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Chili-Forschung Wenn es im Mund brennt

Es ist das schärfste Lebensmittel überhaupt: Chili. Was ist so scharf daran? Wie wirkt Chili auf den Körper und was tun, wenn das Essen zu scharf war? Die Wissenschaft hilft, wenn es im Mund brennt.

Stand: 20.02.2024

Capsaicinoide heißen die Stoffe, die Chili und Paprika so scharf machen. Vor allem Capsaicin und Dihydrocapsaicin sorgen für das Brennen im Mund. Sie reizen Nervenendigungen im Mund, die sogenannten Nozizeptoren. Diese warnen sonst, wenn man sich den Mund verbrennt - was auch das brennende Gefühl bei scharfem Essen erklärt.

Der Körper reagiert auf Capsaicin mit erhöhter Durchblutung und schüttet das Glückshormon Endorphin aus. Es kann dabei zu einem euphorischen Zustand kommen, dem sogenannten "Pepper-High". Dann wird scharfes Essen auch nicht nur als schmerzend empfunden.

Chili-Wissen

Chili oder Chilli?

Korrekt heißt die Pflanze Chili, aber ihre Früchte werden häufig auch Chillies genannt. Das ist übernommen aus der englischen Schreibweise. Und die stammt angeblich wiederum von der ursprünglichen mexikanischen Bezeichnung chilli. Allerdings heißen Chili dort inzwischen chile.

Welcher Teil des Chili ist am schärfsten?

Als besonders scharf gelten oft die Samen des Chili, dabei enthalten sie gar kein Capsaicin. Dieses ist im Fruchtfleisch enthalten. Besonders viel Capsaicin befindet sich in der Plazenta, dem hell orangefarbenen Teil in den Chilis, an dem die Samen hängen. Und genau deshalb haben die Kerne den Ruf, besonders scharf zu sein: Sie haben direkten Kontakt mit der Plazenta.

Chilis sind keine Schoten

Obwohl sie oft Chilischoten genannt werden, sind Chilis keine Schoten. Die Früchte der Pflanzengattung Capsicum (Paprika), zu der auch Chilis gehören, sind botanisch gesehen Beeren.

Wärmepflaster enthalten Capsaicin

Der Wirkstoff der meisten Wärmepflaster ist Capsaicin. Wie auch im Mund reizt das Capsaicin die Nerven in der Haut und sorgt für erhöhte Durchblutung, das wärmt. Auch in wärmenden Cremes und Salben ist oft Capsaicin enthalten.

Vögel schmecken keine Schärfe

Capsaicinoide sind nur für Säugetiere scharf. Vögel dagegen können keine Schärfe schmecken. Ein evolutionärer Trick von Chilipflanzen und anderen scharfen Schoten: Da Vögel meist längere Strecken zurücklegen, verbreiten sie die gefressenen Samen beim Ausscheiden in einem sehr großen Bereich. Säugetiere jedoch, die sich in kleinerem Umfeld bewegen, soll die Schärfe von den Früchten fernhalten.

Listiges Hörnchen mag es scharf

Nördliches Spitzhörnchen

Die Evolution hilft aber nicht nur Chilis, sondern auch einzelnen Säugetieren, wie dem Nördlichen Spitzenhörnchen. Eine winzige Mutation bei seinem Schärfe-Rezeptor sorgt dafür, dass Capsaicinoide dort nicht so gut andocken. Das haben chinesische Forscher festgestellt, die dem kleinen Baumbewohner, der eng mit Primaten verwandt ist, eine Chili nach der anderen zu futtern gaben.

Wie gesund ist Capsaicin?

Ob Capsaicin gut für den Körper ist oder nicht, darüber streitet sich die Forschungsgemeinschaft seit Jahrzenten. Einige Studien ordnen es als Karzinogen, also als krebserregende Substanz, ein. Andere wiederum haben festgestellt, dass Capsaicin bei der Tumorbehandlung helfen kann.
Eine Langzeitanwendung von Capsaicin auf der Haut von Mäusen hat, zusammen mit einem sogenannten Tumorpromoter, zu erhöhtem Hautkrebsrisiko geführt. Ein Tumorpromoter ist ein Stoff, der Tumoren nicht auslöst, Tumorwachstum aber begünstigt. Die äußere Anwendung von Capsaicin zusammen mit Sonnenlicht, auch ein Tumorpromoter, könnte also gesundheitsschädlich sein. Dagegen wurde in einer anderen Studie gezeigt, dass Capsaicin das Wachstum von Prostata-Tumorzellen bremsen kann.

Das Bundesamt für Risikobewertung geht davon aus, dass scharfes südamerikanisches oder asiatisches Essen bei Erwachsenen keine "akut gesundheitsschädigende Wirkung" hat.

