Kultur - Literatur


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Elisabeth Mann Anwältin der Meere

Elisabeth ist das Lieblingskind ihres Vaters und möchte zunächst Konzert-Pianistin werden. Dieser Wunsch stößt bei den Eltern auf wenig Gegenliebe, woraufhin sich Elisabeth dem Feminismus widmet und sich unglücklich verliebt.

Stand: 03.11.2011 | Archiv

Illustration: Die Kinder der Manns / Elisabeth Mann | Bild: BR, Monacensia, Montage: BR/Tanja Begovic

Das Meer spielte immer eine große Rolle in den Leben der Manns. Thomas Mann wurde in der Ostsee-Stadt Lübeck geboren. Die Familie verbrachte ihre Urlaube häufig in italienischen Badeorten, Ende der 20er- bis Anfang der 30er-Jahre besaß sie ein Ferienhaus auf der Kurischen Nehrung im Baltikum. Monika Mann wäre bei einem Schiffbruch im Atlantik beinahe ums Leben gekommen, später verbrachte sie 30 Jahre an der Capri-Küste. Eine der Töchter aber machte das Meer zu ihrer Passion, zu ihrem Beruf: Elisabeth Mann, politisch engagierte Meeresschützerin und Professorin für Internationales Seerecht, die bis zu ihrem Tod im Jahr 2002 in einem verwitterten Holzhaus an der kanadischen Atlantikküste lebte.

Vaters Liebling

Elisabeth Veronika wird am 24. April 1918 als fünftes Kind von Thomas und Katia Mann geboren. Der Vater ist von dem Baby ungewohnt entzückt, das er - wie er in einem Brief bekennt - "... vom ersten Tag an mehr liebte, als die anderen vier zusammengenommen. Ich weiß nicht warum." Er widmet seiner jüngsten Tochter den "Gesang vom Kindchen" - literarisch nicht sein bestes Werk, aber ein hymnisches Denkmal für Elisabeth.

Väterliche Kälte, die andere Mann-Kinder zu spüren bekommen, bleibt ihr erspart. Im Gegensatz zum ein Jahr später geborenen Michael wird ihr offenbar das Gefühl gegeben, erwünscht und geliebt zu sein. Als "Prinzessin Dulala" oder "Medi" genießt sie beim Vater eine Vorzugsstellung, durch die sie - im Unterschied zu den meisten ihrer Geschwister - später eine stabile Persönlichkeit entwickeln kann.

Bulimische Störungen

Elisabeth Mann | Bild: Monacensia

Burschikose Jugend

Nur während der Pubertät leidet sie unter einem herabgesetzten Selbstwertgefühl. Sie hält sich für weniger schön als ihre aparte große Schwester Erika und weniger klug als Golo. Ihre Komplexe verbirgt sie dadurch, dass sie sich betont unweiblich in burschikosem Outfit zeigt. In dieser Zeit ist sie hypernervös und erkrankt zudem am klassischen Mädchenleiden Bulimie: einer Ess-Störung.

Nach der unfreiwilligen Emigration lebt die Familie seit 1933 in Küsnacht bei Zürich. Elisabeth Mann setzt dort ihre intensiven Klavier-Etüden, die sie in München begonnen hat, fort und besucht das Konservatorium, um sich zur Konzertpianistin ausbilden zu lassen.

"Sie waren Male Chauvinists, beide Eltern ... Mein Vater hat gelegentlich gesagt: Frauen sind gute zweite Klasse."

Elisabeth Mann über ihre Eltern

Feministische Studien

Davon sind die Eltern allerdings wenig begeistert, weil Mädchen für diesen Beruf ihrer Meinung nach nicht geschaffen seien. Das wiederum provoziert die junge Elisabeth Mann, sich mit Frauenrecht auseinanderzusetzen.

Schon morgens um vier Uhr steht sie auf, um feministische Schriften zu studieren und setzt damit gewissermaßen eine Tradition der Familie fort: Ihre Urgroßmutter mütterlicherseits, Hedwig Dohm (1831-1919), war eine der ersten deutschen Frauenrechtlerinnen. Daneben entdeckt sie die Literatur. Schon früh kommt sie mit Baudelaires Lyrik aus den "Blumen des Bösen" in Berührung. Vor allem die Zeile "O freier Mann, du liebst für alle Zeiten das Meer!" lässt in ihr eine Sehnsucht nach der See erwachen, die sie nie mehr loslassen wird.

Unglücklich verliebt: Elisabeth Mann 1938

Mitte der 30er-Jahre lernt Elisabeth Mann über ihre älteren Geschwister Klaus und Erika Fritz Landshoff kennen. Er leitet den Amsterdamer Querido-Verlag, zu jener Zeit die Plattform für deutschsprachige Exil-Literaten wie Heinrich Mann, Joseph Roth oder Bruno Frank. Die 15-jährige Elisabeth Mann verliebt sich in den gut aussehenden Mann, der zudem noch auf der "richtigen" Seite steht. Mit 19 wagt sie es dann, ihm ihre Liebe zu gestehen, wird von dem 37-Jährigen jedoch abgewiesen. Aber Elisabeth Mann hat in Landshoff quasi den Archetyp ihrer folgenden Männer getroffen: wesentlich älter, hoch intelligent und politisch engagiert.


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