Kultur - Film und Serie


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Werner Herzog Der Mann fürs Extreme

Er gilt als Grenzgänger des deutschen Films. Werner Herzog bewegt sich eigenwillig zwischen Hollywood-Kino, Oper und Dokumentarfilm - und macht es sich und seinem Team selten einfach.

Stand: 24.04.2013 | Archiv

Werner Herzog | Bild: picture-alliance/dpa

Bequem und angepasst war Herzog noch nie. In seinen frühen Filmen verweigerte er sich konsequent dem stringenten Erzählkino. Stattdessen bebildere er "den Krankheitszustand unserer Zivilisation", wie ein Kritiker schrieb. Mit Vorliebe zeigt Herzog Besessene, in "Aguirre" und "Fitzcarraldo" etwa widmete er sich ekstatischen Männern. Sein Star in fünf Filmen war Klaus Kinski, eine fruchtbare und mitunter sadomasochistische Beziehung zugleich. Nach Kinskis Tod erzählte Herzog in seinem umjubelten Dokumentarfilm "Mein liebster Feind" von der ungewöhnlichen Freundschaft. 

Ehrenpreis für sein Lebenswerk

Am Freitag wird der in Los Angeles lebende Regisseur, Produzent, Schauspieler und Autor im Rahmen des Deutschen Filmpreises 2013 mit dem Ehrenpreis für hervorragende Verdienste um den deutschen Film ausgezeichnet. Herzog weiß diese Würdigung zu schätzen und freut sich über die "höchste Ehrung, die man im deutschen Film erhalten kann."

Klaus Kinski (r.) und Werner Herzog während der Dreharbeiten zu dem Spielfilm "Cobra Verde" (1987)

Für seine Projekte scheut Herzog weder körperliche noch finanzielle Strapazen. Auf der Suche nach dem Authentischen ließ er für die Dreharbeiten von "Fitzcarraldo" Indios ein Boot über einen Berg ziehen. Ob er mit diesem Wahnsinn, auch in finanzieller Hinsicht, eine Produktion ruiniert, ist ihm egal. In der Filmszene gilt Herzog deshalb als schwieriger Charakter, der sich schon früh seinen eigenen Weg gesucht hat.

Autodidakt und Individualist

Geboren 1942 als Werner H. Stipetic in München, aufgewachsen auf einem Bauernhof in Oberbayern, verneint Herzog jede Form von Kategorisierung. Genau so abwechslungsreich wie sein filmisches Schaffen verlief sein bisheriges Leben. Aus Protest gegen den Atheismus des Vaters wurde er Katholik. Nach dem Abitur studierte er in den USA und verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Schmuggel von Handfeuerwaffen und Fernsehgeräten. Seine Leidenschaft für den Film entdeckte er früh, baute sie autodidaktisch aus und finanzierte sie unter anderem als Akkordarbeiter in der Stahlindustrie.

Werner Herzogs "Fidelio"-Inszenierung in der Mailänder Scala

Sein Werk umfasst neben Dokumentar- und Spielfilmen auch Prosa und Drehbücher. Zudem gilt er seit Mitt der 1980er-Jahre als renommierter Opernregisseur. Schon in "Fitzcarraldo" ließ er mit einem Grammophon Operntöne durch den Dschungel klingen. Sein Opern-Debüt gab er schließlich mit einer Neufassung von Ferrruccio Busonis "Doktor Faustus" (1985). Seine "Fidelio"-Inszenierung eröffnet die Theatersaison 2000 an der Mailänder Scala.

Der Unbezwingbare

Als filmischen Paten sieht Herzog Friedrich Wilhelm Murnau und dessen Stummfilme. Der filmische Expressionismus dieser Zeit begeistert ihn nicht zufällig, er kommt seinem Hang zum Pathetischen entgegen. Auch die Natur wuchert wild durch sein Oeuvre. Herzog leitete Dreharbeiten in extremen Landschaften und unter schwierigsten Bedingungen, beispielsweise in Urwäldern und Wüsten. In den Grenzerfahrungen scheint Herzog sich seiner Vorstellung von dem Wesen der Dinge näher zu fühlen. Mit Reinhold Messner bezwang er 1984 zwei Achttausender, dabei entstand der Film "Gasherbrum - der leuchtende Berg". Als Herzog mit "Schrei der Steine" 1991 auch noch das Genre des Berg- und Heimatfilms erneuern wollte, wurde er wegen seiner Sensationslust allerdings von der Kritik verrissen.

Passion Dokumentarfilm

Bei den Filmfestspielen Venedig 2009 trat Herzog als erster Regisseur in der Geschichte der Festspiele mit zwei Filmen an: mit dem Drogenfilm-Remake "Bad Lieutenant" und mit dem von David Lynch mitproduzierten "My Son, My Son, What Have Ye Done". Seine Passion gilt aber immer mehr dem Dokumentarfilm. "Grizzly Man" über den amerikanischen Bären- und Naturschützer Timothy Treadwell wurde 2006 von der "National Society of Film Critics" als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. "Begegnungen am Ende der Welt" (2007) über die Antarktis erhielt eine Oscar-Nominierung.

Werner Herzog bei den Dreharbeiten zu "Die Höhle der vergessenen Träume"

"Die Höhle der vergessenen Träume" aus dem Jahr 2011 über die 30.000 Jahre alten Malereien in der Chauvet-Höhle in Südfrankreich ist abermals ein Dokumentarfilm mit atemberaubenden Bildern und der für Herzog typischen subjektiven Sichtweise. Seine eigene Interpretation der Wirklichkeit ließ er in die Beschreibung der sichtbaren Welt einfließen und schuf damit wieder einmal einen Film, der unverkennbar seine Handschrift trägt. Sein neuestes Werk ist "Queen of the Desert", die Verfilmung des Lebens der britischen Archäologin und Spionin Gertrude Bell. Man darf gespannt sein.

Filmografie (Auswahl)

1963 Herakles
1971 Auch Zwerge haben klein angefangen
1971 Land des Schweigens und der Dunkelheit
1974 Jeder für sich und Gott gegen alle
1976 Herz aus Glas
1977 Stroszek
1979 Nosferatu
1979 Woyzeck
1982 Fitzcarraldo
1984 Wo die grünen Ameisen träumen
1988 Cobra Verde
1991 Schrei aus Stein
1997 Little Dieter Needs to fly
1999 Mein liebster Feind
2001 Invincible
2003 Rad der Zeit
2004 The White Diamond
2004 Grizzly Man
2005 The Wild Blue Yonder
2006 Rescue Dawn
2007 Begegnungen am Ende der Welt
2009 Bad Lieutenant
2009 My Son, My Son, What Have Ye Done
2011 Die Höhle der vergessenen Träume
2012 Death Row


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