Scharfes Forschungsprojekt

Désirée Schneider, Ernährungswissenschaftlerin

Wie lange und wie intensiv etwas als scharf wahrgenommen wird, hängt stark davon ab, mit welchen Lebensmitteln die Schärfe eingenommen wird. Die Ernährungswissenschaftlerin Désirée Schneider untersuchte deshalb, wie scharf Capsaicin zusammen mit Öl beziehungsweise Wasser wirkt. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im September 2014 veröffentlicht.

An der Hochschule Fulda ließ Schneider einige Probanden in Wasser beziehungsweise in Sonnenblumenöl gelöstes Capsaicin probieren. Die Konzentration des Capsaicins wurde dabei immer weiter erhöht, um die Reizschwelle der Probanden herauszufinden. Ergebnis: In Öl war diese etwa zehn mal so hoch wie in Wasser, die Probanden konnten also die zehnfache Schärfemenge ertragen.

Woran liegt das? Capsaicin ist lipophil, also fettlöslich. Bei in Öl aufgenommenem Capsaicin wird die Bindung an die Nozizeptoren im Mund gestört. Es wirkt also nicht so scharf. Wasser dagegen verteilt das Capsaicin nur im Mund und lässt die Zunge noch mehr brennen.

Scharfe Maßeinheiten

Am bekanntesten ist die Scoville-Skala, die der Pharmakologe Wilbur L. Scoville 1912 entwickelte. Bei Scovilles Test wird die untersuchte Probe so lange verdünnt, bis gerade keine Schärfe mehr zu schmecken ist. Der Grad der Verdünnung ist der Scoville-Grad. Unscharfe Paprika hat 0 Scoville, reine Capsaicinoide haben zwischen 15.000.000 und 16.000.000 Scoville. Das bedeutet, dass 15 Millionen Milliliter (15.000 Liter) Wasser benötigt werden, um einen Milliliter reines Capsaicin zu neutralisieren.
Da jeder Mensch Schärfe unterschiedlich stark gewöhnt ist, ist die Scoville-Skala für den Einzelnen aber recht ungenau. Heute wird meist ein Verfahren verwendet, das die Konzentration von Capsaicin misst: die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC). Besteht eine Probe zu einem Millionstel aus Capsaicin (0,0001 Prozent) entspricht dies etwa 15 Scoville. Wegen der größeren Bekanntheit werden die HPLC-Werte aber oft trotzdem in Scoville umgerechnet. Beim Umrechnen erhält man allerdings Werte, die ca. ein Drittel niedriger sind als die Werte, die beim Scoville-Test herauskommen würden.

Salsa ist nicht gleich Salsa

Désirée Schneider untersucht die Schärfe einer Salsa

Dass sich Fett oder Wasser auf die Schärfe auswirken, ist auch bei der Verarbeitung von Chili zu beachten: Eine Salsa auf Wasserbasis kann sehr viel schärfer sein als eine auf Ölbasis. Auch, wenn beide Soßen die gleiche Menge Chili enthalten.

Die Schärfe einer Salsa hängt aber auch von ihrer Komplexität ab, fand Désirée Schneider heraus. Ist die Soße aus sehr vielen verschiedenen Komponenten zusammengesetzt, kann sie viel mehr Capsaicin enthalten. Das führt dazu, dass scharfe Soßen allein durch die beigegebenen Stoffe (Fett, Stärke, Zucker, Gewürze) gleich scharf schmecken können, obwohl in einer Salsa doppelt so viel Capsaicin enthalten ist.

Was hilft gegen Schärfe?

Wie scharf etwas schmeckt, hängt aber nicht nur vom Fett ab. Auch die Anteile von Stärke und Zucker spielen eine wichtige Rolle. Einen zu geringen Fettanteil kann man bei einer Salsa mit viel Stärke und Zucker ausgleichen, auch das lässt sie weniger scharf werden. Désirée Schneider testete deshalb verschiedene Kombinationen dieser Inhaltsstoffe. Was hilft am besten, wenn der Mund brennt? Kartoffelstärke, süße Sahne oder vielleicht Vanillepudding?

Das Ergebnis: Der beste Schärfelöscher ist Mascarpone, am besten auf ungeröstetem Toastbrot. Denn der italienische Frischkäse hat einen Fettanteil von 80 Prozent in der Trockenmasse und das Toastbrot dient wie ein Zungenschaber, der die Schärfe von der Zunge reibt. Der Weg zu diesem Ergebnis war für Désirée Schneider und ihre Probanden allerdings ganz schön hart:

"Bis wir das herausgefunden haben, mussten meine Probanden und ich aber ganz schön leiden."

Désirée Schneider, Ernährungswissenschaftlerin Hochschule Fulda


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