Vom Vulkanologen zum Astronauten

Alexander Gerst im Porträt Vom Vulkanologen zum Astronauten

Stand: 26.05.2020

Der Weg in den Weltraum war weit: Fast fünf Jahre trainierte Alexander Gerst für seinen ersten Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation. Doch der Entdeckerdrang führte Gerst schon in die Ferne, bevor er Astronaut wurde.

Mit seinem ersten Flug zur ISS im Jahr 2014 erfüllte sich für Astronaut Alexander Gerst ein Kindheitstraum: "Soweit ich mich zurückerinnern kann, hat mich das schon immer fasziniert, Astronaut zu werden. Ich war schon immer neugierig und hatte das Glück, dass ich Eltern und Großeltern hatte, die nie versucht haben, mir diese Neugier auszutreiben."

Vielleicht hat auch Science-Fiction den Traum vom Astronauten-Leben bei ihm geweckt: Er habe als Kind immer "Captain Future" angeschaut, erzählte Gerst mehrfach in Interviews. Auch der Bayerische Rundfunk hat ihn schon längst ins Weltall entführt: Die Space Night sei ein Teil von ihm, vor ihr sei er "eher Tage als Stunden" einfach "hängengeblieben".

Vom Vulkanologen zum Astronauten

"Wenn das mit der Bewerbung als Astronaut nicht geklappt hätte, wäre ich wohl nach Alaska gezogen, um Vulkane zu erkunden", sagte Gerst, der Geophysik studiert hat und bereits in der Antarktis und Neuseeland als Vulkanforscher unterwegs war. Noch während er an seiner Doktorarbeit schrieb, bewarb sich Alexander Gerst für das Astronautenkorps der ESA - und setzte sich gegen mehr als 8.400 Konkurrenten durch. Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) heißt es, er könne gut mit Menschen umgehen, sei ein Teamarbeiter und Kommunikator. In die Schwerelosigkeit lockten Alexander Gerst besonders Fragen nach der Herkunft des Mondes, nach Leben auf dem Mars, oder danach, wie weit Menschen ins All vordringen können.

"Sobald ich auf etwas stoße, was ich nicht sofort verstehe, bin ich interessiert. Und der Weltraum ist eben das Größte um uns herum, das wir nicht verstehen."

Alexander Gerst

Alexander Gerst über sich selbst: risikoscheu, aber albtraumfrei

Albträume, in denen er unkontrolliert durchs Weltall taumelt, kenne er nicht. Wenn er vom All träume, dann nur positiv: "Ich war immer mit meiner Crew im Raumschiff unterwegs. Aber es waren immer interessante und manchmal witzige Szenen, es hatte nichts Bedrückendes." Dabei sagte Gerst von sich selbst, dass er ein risikoscheuer Mensch sei. "Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht nicht überzeugend, aber das ist wirklich so. Ich bin sehr vorsichtig." Als Astronaut müsse man zwar ein gewisses Risiko eingehen, aber es werde alles getan, es so niedrig wie möglich zu halten. "Dennoch ist mir natürlich klar, dass es ein Restrisiko gibt - das ich für Dinge, die mir wichtig sind, einzugehen bereit bin."

"Mein Ziel ist es, oben so viele Eindrücke wie möglich aufzusaugen. Ich will diese Perspektive von außen gewinnen. Und ich glaube, dass ich dann als ein anderer Mensch auf die Erde zurückkehre."

Alexander Gerst

Aufrufe gegen die Zerstörung der Umwelt

Alexander Gerst hat wiederholt zu mehr Umweltschutz aufgerufen. In seinem Twitter-Account postete er während seines zweiten Aufenthalts auf der ISS im Jahr 2018 zahlreiche Fotos, beispielsweise von verdorrten Landschaften in Europa im Sommer 2018 und den verheerenden Waldbränden in Kalifornien. In einer Videobotschaft vom 19. Dezember 2018, kurz vor seiner Rückkehr zur Erde, richtete er sich in einer fünfminütigen "Nachricht an meine Enkelkinder" an künftige Generationen. Er beschreibt, was die Menschheit aus seiner Sicht ändern muss, damit die Erde ein lebenswerter Planet bleibt.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Nachricht an meine Enkelkinder  [with Closed Captions] | Bild: European Space Agency, ESA (via YouTube)

Nachricht an meine Enkelkinder [with Closed Captions]

