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Enzianschnaps Nicht jeder Enzian blüht blau

"Blau, blau, blau blüht der Enzian" - so lautet die Evergreen-Hymne von Heino auf eine der bekanntesten alpinen Pflanzen. Zu ihrem Kultstatus hat auch der gleichnamige Schnaps beigetragen. Der kann zwar ziemlich "blau" machen, enthält aber kein bisschen blau blühenden Enzian.

Stand: 26.09.2011 | Archiv

Enzian | Bild: picture-alliance/dpa

Zusammen mit dem Edelweiß hat sich der Enzian einen festen Platz in der Hitliste der Alpenblumen erobert. Wer von ihm spricht, meint meist den blauen Enzian, "Echter Alpenenzian" oder lateinisch Gentiana clusii benannt. Mit seiner großen, leuchtend blauen Blüte wurde er zum Sinnbild der Alpenblume und des Enzians schlechthin, obwohl in Europa 35 verschiedene Arten wachsen, weltweit sogar 300 bis 400.

Enzianschnaps nicht aus "Echtem Alpenenzian"

Fast alle Enzian-Abbildungen zeigen die blaue Blüte von Gentiana clusii, die wegen ihrer seltenen reinblauen Blütenfarbe zum Symbol der Treue wurde. Die Blaublütler sind unter anderem auch auf den Etiketten von Schnapsflaschen zu sehen. Dabei enthält der Enzianschnaps weder Blüten noch Wurzeln des blauen Enzians. Es sind meist Bitterstoffe aus den Wurzeln des "Gelben Enzians", lateinisch Gentiana lutea, und manchmal auch welche des Purpur-Enzians, des Ostalpen-Enzians oder des Tüpfel-Enzians, die dem Alpenschnaps seine Note geben.

Bayerische Schnäpse

Enzian

Hochprozentiges aus der Wurzel

Enzian ist ein klarer Schnaps aus Enzianwurzeln, Bergquellwasser und Reinzuchthefe. Er wird meist aus den Wurzeln des Gelben Enzians gebrannt, aber auch aus Purpur-Enzian, Tüpfel-Enzian oder Ostalpen-Enzian. Sein Alkoholgehalt liegt bei 40 oder 50 Prozent. Bayerischer Gebirgs-Enzian darf nur im Freistaat gebrannt werden, mit Enzianwurzeln, die aus den bayerischen Alpen oder dem Alpenvorland stammen.

Bärwurz

Hochprozentiges aus der Wurzel

Bärwurz ist ein klarer, aus der Wurzel der Bärwurzpflanze gebrannter Schnaps. Auf einen Alkoholgehalt von 40 bis 45 Prozent verdünnt, wird er meist in schlanke, braune Steingutflaschen abgefüllt. Die Bärwurzpflanze ist im Bayerischen Wald heimisch und steht unter Naturschutz. Für die Schnapsproduktion - ein gut gehütetes Geheimnis jeder Brennerei - wird das Bärwurz-Gewächs mittlerweile gewerblich angebaut.

Blutzwurz

Hochprozentiges aus der Wurzel

Blutwurz ist ein herb-bitterer Likör, der aus den Wurzeln der Blutwurz und aus Kräutern mit einem Alkoholgehalt von meist 50 Prozent hergestellt wird. Besonders im Bayerischen Wald gilt der Blutwurz als heimische Spezialität. Der Name rührt von dem roten Farbstoff der Blutwurz-Wurzel. Der hochprozentige Likör wird oft auch brennend in einem speziellen Blutwurz-Pfännchen serviert.

Wurzengraber dürfen alle sieben Jahre ernten

Seit dem Mittelalter werden die extrem bitteren Wurzelstöcke dieser Enzian-Arten zur Herstellung von Schnaps, Arzneimitteln oder Appetitanregern verwendet. Obwohl alle Enziane unter Naturschutz stehen und daher weder gepflückt noch ausgegraben werden dürfen, gibt es eine Ausnahme: Sogenannte Wurzngraber haben aufgrund uralter Grab- und Brennrechte die Erlaubnis, auf den Almen des Berchtesgadener Landes dem Enzian an die Wurzel zu gehen. Sie dürfen jedoch nur die dicksten Enzianwurzeln in einem Abstand von sieben Jahren vom Gesamtstock trennen.

Viel zu bitter für das liebe Vieh

Neben dem Brennen des legendären Enzianschnapses, damals wie heute ein lukratives Geschäft, dient das Wurzngraben vor allem der Erhaltung der Milchviehwirtschaft auf den Almen. Denn manche Enzianarten - aus denen auch Amarogentin gewonnen wird, die bitterste natürliche Substanz der Welt - sind so extrem bitter, dass sie von den Kühen verschmäht werden. Die vom Vieh gemiedenen Weideflächen wachsen zu und werden unbrauchbar. Auch deshalb wird die Arbeit der Wurzngraber von den Almbauern seit jeher sehr geschätzt.

Von der Enzianwurzel zum Edelbrand

Die Enzianwurzeln werden von August bis Oktober in dem jeweils festgelegten Grabgebiet mit Hacken ausgegraben. Die oft meterlangen Wurzeln können frisch und getrocknet verwendet werden. Sie werden klein gehackt und mit Reinzuchthefe und frischem Bergwasser zur Maische eingerührt. Die Masse bleibt circa 10 Tage bei 30°C im Gärbottich. Nach der Vergärung erfolgt der erste Brand, der "Raubrand" der Destillation. Die zweite Destillation dient der Veredelung. Eine sorgfältige Vorlaufabscheidung und eine rechtzeitige Abtrennung des Nachlaufs sind wichtig. Das Destillat wird in Eschenholzfässer abgefüllt, mit der Jahreszahl versehen und zur mehrjährigen Lagerung in das Bergkellergewölbe gebracht.
Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten


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