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Friedensnobelpreis 2015 Für den Einsatz für die Demokratie in Tunesien

Der Friedensnobelpreis 2015 ging an das tunesische Quartett für nationalen Dialog. Die vier Organisationen setzen sich dafür ein, Tunesien, das Ausgangsland des Arabischen Frühlings, in Richtung einer Demokratie zu führen.

Stand: 09.10.2015 | Archiv

Friedensnobelpreis 2015: Tunesisches Quartett für nationalen Dialog | Bild: picture-alliance/dpa; Montage: BR

Den Friedensnobelpreis 2015 erhielt das tunesische Quartett für den nationalen Dialog - für die Bemühungen, eine pluralistische Demokratie in Tunesien im Zuge des Arabischen Frühlings aufzubauen. Das Quartett schloss sich im Sommer 2013 zusammen, als die Demokratie aufgrund politischer Morde und sozialer Unruhen in Gefahr war. Es stieß einen friedlichen politischen Prozess an, als das Land kurz vor dem Ausbruch eines Bürgerkriegs stand. Insgesamt hat es Tunesien dabei geholfen, über die Jahre ein konstitutionelles Regierungssystem einzuführen, das der gesamten Bevölkerung grundlegende Rechte zusichert - unabhängig vom Geschlecht, von der politischen Überzeugung oder der Glaubensrichtung.

"Es ist der verdiente Lohn für eine Arbeit an der Demokratie, für ein Festhalten an der Idee, dass ein Volk, das eine Diktatur abgeschüttelt hat, etwas besseres verdient als eine neue Diktatur."

Erklärung der Bundesregierung durch Regierungssprecher Steffen Seibert

Hinter der treibenden Kraft stehen vier Organisationen

Houcine Abassi, Generalsekretär des tunesischen Gewerkschaftsverbands UGTT

Das Quartett besteht aus dem tunesischen Gewerkschaftsverband (UGTT), dem Arbeitgeberverband (UTICA), der Menschenrechtsliga (LTDH) und der Anwaltskammer. Diese vier Mitglieder repräsentieren verschiedene Bereiche und Werte in der tunesischen Gesellschaft: das Arbeitsleben, die staatliche Fürsorge, Grundsätze des Rechtsstaates und die Menschenrechte.

Auf dieser Basis habe sich das Quartett infolge des Sturzes des tunesischen Machthabers Zine El Abidine Ben Ali als Vermittler und treibende Kraft mit großer moralischer Autorität bemüht, Tunesien einen Übergang zur Demokratie zu ermöglichen, verkündete das Nobel-Komitee. Es förderte einen friedlichen Dialog zwischen Bürgern und Parteien und half dabei, übereinstimmende Lösungen für viele Herausforderungen zu finden. Der breitaufgefächerte nationale Dialog, den das Quartett erfolgreich etabliert hat, habe der weiteren Verbreitung der Gewalt in Tunesien entgegen gewirkt.

"Es ist ein Preis, der die mehr als zweijährigen Anstrengungen des Quartetts krönt, zu einer Zeit, als das Land an allen Fronten in Gefahr war."

Houcine Abassi, UGTT-Generalsekretär nach der Bekanntgabe

Den Weg zur Demokratie sichern

Das Nobel-Komitee betonte, der Friedensnobelpreis gehe an das gesamte Quartett, nicht an die vier Einzelorganisationen. Mit der Entscheidung äußerte die Jury die Hoffnung, dass der Nobelpreis Tunesiens Weg zur Demokratie sichern werde. Der Preis solle aber auch "Ansporn für alle sein, die Frieden und Demokratie im Nahen Osten, Nordafrika und im Rest der Welt voranbringen wollen".

"Vor allem soll der Preis eine Ermutigung für das tunesische Volk sein, das trotz der großen Herausforderungen den Grundstein für eine nationale Verbrüderung gelegt hat."

