942, nachdem Orville Wright angedeutet hatte, den originalen Kitty Hawk-Flyer dem Smithsonian, dem heutigen "National Air and Space Museum" in Washington, D.C., zu übergeben. Allerdings musste sich das Smithsonian vertraglich darauf festlegen, dass den Wrights mit diesem Fluggerät der erste kontrollierte Motorflug der Geschichte gelungen war. Einige Wissenschaftler sehen in diesem Vertrag einen wichtigen Grund dafür, dass die ersten Flüge anderer Pioniere nicht anerkannt wurden.

Gelang Gustav Weißkopf vor den Wrights der erste Motorflug?

Umstritten ist, ob der Flugpionier Gustav Weißkopf, schon zwei Jahre vor den Brüdern Wright, mit dem ersten motorisierten Fluggerät abhob. Gustav Albin Weißkopf wurde 1. Januar 1874 in Bayern geboren. Der Franke wanderte in die USA aus und nannte sich dort "Gustave Whitehead". In Amerika entwickelt er sein Fluggerät "Nr. 21", auch "Condor" genannt. Das Fluggerät hatte zwei Propeller, angetrieben von einem 20 PS-Motor, und ein Fahrwerk mit einem weiteren zehn PS-Motor.

Laut einem Reporter der lokalen Wochenzeitung "Bridgeport Sunday Herald" gelang ihm damit, am 14. August 1901, der erste motorgetriebene Flug der Geschichte. Der Reporter soll zuerst den unbemannten Testflug und dann den Flug mit Gustav Weißkopf an Bord beobachtet haben. Die "Nr. 21" sei mit Weißkopf einige Minuten in der Luft geblieben und wieder sicher gelandet. Das Foto des Reporters von diesem Flug ist verschollen, vielen Experten fehlt deshalb ein eindeutiger Beweis für den Erstflug von Weißkopf. Es gibt allerdings eine Lithographie, die mit dem Bericht des Reporters am 18. August 1901 abgedruckt wurde.

Suche nach Beweisen für Gustav Weißkopfs Erstflug

Der Bericht des "Bridgeport Sunday Herald" wurde von mehreren anderen Zeitungen aufgegriffen. Der Flughistoriker John Brown fand nach eigenen Angaben unter anderem 136 Artikel über die Motorflüge Weißkopfs aus den Jahren 1901 und 1902. Am 17. Januar 1902 soll ihm mit seinem Modell "Nr. 22" ein Flug von etwa 11 km Länge über den Long Island Sound gelungen sein. Allerdings hat Gustav Weißkopf seine Versuche selbst nicht ausführlich dokumentiert. Erst 1905 beantragte er ein Patent für ein "Aeroplane" - es war ein Gleiter ohne Motor. 

Pioniere der Luftfahrt: Gustav Weißkopf und Brüder Wright

Sicher ist: Gustav Weißkopf gehört zu den bedeutenden Pionieren der Luftfahrt. Ebenso wie die Brüder Wright. Sie haben den Beginn der Geschichte der Luftfahrt und des Motorflugs entscheidend geprägt.

Sendungen und Quellen zu den Brüdern Wright und Gustav Weißkopf


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