Alexander Gerst - Biografie des deutschen Astronauten

  • Alexander Gerst wurde am 3. Mai 1976 in Künzelsau, Baden-Württemberg, geboren.
  • Nach dem Abitur studierte er in Karlsruhe und Wellington, Neuseeland, Geophysik.
  • Schon während des Studiums machte er sich als angehender Vulkanologe einen Namen: Während seiner Forschungen an einem neuseeländischen Vulkan entdeckte er zeitliche Spannungsänderungen in der Erdkruste.
  • 2003 erhielt er sein Diplom in Geophysik von der Universität Karlsruhe und seinen Master in Geowissenschaften von der Victoria University in Wellington.
  • Von 2004 bis 2009 arbeitete Gerst am Institut für Geophysik der Universität Hamburg, wo er neue Instrumente für die vulkanische Forschung mitentwickelte.
  • Ab 2005 schrieb er an seiner Dissertation über die Eruptionsdynamik des antarktischen Vulkans Mount Erebus, mit der er im Mai 2010 promovierte.
  • 2008 bewarb er sich um eine Aufnahme in die Astronautenabteilung der ESA.
  • Im September 2009 nahm er seine Raumfahrerausbildung im Europäischen Astronautenzentrum in Köln auf.
  • Von September bis November 2010 absolvierte er einen Grundkurs in russischer Raumfahrttechnik im Sternenstädtchen in Moskau.
  • Im November 2010 erhielt er sein offizielles ESA-Astronauten-Zertifikat.
  • Im August 2011 wurde Gerst als Besatzungsmitglied für die ISS-Crew 40/41 benannt.
  • Die missionsspezifischen Vorbereitungen begannen im April 2012 im Moskauer Sternenstädtchen.
  • Im Mai 2014 flog er zur ISS und lebte und arbeitete dort sechs Monate lang.
  • Am 10. November 2014 landete er wieder auf der Erde. Körperlich hatte er den Flug und die Landung gut überstanden.
  • Am 13. Januar 2015 erhielt Gerst das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse von Bundespräsident Joachim Gauck.
  • Am 8. Juni 2018 flog er für die Mission Horizons wieder zur ISS. Am 3. Oktober 2018 übernahm er als erster deutscher und zweiter europäischer Astronaut das Kommando auf der ISS.
  • Am 20. Dezember 2018 landete Gerst wieder sicher in der kasachischen Steppe.
  • Alexander Gerst nahm seither an verschiedenen Forschungsprojekten der ESA teil, etwa als "Cavenaut" im Höhlungsforschungsprojekt ESA Caves 2019 oder dem 2019 ANSMET-Lager in der Antarktis. Mehr über seine aktuellen Tätigkeiten finden sich im Blog von Alexander Gerst bei der ESA.

Der dritte deutsche Astronaut auf der ISS

Alexander Gerst gehört seit 2009 dem Europäischen Astronautenkorps an. Mehrmals hatte er sich als Ersatzmann bereitgehalten, falls ein Astronaut ausgefallen wäre. Doch erst 2014 war Gerst an der Reihe. Bei seinem ersten Raumflug reiste er als elfter Deutscher ins All und war der dritte deutsche Raumfahrer auf der ISS, nach Thomas Reiter (2006) und Hans Schlegel (2008). Dafür musste Alexander Gerst fast fünf Jahre lang trainieren.

Die Mühe lohnte sich doppelt: Vom 8. Juni bis zum 20. Dezember 2018 war Alexander Gerst ein zweites Mal im All. In der zweiten Hälfte seines Aufenthalts übernahm er das Kommando auf der ISS, als erster deutscher und zweiter europäischer Astronaut.

Die Sprache auf der ISS: Russisch oder "Kosmisch"

Letzte Prüfungen

Das Härteste an der Ausbildung sei der dreimonatige Sprachkurs gewesen, meinte Alexander Gerst: Auf der ISS wird Russisch gesprochen. "Die Geräte hast du irgendwann im Griff, aber eine Sprache hast du nie zu Ende gelernt", sagte er. Natürlich gleite die Crew ab und zu ins Englische ab, etwa bei Gesprächen über Privates oder über politische Themen, meinte sein US-amerikanischer Kollege Gregory Reid Wiseman. "Wenn es gar nicht mehr weiter geht, sprechen wir einfach 'Kosmisch' - so eine Mischung aus allem", erzählte Gerst.

Ein eingeschworenes Team

Einen großen Teil des Trainings absolvierte Alexander Gerst zusammen mit den späteren Crew-Kollegen seines ersten ISS-Aufenthalts, dem russischen Kosmonauten Maxim Surajew und dem US-Astronauten Gregory Reid Wiseman. "Wir sind Freunde", erzählte Gerst. Zwei Jahre lang trainierte er mit den beiden gemeinsam, verbrachte mit ihnen Tage bei minus 30 Grad in einem russischen Wald, ohne Schlafsack und Zelt. "Danach kennt man die Macken der anderen und weiß auch, wie man selbst reagiert."