Begründung des Nobel-Komittees

Der Arabische Frühling

Die Proteste im Zuge des Arabischen Frühlings setzten Ende 2010 in Tunesien ein, weiteten sich aber schnell auf andere Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten aus. Mehrere Machthaber arabischer Länder wurden in Volksaufständen gestürzt. In vielen Ländern ist der Kampf für die Demokratie und Grundrechte zum Stillstand gekommen oder hat Rückschläge erlitten. Tunesien jedoch habe mit seinen Einwohnern, die Respekt für grundlegende Menschenrechte fordern, einen Wandel hin zur Demokratie vollzogen, erklärte das Nobel-Komitee. Allerdings wurde die noch junge und fragile Demokratie in diesem Jahr von zwei blutigen Terroranschlägen auf Touristen erschüttert: Im März kamen 22 Menschen bei einem Anschlag im Nationalmuseum in Tunis ums Leben. Im Juni wurden 38 Menschen im Urlaubsort Sousse erschossen.

Insgesamt standen 68 Organisationen zur Wahl

Mitglieder des Nationalen Dialogquartetts

205 Personen und 68 Organisationen waren laut dem norwegischen Nobelkomitee für den Preis vorgeschlagen. Der Friedensnobelpreis ist mit acht Millionen schwedischen Kronen - rund 850.000 Euro - dotiert. Anders als die anderen Nobelpreise wird er traditionell nicht in Stockholm, sondern in der norwegischen Hauptstadt Oslo bekanntgegeben. Überreicht werden alle Preise am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Bislang fünf deutsche Friedens-Nobelpreisträger

1901 wurde der Friedensnobelpreis zum ersten Mal vergeben - an Henri Dunant, den Gründer des Roten Kreuzes, und an Frédéric Passy, den Gründer der französischen Friedensgesellschaft. Seither haben insgesamt fünf Deutsche den Friedensnobelpreis erhalten - zuletzt 1971 der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt für seine Ostpolitik. Wer noch in den vergangenen Jahren mit dem Preis geehrt wurde, finden Sie in unserer Galerie der Gekürten.

Tauben, Falken und der Spatz in der Hand - Friedensnobelpreise

Die Entscheidungsträger

Web-Tipp

Der Friedensnobelpreis ist der einzige der renommierten Preise im Gedenken Alfred Nobels, der nicht vom schwedischen, sondern einem norwegischen Komitee vergeben wird. Nobel selbst hat nie erklärt, wie es zu dieser Ortswahl kommt. Doch da zu Nobels Lebzeiten Schweden und Norwegen noch vereinigt waren und das norwegische Parlament nur für innenpolitische Fragen verantwortlich war, hielt Nobel die Norweger vermutlich für nicht so leicht manipulierbar. Vergeben wird der Preis von fünf Politikern, die vom norwegischen Parlament gewählt werden.

"dem, der am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker und für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen gewirkt hat."

Alfred Nobel darüber, wem der Friedensnobelpreis gebührt

Preisträger der vergangenen Jahre

  • 2014: Malala Yousafzai (Pakistan) & Kailash Satyarthi (Indien) für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und für deren Recht auf Bildung
  • 2013: Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OVCW) für ihren weltweiten Einsatz gegen Chemiewaffen
  • 2012: Die Europäische Union für ihre jahrzehntelange Verbreitung von Frieden und Versöhnung
  • 2011: Ellen Johnson Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman für ihren gewaltfreien Kampf für die Sicherheit von Frauen und für das Recht der Frauen auf volle Beteiligung an friedensbildender Arbeit.
  • 2010: Liu Xiaobo, inhaftierter Dissident und Bürgerrechtler aus China
  • 2009: US-Präsident Barack Obama für seine Bemühungen um eine Stärkung der internationalen Diplomatie
  • 2008: Martti Ahtisaari für seine Vermittlungen in zahlreichen internationalen Kriegen und Konflikten
  • 2007: Al Gore und der Weltklimarat für ihren Kampf gegen den Klimawandel
  • 2006: Professor Mohammed Junus für seine Grameen Bank in Bangladesch
  • 2005: Die Internationale Atomenergieorganisation IAEO und ihr Generalsekretär Mohammed el-Baradei
  • 2004: Wangari Muta Maathai
  • 2003: Schirin Ebadi
  • 2002: Jimmy Carter
  • 2001: Die UNO und ihr Generalsekretär Kofi Annan

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